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Pekings GegenstrategieWie China mit Trump fertigwerden will

Staatschef Xi Jinping glaubt nicht mehr an einen großen Deal mit den USA. Stattdessen hält er den „Deal-Maker“ im Weißen Haus einfach beschäftigt.

China und die USA haben sich gegenseitig mit Schiffsgebühren belegt: Containerschiff bei der Einfahrt nach Qingdao Port Foto: Imago
Fabian Kretschmer

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Fabian Kretschmer aus Seoul

Der Handelskrieg zwischen den USA und China läuft bereits seit Jahren, doch dieser Tage schießen beide Volkswirtschaften aus allen Rohren. Ein Ende Oktober geplantes Treffen zwischen Chinas Staatschef Xi Jinping und Donald Trump in Südkorea am Rande des Gipfels der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft steht auf der Kippe.

Nachdem das Handelsministerium in Peking zuletzt seine Exportbeschränkungen für Seltene Erden verschärft hatte, reagierte US-Präsident Donald Trump mit zusätzlich 100-prozentigen Strafzöllen auf chinesische Importe. Zudem erheben die Staaten seit Dienstag saftige Hafengebühren für die Schiffe des jeweils anderen Landes. China kauft zudem derzeit keine Sojabohnen aus den USA, am Dienstag drohte Trump dafür mit dem Verzicht auf chinesisches Speiseöl.

Die Chinesen sind völlig überzeugt davon, die USA im Griff zu haben

Jörg Wuttke, China-Experte

Ein Ende der Eskalationsspirale ist nicht in Sicht. „Wenn die USA Konfrontation wählen, werden wir bis zum Ende kämpfen; wenn sie Dialog wählen, bleibt unsere Tür offen“, sagte ein Sprecher des chinesischen Handelsministeriums am Dienstag.

Seine Worte werden vom heimischen Publikum regelrecht zelebriert. Dass man als einzige Volkswirtschaft der Welt dem US-Präsidenten die Stirn bieten kann, erfüllt chinesische Internetnutzer mit Stolz. „Schauen Sie sich nur den Showdown zwischen der größten Industrienation der Welt und der größten Finanzwirtschaft an!“, kommentiert ein euphorisierter User auf der Onlineplattform Douyin. Ein anderer fragt ironisch: „Wann beginnt endlich der Krieg?“ Vorher wolle er sich nämlich noch eine Portion Popcorn holen.

Machtkämpfe

„Die Chinesen sind völlig überzeugt davon, die USA im Griff zu haben“, sagt auch China-Experte Jörg Wuttke. „Sie glauben zu wissen, wie sie mit Trump umzugehen haben – indem sie Stärke mit Stärke erwidern.“

Es gibt wohl nur wenige Experten, die beide Weltmächte so gut kennen wie Wuttke: Der gebürtige Heidelberger lebte mehrere Jahrzehnte in China, wo er über Milliarden-Investitionen für den Chemieriesen BASF verhandelte und später als Präsident der europäischen Handelskammer in Peking diente. Mittlerweile lebt der Wirtschaftsexperte in der US-Hauptstadt Washington, wo er als Partner der Beratungsagentur DGA Albright Stonebridge fungiert.

Tatsächlich ist die chinesische Staatsführung mit ihrer Strategie bisher vergleichsweise erfolgreich gefahren. Im Gegensatz zur Europäischen Union drängt sie nicht auf einen raschen Deal, ganz im Gegenteil. Trump wird als sprunghaft wahrgenommen und als nicht in der Lage, sein Wort zu halten. Chinas Verhandlungsstrategie läuft nicht auf ein großes Ziel zu, sondern ist vor allem darauf ausgerichtet, Zeit zu gewinnen.

„Die Chinesen haben erkannt, dass man den Mann im Weißen Haus beschäftigt halten muss – und ihm regelmäßig kleinere Erfolge liefern, die er dann vor der eigenen Bevölkerung als große Durchbrüche verkaufen kann“, sagt Wuttke.

Aus der Balance

Zeichen dieses Zickzackkurses lassen sich schon jetzt beobachten: Nahezu stündlich wechselt Trumps Rhetorik gegenüber Peking von aggressiv polternd hin zu deeskalierend versöhnlich. Offensichtlich möchte der US-Präsident einerseits Stärke demonstrieren, aber gleichzeitig den angestrebten „Grand Bargain“ mit China nicht gefährden – und obendrein mögliche Kurseinbrüche an der Wall Street gering halten.

In Peking hingegen zählt vor allem das Wort des Parteivorsitzenden. Und Xi Jinping weiß, dass das Jahr 2028 nicht mehr allzu lang entfernt ist: In den USA stehen dann Neuwahlen an. Xi hingegen wird auch darüber hinaus im Amt bleiben.

Derzeit sieht es tatsächlich so aus, als ob China die Oberhand im Handelskrieg hat. „Die zugrunde liegende Logik Pekings ist einfach“, argumentiert der Analyst Chuchen Feng der Beratungsfirma Hutong Research: China hat mit seinem De-facto-Monopol bei Seltenen Erden ein Ass im Ärmel. Die USA hingegen können die Volksrepublik mit ihren Tech-Sanktionen nicht ebenbürtig schädigen: Denn chinesische Firmen haben bei Computerchips bereits extrem aufgeholt – und werden möglicherweise bald auf Augenhöhe mit dem Silicon Valley sein.

Ein Risiko bleibt

Trotzdem könnte es durchaus sein, dass die chinesische Staatsführung ihre Position überschätzt. „Denn auch die USA haben ein paar mächtige Waffen in der Hinterhand“, meint China-Experte Wuttke. Zwei davon hätten das Potenzial, die chinesische Volkswirtschaft existenziell zu bedrohen: So könnte Trump chinesischen Unternehmen den Zugang zur Wall Street und damit dem größten Kapitalmarkt der Welt kappen.

Noch drastischer wäre es, wenn der US-Präsident den US-Dollar als geopolitische Waffe instrumentalisiert und China vollständig vom US-Finanzsystem abschneidet. Dies würde allerdings nicht nur die Volksrepublik bedrohen, sondern die gesamte Weltwirtschaft aus den Angeln heben – und insbesondere Europa schaden, dessen Handelsbeziehungen mit China nach wie vor stark sind.

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