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Das Ende zweier ÄrenWas „Downton Abbey“ und die taz verbindet

„Downton Abbey“ verabschiedet sich im Kino, die taz vom Papier – beide schlugen sich tapfer durch und zeigen: Adel verpflichtet. Haltung auch?

Adel verpflichtet: eine Szene aus „Downton Abbey: The Grand Finale“ Foto: Rory Mulvey/Focus Features/ap

E s ist die Woche der Abschiede. Die taz verabschiedet sich unter der Woche von Print, und „Downton Abbey – Das große Finale“ läuft nur noch im Kino.

Hier geht eine Ära zu Ende. Es sagt etwas über dieses Land aus, dass es dem Schicksal einer mild verkorksten Adelsfamilie aus Yorkshire mit all ihren liebevoll ausgefüllten Charakteren so hinterhertrauert. So wie die ein oder andere dem Papier bei der taz. Dabei war die Serie nicht mal von Netflix, sondern eine gute alte TV-Produktion des britischen Privatfernsehens. In Deutschland fallen die Privaten de facto nicht durch große Serien auf. Gut, auch „Downton“ ist im Fernsehen längst zu Ende und geht nur noch mit drei Kino-Fortsetzungen weiter.

Aber ist die mittelheile britische Adelswelt, die sich so tapfer wie sympathisch durch die Verhältnisse und ihre Veränderungen schlägt, nur blanker Eskapismus gepaart mit einem nostalgischen Blick zurück? Von wegen!

Wobei „Downton“ seine Lord-und-Lady-Grantham-Mischpoche ja clever als eine Art Zumutung für den Rest des britischen Adels inszeniert hat. Weil in seinem Schloss die starken Frauen up- wie downstairs ohnehin immer den Kurs angegeben haben.

Von der US-amerikanischen Frau des altenglischen Lords über alle Konflikte diskret lösende Lady’s Maids bis zu den drei renitenten Töchtern, von denen eine mit dem Chauffeur durchbrennt und die andere zwischendurch Journalistin wird. Bevor sie dann doch noch einen verklemmten Viscount abstaubt.

Noble Frechheit

Die Adelsfamilie setzte sich auch für Minderheiten ein und war Stimme für die, die man sonst nicht so hört. Ihre Bediensteten behandelten sie so auf „Fast-Augenhöhe“, dass einem als Gewerkschafter ganz lau ums Herz wurde. Von der Mutter des Lords mal abgesehen.

Der Lord zieht im großen Finale mit seiner Lady aufs Altenteil ins Dower-House und die Tochter übernimmt die Zügel. Was zeigt, wie sehr hier die Zeichen der Zeit erkannt wurden

Die Parallelen zur taz sind unübersehbar. Auch wenn die kleine Zeitung nur einen einzigen Tag vor 25 Jahren mal von Adel war, als sie sich im Rahmen einer Rettungskampagne Frédéric von Anhalt an den Hals warf. Er hätte selbst gut in den Downton-Cast gepasst.

Auch die taz schlägt sich seit Jahren so tapfer wie sympathisch durch die Verhältnisse und ihre Veränderungen. Mit ihrer noblen Frechheit ist sie für den Rest der deutschen Medienlandschaft genauso eine Zumutung wie die Granthams bei „Downton“ für den Rest der britischen Upper-Class. Und sie hat die drei renitenten Töchter als Chefinnenredaktion. Dass sie jetzt von Montag bis Freitag genauso beherzt aufs Papier verzichtet, wie „Downton Abbey“ endgültig dichtmacht, ist richtig und konsequent.

„Oder diese Kolumne und die Grimberg-Ära wird dann von trotzigen und cleveren Frauen fortgesetzt“, schlägt die Mitbewohnerin vor.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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