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Instagram verschärft JugendschutzBis zu Barbie und nicht weiter

Kommentar von

Svenja Bergt

Instagram führt neue Filter für die Accounts von Jugendlichen ein. Der Zeitpunkt ist interessant – gerade was die Debatte um Altersgrenzen angeht.

Meta will neue Jugenschutzmaßnahmen für Minderjährige einführen Foto: Robin/action press

E s ist schon ein merkwürdiger Zufall: Da diskutieren Eltern und Expert:innen, Lehrer und Politikerinnen in vielen Ländern seit Monaten intensiv über mangelnden Jugendschutz auf Onlineplattformen wie Instagram, Tiktok und Youtube. Sie sprechen über Altersgrenzen, und der Trend geht dahin, diese vorzuschreiben.

Auch wenn noch völlig unklar ist, ob eine zuverlässige, inklusive und privatsphäre-freundliche Altersüberprüfung überhaupt möglich ist, und wenn ja, wie sie aussehen könnte. Dennoch: Die Idee ist, dass, je nach Gesetzeslage, Menschen unter 14, 15 oder 16 Jahren die entsprechenden Plattformen gar nicht mehr nutzen dürfen. Und was stellt in dieser Gemengelage der US-Konzern Meta vor? Neue Jugendschutzmaßnahmen für Minderjährige.

Gelten sollen die neuen Filter für Teen-Accounts auf Instagram. Das sind spezielle Konten für Menschen zwischen 13, dem Mindestalter für die Nutzung, und 17 Jahren. Einen Teen-Account hat, wer entweder das eigene Alter entsprechend angibt oder von einer KI anhand des Nutzungsverhaltens dort eingruppiert wird. Nut­ze­r:in­nen dieser Accounts sollen künftig standardmäßig nur noch Inhalte zu sehen bekommen, die der Filmeinstufung PG-13 entsprechen.

PG-13 ist eine in den USA gängige Altersfreigabe für Filme, so wie es die FSK-Einstufungen in Deutschland sind. Der Standard für diese Altersgruppe ist jetzt also das Gewalt-, Grusel-, Nackt- und Erwachsenheitsniveau von Filmen wie „Jurassic World Rebirth“, „Barbie“ oder, für alle, die schon länger nicht mehr im Kino waren, „Titanic“. Die entsprechenden Filter werden zunächst in den USA, in Großbritannien, Australien und Kanada eingeführt. Zum Jahresende sollen sie dann weltweit eingesetzt werden.

Wird die KI von Meta das Porno- vom Aufklärungsvideo unterscheiden können?

Nun ist das Einstufen von Social-Media-Inhalten etwas komplizierter als bei einem Film. Der ist ein abgeschlossenes Produkt, das bewertet wird und dann auf den Markt kommt. Der Bestand an Bildern und Videos, die auf Social Media geteilt werden, ist dagegen – reines Chaos. Nicht nur, dass ständig neue Inhalte dazu kommen. Sie können auch durch Veränderungen oder einen anderen Kontext von harmlos zu gefährlich oder umgekehrt werden, von humorvoll zu gruselig oder von pornografisch zu „geht gerade noch für das Alter“.

Vertrauen ist wichtig

Hut ab, sollte Meta es schaffen, da eine KI zu programmieren, die korrekt das Porno- vom Aufklärungsvideo unterscheidet. Die einen riskanten Stunt wie gewünscht rausfiltert, den Nachrichtenbeitrag über einen Unfall aber nicht. Die erkennt, ob in einem Reel wissenschaftlich basierte Ernährungstipps gegeben werden oder Essstörungen verharmlost.

Meta gibt Eltern die Möglichkeit, für ihre Kinder strengere oder lockerere Regeln einzustellen, wenn die Accounts entsprechend verknüpft sind. Sie sollen darüber hinaus bewerten können, ob doch noch Inhalte durchkommen, die sie lieber gesperrt sähen. Das kann man kritisieren, als Ausnutzen unbezahlter Arbeit, die eigentlich bezahlte Content-Moderator:innen machen sollten. Aber man kann es auch als Zugehen von Meta auf Eltern begreifen, die so mehr Vertrauen in die Plattform gewinnen sollen, mit der ihre Kinder einen guten Teil ihrer Tageszeit verbringen.

Und Vertrauen – das ist schon wichtig. Denn auch wenn Meta das natürlich keinesfalls in einen Zusammenhang bringen würde, darf man getrost davon ausgehen, dass die Neuerungen und vor allem ihr Zeitpunkt eben kein Zufall sind. Sondern ein Fall von: Politischer und gesellschaftlicher Druck wirkt.

Denn natürlich hätte Meta entsprechende Filter auch schon vor 5 Jahren einbauen können. Und die Teen-Accounts nicht erst im vergangenen Jahr umsetzen, sondern ebenfalls entsprechend früher. Aber da bestand anscheinend noch nicht das reale Risiko, dass die wichtige Zielgruppe der 13-bis-16-Jährigen durch gesetzliche Altersbeschränkungen ganz wegbrechen könnte.

Wenn die hitzigen Diskussionen über gesetzliche Altersgrenzen, in Kombination mit dem Verfahren der EU-Kommission zu möglichem Suchtverhalten bei der Nutzung von Facebook und Instagram zu einem Umdenken bei Meta geführt haben sollten, wäre das gut. Sollte Meta gar von selbst darauf gekommen sein, wäre es umso besser. Dann könnten sie ja als Nächstes die ganzen anderen Probleme angehen, die ihre Algorithmen so verursachen. Und zwar nicht nur bei Jugendlichen.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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