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Angriff vor Jemens KüsteHuthis bekennen sich zu Attacke auf Frachtschiff

Das wohl von einem Marschflugkörper getroffene Schiff MV Minervagracht droht vor Jemens Küste zu sinken. Die verletzten Besatzungsmitglieder wurden evakuiert.

So sah sie einmal aus: Die MV Minervagracht im Januar 2025 in niederländischen Gewässern Foto: Mark Prummel/ap

Toronto taz | Am Montagnachmittag wurde in internationalen Gewässern vor der Küste der jemenitischen Provinz Abyan im Golf von Aden das Frachtschiff MV MINERVAGRACHT angegriffen. Es fuhr unter niederländischer Flagge. Der Angriff löste einen Brand an Bord aus und führte dazu, dass das Schiff manövrierunfähig wurde. Zwei Besatzungsmitglieder wurden verletzt, eines davon schwer. Er wurde zur Behandlung nach Djibouti gebracht. Das Schiff läuft derzeit Gefahr, zu sinken.

Das betreibende Schifffahrtsunternehmen Spliethoff bestätigte in einer Erklärung, dass das Schiff von einem unbekannten Sprengkörper getroffen wurde, der erhebliche Schäden am Rumpf verursachte. Die 19-köpfige Besatzung wurde mit Hubschraubern der europäischen Marine-Mission „Aspides“ evakuiert. Die Besatzung umfasst Staatsangehörige aus Russland, der Ukraine, den Philippinen und Sri Lanka. Das Unternehmen erklärte, es beobachte den Zustand der verletzten Besatzungsmitglieder genau.

Nach mehr als 24 Stunden Schweigen erklärte sich die jemenitische Huthi-Miliz schließlich am späten Dienstag für den Angriff verantwortlich. Sie hätten das Schiff mit einer Marschflugrakete getroffen. Die Gruppe rechtfertigte den Angriff mit der Behauptung, das Schiff habe zuvor in israelischen Häfen angelegt. Sie behauptete weiter, die Operation sei Teil ihrer laufenden Kampagne zur Unterstützung des Gazastreifens. Eine so lange Verzögerung bei der Anerkennung eines Angriffs seitens der Huthis gab es bislang nicht. Normalerweise geben die diese innerhalb weniger Stunden bekannt.

Lokale Quellen in der jemenitischen Provinz Al-Bayda berichteten von einem Raketenabschuss aus dem von den Houthis kontrollierten Bezirk Mukayras, nur wenige Minuten bevor die United Kingdom Maritime Trade Operations (UKMTO) eine Meldung veröffentlichten, in der sie bestätigten, dass das Schiff getroffen worden war.

Eskalation nach einer Phase der Ruhe

Dieser Vorfall ist der erste größere Huthi-Angriff auf die Schifffahrt in der Region seit über zwei Monaten. Die letzten bekannten Angriffe der Houthis richteten sich gegen die Schiffe Magic Seas und Eternity C, die beide gesunken sind. Zehn Besatzungsmitglieder der Eternity C befinden sich seit dem 9. Juli in Geiselhaft der von Iran unterstützen Miliz.

Rettungsmission der „Aspides“ am Montag Foto: Eunavfor Aspides via X

Im November 2023 hatten die Huthis Operationen gegen Schiffe angekündigt, die mit Israel in Verbindung stehen oder israelische Häfen anlaufen, und dies mit ihrer Solidarität mit der Hamas im Krieg in Gaza begründet. Das veranlasste schließlich die Vereinigten Staaten – etwa zwischen März und Mai 2025 – und Großbritannien zu Angriffen auf Stellungen der Huthis. Trotz dieser Bemühungen haben die Houthis ihre Seekampagne fortgesetzt.

Huthis erweitern ihr Marinearsenal

Analysten meinen: Der jüngste Angriff könnte eine Reaktion auf die derzeitigen Bemühungen Europas und Großbritanniens sein, die jemenitische Küstenwache zu stärken. Im saudi-arabischen Riad fand Mitte September eine hochrangige internationale Konferenz statt, an der über 35 Länder teilnahmen und die von Saudi-Arabien und Großbritannien koordiniert wurde. Sie sollte Finanzmittel für die jemenitischen Seestreitkräfte mobilisieren. Die Initiative zielt darauf ab, den Waffenschmuggel und die Piraterie der Huthis einzudämmen.

Die Führung der Huthis verurteilte diesen Schritt und warf den Verantwortlichen vor, israelischen Interessen zu dienen. In einer Fernsehansprache hatte der Anführer der Gruppe gewarnt, solche Bemühungen würden „nicht unbeantwortet bleiben“.

In den letzten Monaten hatten die Huthis eine Reihe neuer Seewaffen vorgestellt, darunter ferngesteuerte explosive U-Boote, Selbstmordboote und Seeminen, die entlang der von ihnen kontrollierten Küstenlinien eingesetzt werden können. Die offiziellen Streitkräfte des Jemen hatten außerdem im Juli Lieferungen mit 750 Tonnen Waffen, Komponenten für Schiffsabwehrraketen und hochmoderne Drohnenteile abgefangen, die für die Huthis bestimmt waren.

Brigadegeneral Mohammed Al-Kumaim, Militäranalyst der jemenitischen Armee, warnte, diese hochmodernen Waffen, von denen einige aus dem Iran geschmuggelt worden seien, stellten eine direkte Bedrohung für die regionale Sicherheit dar. Die abgefangenen Waffen seien eindeutig dazu bestimmt, neue Fronten im Seekrieg zu eröffnen.

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