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Berühmte PrimatenforscherinJane Goodall stirbt mit 91 Jahren

Die Britin Jane Goodall hat in der Wildnis Tansanias frei lebende Schimpansen beobachtet und damit die Verhaltensforschung revolutioniert.

Jane Goodall spricht auf der Greenpeace-Bühne während des Glastonbury Festivals in Worthy Farm Foto: Ben Birchall/dpa

Frankfurt a. M. epd | „Ape Lady“, Affenlady, wurde Jane Goodall auch genannt. Und sie machte diesem Namen alle Ehre: Die Britin war die wohl berühmteste Primatenforscherin der Welt, hat das Verhalten von Schimpansen in Ostafrika erforscht und setzte sich für deren Überleben ein. Wie das Jane Goodall Institute am Mittwochabend mitteilte, starb sie im Alter von 91 Jahren. Goodall war auf einer Vortragsreise im US-Bundesstaat Kalifornien.

Im Gombe-Stream-Nationalpark im Westen Tansanias nahe der Grenze zu Burundi hatte die 26 Jahre junge Jane Goodall 1960 im Auftrag des britischen Paläoanthropologen Louis Leaky mit der Beobachtung frei lebender Schimpansen begonnen – ohne Biologiestudium. Sie hatte den renommierten Wissenschaftler als Direktor des Kenya National Museums kennengelernt, wo die Absolventin einer höheren Handelsschule drei Jahre zuvor als Sekretärin angestellt worden war.

Ihre erste frustrierte Studiennotiz von der Beobachtung eines Affen: „Er lief davon, als wir auf gleicher Höhe mit ihm waren, und wir sahen ihn nicht wieder.“ Aber schon bald wirbelte Goodall die akademische Verhaltensforschung durcheinander. Sie beobachtete die Schimpansen offen, versteckte sich nicht vor ihnen, und nahm Kontakt mit ihnen auf. „Teilnehmende Beobachtung“ hieß ihre Methode. Und sie gab „ihren“ Affen Namen. Das war damals unerhört, zumal bei angelsächsischen Forschern, die ihre Beobachtungsobjekte um der Objektivität willen nummerierten.

Bahnbrechende Beobachtungen

„David Greybeard“, ein betagter Schimpansenmann, legte die Scheu ab und gab ein Signal des Vertrauens. Ihm verdankte die Forscherin drei bahnbrechende Beobachtungen: Schimpansen sind keine Vegetarier, sondern essen Fleisch; sie benutzen Werkzeuge, indem sie mit Pflanzenstängeln in Termitenhügeln stochern; sie stellen Werkzeuge her, indem sie die Blätter von den Stängeln streifen. Bis dahin hatte allein der Mensch als Werkzeugmacher gegolten.

„Jetzt müssen wir entweder das Werkzeug umdefinieren oder den Menschen“, erklärte Leaky. Allerdings beobachtete Goodall 1974 auch, dass Schimpansen noch etwas mit Menschen gemeinsam haben: Kannibalismus und Aggressionen bis hin zum Ausrottungskrieg gegenüber Nachbarpopulationen. Das dämpfte ihre Liebe zu „Fifi“, „Floh“, „Gremlin“ und Co.

Bevor sie 1971 ihre frühen Forschungen unter dem Titel „In the Shadow of Man“ („Wilde Schimpansen“) publizierte, hatte sie geheiratet, war Mutter eines Sohnes geworden und ohne Hochschulreife und mit Ausnahmegenehmigung an der University of Cambridge ihren Doktor der Ethologie (Verhaltensforschung) gemacht. Ihr niederländischer Ehemann Hugo von Lawick drehte den Film „Miss Goodall and the Wild Chimpanzees“.

Eigene Forschungsstation

Nach der Scheidung von Lawick und der Heirat mit dem Direktor der tansanischen Nationalparks, Derek Bryceson, konnte sie ihr Beobachtungsgebiet Gombe sichern und eine Forschungsstation aufbauen. „Ihre“ Schimpansen kämpften mit diversen Epidemien, etwa Polio und Atemwegserkrankungen, an denen auch „David Greybeard“ starb. Schlimmer noch wütete das SI-Virus („Schimpansen-Aids“) unter der vergleichsweise kleinen Population.

Nach dem Tod ihres Mannes 1980 wurde Goodall mehr und mehr zur hauptberuflichen Naturschützerin, seit 2002 war sie auch als UN-Friedensbotschafterin unterwegs. Schon 1977 hatte sie das Naturschutzinstitut „Jane Goodall Institute for Wildlife Research, Education and Conservation“ gegründet.

In ihrem Buch „Ein Herz für Schimpansen“ plädierte sie für einen besseren, einen ethischeren Umgang mit den Tieren. Mit Ihrem Great Ape Project setzte sie sich für Rechte der Menschenaffen ein. 2008 forderte sie einen Nobelpreis für alternative Methoden zu Tierversuchen, später auch die Abschaffung der Käfighaltung bei Nutztieren in der EU.

Bis zu ihrem Tod war Jane Goodall unterwegs, um weltweit für Tierschutz einzutreten. Ihr ständiger Begleiter; ein Plüschaffe namens „Mr. H.“

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