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Streit um Rentenpaket IUnion-Nachwuchs sägt am Renten-Kompromiss

Junge Unionsabgeordnete halten das geplante Rentenpaket der Bundesregierung für zu teuer. Merz zeigt Verständnis, SPD und Opposition widersprechen.

Johannes Winkel (links) und Pascal Reddig sind beide Mitglieder der Jungen Gruppe Foto: Sebastian Willnow/dpa

Berlin taz | Junge Uni­ons­po­li­ti­ke­r*in­nen protestieren gegen das geplante Rentenpaket der Bundesregierung. Dieses sei „in seiner jetzigen Ausgestaltung nicht zustimmungsfähig“, heißt es in einem Beschluss, der auch der taz vorliegt. Zuerst hatte der Spiegel berichtet. Die Milliardenkosten seien „gegenüber der jungen Generation nicht zu rechtfertigen“.

Pikant: Die junge Gruppe, die aus 18 Abgeordneten von CDU und CSU besteht, hat die Macht, das Vorhaben zu blockieren. Denn Union und SPD haben im Bundestag nur eine Mehrheit von einem Dutzend Stimmen. Erst letzte Woche nach dem Koalitionsausschuss hatten Union und SPD bekräftigt, das Gesetz noch in diesem Jahr beschließen zu wollen, damit es Anfang 2026 in Kraft treten kann.

Im Rentenpaket hatten sich Union und SPD darauf geeinigt, die Mütterrente auszuweiten und das Rentenniveau bis zum Jahr 2031 bei 48 Prozent zu sichern. Beides waren Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag. Dazu stehe auch die junge Gruppe der Unionsfraktion. Der im August vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf gehe aber „weit über das im Koalitionsvertrag vereinbarte“ hinaus. Das würde „das teuerste Sozialgesetz des Jahrhunderts“ werden.

Ihre Kritik bezieht sich auf eine bislang wenig beachtete Stelle im Gesetzentwurf. „Auch nach 2031 liegt das Rentenniveau um rund einen Prozentpunkt höher als im geltenden Recht“, heißt es darin. Die junge Gruppe bezeichnet das als „dauerhafte künstliche Erhöhung des Rentenniveaus“. Diese Festlegung würde zentrale Entscheidungen der Rentenkommission vorwegnehmen.

Das Bundesarbeitsministerium weist diese Kritik zurück. In der Zeit nach 2031 greife „wieder die bisherige Rentenanpassungsformel, die unter anderem mit dem Nachhaltigkeitsfaktor zu einer Minderung des Rentenniveaus“ führe, erklärte ein Sprecher der taz. Übersetzt heißt das: Nach 2031 würde das Rentenniveau nicht künstlich oben gehalten.

Knackpunkt des Streits

Der inhaltliche Streitpunkt ist nur, wie der Wert ab 2032 berechnet wird – ob er auf dem durch die Haltelinie erhöhten Wert von 2031 beruht oder nicht. Laut Arbeitsministerium sollen „die Rentenanpassungen ab 2032 dann auf dem höheren aktuellen Rentenwert des Jahres 2031 aufsetzen, sodass dieser, […] dauerhaft um rund einen Prozentpunkt höher ausfällt als ohne unser Rentenpaket“. Damit würden auch die „Jüngeren von der Verlängerung der Haltelinie profitieren, wenn sie später in Rente gehen“.

Die Vize-SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt nannte die Argumentation der Jungen Gruppe „Generationentäuschung“. Die Pläne der Gruppe träfen „nicht die Älteren, es träfe die Jungen“, betonte sie. Sie wollten damit „den Generationenvertrag einseitig zu Lasten der Jüngeren umschreiben“.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hingegen sprang den jungen Abgeordneten zur Seite. Die geplante Reform könne zunächst nur das Rentenniveau bis 2031 festschreiben – „ab dem Jahr 2032 ist es offen“, sagte er. Darüber solle die Rentenkommission beraten, die im Dezember eingesetzt werde und 2026 Vorschläge vorlegen solle. Unions-Fraktionschef Jens Spahn bezeichnete den Aufruhr der jungen Gruppe als „normales Prinzip der Demokratie.“ Er sei sicher, man werde zu einem „guten Ergebnis“ kommen.

Kritik der Opposition

Der Rentenexperte der grünen Bundestagsfraktion, Armin Grau, warf der Jungen Gruppe mangelndes Hintergrundwissen vor. Das Rentengesetz sei „noch nie darauf ausgelegt gewesen, nach einer Zeit der Rentenniveaustabilisierung plötzlich von einem Jahr zum nächsten auf ein deutlich niedrigeres Rentenniveau zurückzuspringen“, sagte er der taz. Das wäre ein „starker Bruch mit der bisherigen Rentengesetzgebung.“ Es sei „unverständlich und inkonsequent, wenn ausgerechnet selbsternannte Sprachrohre der jungen Generation fordern, dass für junge Menschen eine niedrigere Rente übrig sein soll“, kritisierte Grau.

Die Rentenexpertin der Linksfraktion, Sarah Vollath, bezeichnete die Pläne der Jungen Gruppe gegenüber der taz als „absoluten Irrsinn.“ Das Rentenpaket sei „alles andere als zu teuer“. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt seien „die Ausgaben des Bundes seit Jahren konstant“. Die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent sorge nur dafür, „dass die Renten so niedrig bleiben, wie sie aktuell sind.“ Schon jetzt sei aber je­de*r fünfte Rent­ne­r*in von Altersarmut betroffen. „Die Rente reicht bei vielen Menschen jetzt schon nicht zum Leben. Nicht mal das erkennt die Junge Union an“, kritisierte Vollath.

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