Sicherheitskonferenz in Warschau: Zauberformel gegen Moskau
Der US-Gesandte für die Ukraine, Keith Kellogg, wirbt in Warschau um Verständnis für Washingtons Russlandpolitik. Man müsse mit allen Seiten sprechen.

Kelloggs wichtigster Satz fiel, als die meisten der hunderten Zuhörer die Augen kaum aufgeschlagen hatten: „Ich spreche hier nicht für den Präsidenten, das überlasse ich ihm, er kann das gut“, sagte Trumps wohl häufigster Europa-Reisender. Das wirkte besser als der beste Espresso, serviert von iCloud-Anbietern und globalen Wirtschaftsprüfern.
Zwei Tage lang kämpften sich hunderte Politiker, Militärs und NGO-Vertreter durch insgesamt 60 Diskussionsveranstaltungen, die sich allesamt rund um die hybride und kybernetische Kriegsführung Russlands gegen den kollektiven Westen drehten.
Prominent vertreten war natürlich die Ukraine, deren Staatspräsident Wolodymyr Selenski am Montag zusammen mit Polens Regierungschef Donald Tusk das Sicherheitsforum eröffnet hatte. Entsprechen strikt waren die Sicherheitskontrollen der Handtaschen, Beauty-Cases und Rücksäcke.
Modeshow und Männlichkeitswahn
Denn wie jede Konferenz oszillierte auch das WSF bisweilen zwischen Modeshow und Männlichkeitswahn. Daran erinnerten besonders die Modelle der neusten EU-produzierten Raketen. Denn zu den Sponsoren des WSF gehören vor allem Waffenschmieden.
Dies macht angesichts der aktuellen Bedrohungslage durchaus Sinn. Daran gewöhnen muss sich das einst pazifistische, typisch westeuropäisch sozialisierte Auge, dennoch. Kaum ein Redner aus Zentral- und Osteuropa, der die russische Drohnen-Attacke auf Polen vor drei Wochen nicht erwähnte.
Ausgerechnet dazu gab sich jedoch der ehemalige US-General Kellogg am Dienstag kleinlaut. Das Weiße Haus hatte damals die klare Luftraumverletzung mit über 20 Drohnen gegen das direkte an der Nato-Ostflanke gelegene Polen tagelang nicht einmal erwähnt, geschweige denn verurteilt. „Es gilt zu bedenken, dass sich der Präsident in einem Verhandlungsprozess mit Russland befindet“, ließ dazu am Dienstag in Warschau Kellogg verlauten.
Trumps früherer Vertrauter, Ex-General mit immerhin 23 internationalen Einsätzen auf dem Buckel, brach bei dem WSF eine Lanze dafür, mit allen Seiten eines Konfliktes zu sprechen. Joe Biden habe den Fehler gemacht, sich einem Kontakt zu Moskau zu verschließen.
Keine Chance
Kellogg wiederholte stattdessen Trumps Geschichte von den ungemein hohen Opferzahlen, vom größten Sterben in der Ukraine nach dem Zweiten Weltkrieg, dem es ein Ende zu bereiten gelte. Russland habe keine Chance, diesen Krieg gegen die Ukraine zu gewinnen, ließ sich Kellogg noch entlocken. Das jedoch war keine klare Aussage darüber, wer den Krieg begonnen hat.
Besonders düpiert durch Kellogg wurden auch die demokratisch gesinnten Belarussen, die mit der bei den Präsidentenwahlen 2020 mutmaßlich siegreichen Svitlana Tichanowskaja an beiden Gipfeltagen sehr prominent vertreten waren.
Donald Trump verhandle mit Staatschef Alexander Lukaschenko nur, weil dieser oft mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin spreche, erklärte Kellogg einem oppositionellen Medienvertreter. „Die Freilassung von politischen Gefangenen ist nicht das Ziel dieser Verhandlungen, sondern ein Nebeneffekt“, sagte er. „Wir wissen sehr gut, mit wem wir es zu tun haben“, sagte Kellogg.
Das Weiße Haus sei nicht naiv, natürlich würden für jeden Freigelassenen zwei neue Personen eingesperrt. Die Behauptung, nur noch ein Deal zähle für die USA sei falsch. „Wir wollen beides: Gemeinsame Werte verlangen auch ein Quid-pro-Quo, den transaktionellen Tausch“, so Kellogg. Manch einer verließ das Tagungshotel in den östlichen Outskirts von Warschau mit gemischten Gefühlen. Ein Ende der Naivität täte nicht nur im Bezug auf Russland Not, sondern auch auf die USA.
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