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Ukrainisch-ungarische BeziehungenOrbán zieht den Stecker

Ungarns Regierungschef lässt zwölf ukrainische Nachrichtenportale blockieren. Das sei eine Retourkutsche an die Adresse Kyjiws, heißt es aus Budapest.

Der ungarische Ministerpräsidenten Viktor Orbán: Blockaden gegenüber der Ukraine aufzubauen, hat in Ungarn Methode Foto: Denes Erdos/ap

Berlin taz | Die ungarische Regierung hat angeordnet, 12 Webseiten ukrainischer Medien sperren zu lassen, die in der Ukraine hohe Zugriffszahlen haben. Dazu gehören unter anderem die Portale pravda.com.ua, hromadske.ua sowie NV.ua. Zur Begründung hieß es, dies sei eine Antwort auf die Zensur vonseiten Kyjiws.

Die Ukraine, die dabei sei, der Europäischen Union beizutreten, habe ausländische Websites, darunter auch ungarische, blockiert, weil diese es gewagt hätten, kritisch über die Sanktionspolitik gegen Russland sowie die bewaffnete Unterstützung der Ukraine zu schreiben und die EU und die NATO als zersplittert und ineffektiv darzustellen.

Gemäß dem Prinzip der Gegenseitigkeit führe Ungarn spiegelbildliche Maßnahmen gegen ukrainische Informationsportale ein, schrieb Gergely Gulyás, Büroleiter des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, auf Facebook.

Im vergangenen September hatte die Ukraine ihrerseits mehrere Medien blockiert, darunter auch acht Portale in ungarischer Sprache. Die Websites schilderten den Krieg durch das Prisma der russischen Propaganda – mit fiktiven „Erfolgen“ der russischen Armee, Misserfolgen der ukrainischen Streitkräfte und Geschichten über ukrainische „terroristische Aktivitäten“, hieß es dazu in einer Erklärung von UAblocklist. Das nicht kommerzielle Projekt UAblocklist ist die einzige offene Datenbank, in der Informationen über alle in der Ukraine gesperrten Webseiten bereitgestellt werden.

Botschaft als Kontrollinstanz

Bereits Ende Juni hatten Ver­tre­te­r*in­nen von Orbáns Partei Fidesz von „Angriffen“ in Artikeln der Ewropejska Pravda, eine Unterrubrik der Ukrainska Pravda (pravda.com.ua) berichtet. Dabei ging es um Berichte über eine von der ungarischen Regierung organisierte Bürgerumfrage zum EU-Beitritt der Ukraine, die von der ungarischen Regierung initiiert worden war.

So bezeichnete der Kommunikationsdirektor von Fidesz, Tamás Menczer, den Herausgeber der Ewropejska Pravda, Sergej Sidorenko, als „Selenskyjs Lieblingsjournalisten“, der der ungarischen Oppositionspartei TISZA „absichtlich in die Hände spielt“. Sidorenko erklärte daraufhin, dass das ungarische Außenministerium seinen Informationen zufolge die ungarische Botschaft in Kyjiw angewiesen habe, alle Artikel, in denen er Orbán-Referenzen erwähnt habe, zu übersetzen.

Nicht nur die gegenseitige Blockade von Webseiten sorgt für weitere Verstimmungen zwischen der Ukraine und Ungarn. Auch einige Äußerungen von Orbán riefen in Kyjiw Unmut hervor. „Die Ukraine ist kein unabhängiges, souveränes Land. Wir unterstützen die Ukraine, aber sie sollte nicht so handeln, als wäre sie souverän“, sagte Orbán.

Wenige Tage zuvor hatte er sich bei X über die Verfolgung durch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beschwert. Ungarn sei Mitglied der NATO und der EU. Ohne die Unterstützung dieser beiden Organisationen wäre die Ukraine längst zusammengebrochen. „Präsident Selenskyj, bei allem Respekt, hören Sie auf, uns zu verfolgen!“, schrieb Orbán am 27. September. Die Antwort von Andrij Sybiha bei X ließ nicht lange auf sich warten. Ungarns Regierungschef bleibe von russischer Propaganda vergiftet, postete der ukrainische Außenminister.

Blockadehaltung als Programm

Blockaden gegenüber der Ukraine aufzubauen, hat in Ungarn Methode. Budapest hatte bereits mehrfach erklärt, einen „übereilten EU-Beitritt der Ukraine“ nicht zuzulassen. Laut Orbán würde dies die europäische Wirtschaft zerstören und könnte zu einem direkten bewaffneten Konflikt mit Russland führen.

Beim EU-Gipfel in Brüssel am 26. Juni blockierte Orbán eine gemeinsame Erklärung zur Unterstützung der Ukraine, die grünes Licht für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen gegeben hätte. Kyjiw ist seit 2022 EU-Beitrittskandidat.

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