Netanjahu im Weißen Haus: Trump verspricht „ewigen Frieden in Nahost“
Beim Treffen mit Israels Premier Netanjahu stellt Trump der Hamas ein Ultimatum. Mit seinem 20-Punkte-Plan sollen alle Geiseln freikommen, der Krieg enden.

Der gemeinsame Auftritt demonstrierte Einigkeit, nachdem der US-Präsident sich zuletzt mitunter frustriert über Netanjahu gezeigt hatte. Er kommt auch in einem Augenblick, in dem immer mehr Menschen und Regierungen weltweit die israelischen Angriffe im Gazastreifen scharf kritisieren, bei denen binnen zwei Jahren laut Angaben des Hamas-geführten Gesundheitsministeriums mehr als 66.000 Menschen getötet wurden, die meisten von ihnen Zivilisten.
Die Zustimmung der Hamas, oder dem, was von deren Befehlskette noch übrig ist, ist alles andere als garantiert. Der Trump-Plan schließt zwar ausdrücklich eine Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung aus Gaza aus und stellt im Gegenzug für die Rückgabe aller lebenden und toten israelischen Geiseln binnen 72 Stunden die Freilassung von 250 palästinensischen Gefangenen mit lebenslangen Haftstrafen und Hunderten weiteren Palästinensern aus israelischen Gefängnissen in Aussicht. Zudem sollen die Hilfslieferungen für die rund zwei Millionen Palästinenser in dem Küstenstreifen umgehend hochgefahren werden. Eine dauerhafte Besatzung oder Annexion durch Israel wird ausdrücklich ausgeschlossen.
Das Papier bleibt jedoch an mehreren Punkten unklar oder lässt deutliche Schlupflöcher mit Blick auf Israels Verpflichtungen. So soll der Abzug der israelischen Armee schrittweise erfolgen. Entlang einer Pufferzone, die auch die Grenze zu Ägypten einschließt, sollen israelische Soldaten auf unbestimmte Zeit die Kontrolle behalten. Der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) wird erst nach einem nicht näher definierten Reformprozess eine Rolle in Gaza zukommen können. Zudem enthält der Plan Punkte, die die Hamas in der Vergangenheit stets abgelehnt hat, etwa dass die Gruppe ihre Waffen abgeben soll. Auch eine geforderte Garantie, dass Israel die Kämpfe nach der Freilassung der Geiseln nicht wiederaufnehmen wird, fehlt.
Verpflichtung für Gaza: „Friedliche Koexistenz“
Trump selbst will den Vorsitz über ein Komitee namens „Board of Peace“ übernehmen, das eine Übergangsverwaltung „palästinensischer Technokraten“ beaufsichtigen würde. Auch der ehemalige britische Premierminister Tony Blair und Vertreter der arabischen Welt sollen zu diesem Board gehören. Geplant ist ein „Trump-Wirtschaftsentwicklungsplan zum Wiederaufbau des Gazastreifens“. Das weckt Erinnerungen an Pläne für eine „Riviera des Nahen Ostens“, mit denen der US-Präsident Anfang des Jahres für Aufruhr sorgte, auch weil er damals über die dauerhafte Vertreibung der Bevölkerung spekulierte. Das Papier garantiert diesmal aber ein Rückkehrrecht für jeden Palästinenser, der den Gazastreifen verlässt.
„Das neue Gaza verpflichtet sich zu einer friedlichen Koexistenz mit seinen Nachbarn“, heißt es in dem Plan. Die Sicherheit in dem Küstenstreifen würden künftig Sicherheitskräfte aus arabischen Ländern garantieren und dort palästinensische Polizeikräfte ausbilden. Die Gründung eines palästinensischen Staates sieht das Papier nicht explizit vor. Nach einer Reform der PA könnten „vielleicht die Bedingungen für einen glaubhaften Weg“ zu einem Palästinenserstaat vorliegen. Israels Regierung lehnt einen palästinensischen Staat entschieden ab.
Den arabischen Staaten in der Region könnte diese vage Zusage dennoch genügen. Trump lässt keinen Zweifel daran, dass es ihm um mehr als den Gazastreifen geht. Er möchte weitere Staaten für eine Normalisierung ihrer Beziehungen zu Israel unter den Abraham-Abkommen gewinnen, darunter Saudi-Arabien, der Libanon oder Syrien. In einer gemeinsamen Erklärung begrüßten Katar, Jordanien, Saudi-Arabien, Ägypten und weitere Länder der Region den Vorschlag.
Werden die Hamas und Israels Regierung zustimmen?
Ein Sprecher der Hamas äußerte sich gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters ablehnend. Ihre Waffen wolle die Gruppe erst aufgeben, wenn „die Besatzung endet und ein palästinensischer Staat errichtet worden ist“. Eine Verwaltung des Gazastreifens durch „Auflegung ausländischer Vormundschaft“ komme zudem nicht infrage. Andererseits ist die Gruppe zwei Jahre nach ihrem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 stark geschwächt, international zunehmend isoliert und hat in der Bevölkerung viel Rückhalt verloren.
Auch eine israelische Zustimmung aber ist bisher nicht sicher. Zwar würde Netanjahu mit dem Vorschlag die meisten seiner Kriegsziele erreichen können: die Freilassung der Geiseln und die Beseitigung der Hamas als militärische Bedrohung.
Andererseits aber macht das Abkommen die Pläne seiner rechtsreligiösen Koalitionspartner unwahrscheinlich, die seit Monaten offen eine Vertreibung der Palästinenser und eine anschließende jüdische Besiedlung fordern. Auch Netanjahu selbst hat Gründe, das Ende des Krieges hinauszuzögern: Dann stünde die Aufarbeitung des sicherheitspolitischen Versagens an, das auf israelischer Seite den 7. Oktober erst ermöglicht hat.
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