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Militärputsch in MadagaskarPräsident Rajoelina lässt sich ins Exil fliegen

Seit Wochen geht die madegassische Jugend gegen den Präsidenten auf die Straße, am Dienstag putschte das Militär. Auch Frankreich mischt sich ein.

Zugeknöpft im Abgang: Andry Rajoelina, madegassischer Präsident, ins Exil geflüchtet (Archivbild) Foto: Ludovic Marin/reuters

Madagaskars Armee machte Andry Rajoelina einst zum Staatspräsidenten, Madagaskars Armee hat ihm dieses Amt wieder genommen. Mit nur 34 Jahren wurde Rajoelina im Jahr 2009 zum ersten Mal an die Staatsspitze gehievt, Ergebnis mehrmonatiger Wirren und eines Militärputsches. Der damalige Bürgermeister der Hauptstadt Antananarivo wusste schon damals, wie man sich den Schutz Frankreichs ergattert: Er empfing Diplomaten in seiner Residenz, bat den französischen Botschafter um ein vertrauliches Gespräch in dessen Dienstwagen – und als er da drin saß, weigerte er sich, wieder auszusteigen.

Wie Rajoelina es diesmal schaffte, ist noch nicht klar, aber am Sonntagnachmittag, berichten französische Medien, bestieg er auf dem Gelände seines Präsidentschaftspalasts einen französischen Militärhubschrauber, ließ sich auf eine kleine Insel fliegen und dann mit der französischen Luftwaffe nach Réunion, von wo aus er nach Dubai ins Exil weitergeflogen sein soll.

Gott schütze uns und gebe uns Klugheit, um aus dieser Lage herauszukommen

Andry Rajoelina

Der mittlerweile 51-jährige Rajoelina, Sohn eines madegassischen Obersts der französischen Kolonialarmee in Algerien, wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf, wurde aber in jungen Jahren zum erfolgreichen Unternehmer – was in Madagaskar nur mit guten politischen Connections geht. In seinem Fall war das die Familie des Langzeitdiktators Didier Ratsiraka, den Frankreich jahrelang schützte, bis er 2002 außer Landes gebracht wurde, ähnlich wie Rajoelina jetzt.

Neuer Präsident damals wurde Marc Ravalomanana, Großunternehmer, Hauptstadtbürgermeister und Führungsfigur einer Jugendrevolte. Und in ähnlicher Kombination nahm danach Rajoelina dessen Rolle ein: Besitzer eines TV-Senders, Bürgermeister der Hauptstadt und Führer der Partei TGV (Tanora Gasy Vonona – Entschlossene junge Madegassen). Die Partei nutzt ganz bewusst die Abkürzung des französischen Hochgeschwindigkeitszuges. „Ich bin weder Regierung noch Opposition, ich bin Kapitalist“ sagte der jungdynamische Rajoelina in jener Zeit.

Als er 2019 zum zweiten Mal Präsident wurde, war er nicht mehr jungdynamisch, sondern zunehmend verschroben. Während der Covid-19-Pandemie ließ er einen selbstentwickelten Anti-Corona-Kräutertee vom Militär verteilen, für Schüler sogar verpflichtend. Der massiv entwaldete Süden von Madagaskar ist von Dürre und Hunger geplagt.

Nützlich: ein französischer Pass

Fast hätte Rajoelina 2023 nicht zur Wiederwahl antreten können, denn seine Gegner fanden damals heraus, dass er seit 2014 einen französischen Pass hat. Die französische Staatsbürgerschaft habe er von seinem Vater geerbt, sagte der Präsident und kam damit durch. Sein französischer Pass ist ihm auch jetzt sehr nützlich gewesen, denn so hat Frankreich mit ihm lediglich einen bedrängten Landsmann evakuiert. Seit Wochen geht Madagaskars Jugend gegen Rajoelina auf die Straße, weil die Versorgung mit Wasser und Strom immer schlechter wird – so wie sie einst mit Rajoelina an der Spitze gegen Ravalomanana auf die Straße ging.

Nach seiner Flucht hat sich Rajoelina in einer wirren Ansprache an sein Volk gewandt. Er sei einem Mordversuch entronnen, wolle jetzt Generatoren zur Stromversorgung kaufen und müsse im Amt bleiben, denn sonst seien 100 Millionen US-Dollar Budgethilfe futsch. „Gott schütze uns und gebe uns Klugheit, um aus dieser Lage herauszukommen“, schloss er seine Ausführungen. Mit „uns“ meinte er wohl sich selbst. Am Dienstagnachmittag hat Madagaskars Militär Rajoelinas Absetzung verkündet.

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