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Analyse von RegierungsberaternBürokratie? Tendenz ohnehin abnehmend

Die Kosten für Verwaltungsaufwand, die Privathaushalte und Firmen tragen, sinken leicht. Das zeigt aktuelle Zahlen.

Bürokratieabbau: Es gibt viel zu tun Foto: Maren Winter/imago

Berlin taz | Diese Nachricht steht im Gegensatz zur aufgeregten Debatte: Die Bürokratie geht etwas zurück. Seit Mitte 2023 sinkt der sogenannte Erfüllungsaufwand – die Kosten, die unter anderem Privathaushalten und Unternehmen durch Gesetze und Vorschriften entstehen. Die zusätzliche Belastung verminderte sich von etwa 18 Milliarden Euro jährlich auf jetzt etwa 13 Milliarden Euro. Das teilte der für die Berechnung zuständige Normenkontrollrat am Donnerstag mit.

Bürokratie ist ein beliebtes Thema in jedem Wahlkampf. Wenn die Wirtschaft insgesamt lahmt, wie momentan, stöhnen die Firmen über neue Gesetze, die ihre Kosten erhöhen könnten. Privatleute tauschen sich gerne darüber aus, wie kompliziert es ist, den neuen Personalausweis zu erhalten oder das Auto umzumelden. Gerade erst hat die Bundesregierung bei ihrer Klausur eine lange Liste mit geplanten Vereinfachungen veröffentlicht. Selbst ein neues Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung gibt es nun, das allerdings – Ironie der Geschichte – den bürokratischen Aufwand erstmal erhöht.

Trotz des Kostenrückgangs sagte Karsten Wildberger (CDU), der neue Minister, bei seinem ersten Besuch am Donnerstag in der Bundeskonferenz: „Wir haben noch extrem viel zu tun.“ Doch Ergebnisse seiner Arbeit kann er noch nicht präsentieren. Für November kündigte er eine Kabinettsitzung an, bei der es um Entlastungen von Bürokratie gehen soll.

Der Erfüllungsaufwand ist in den vergangenen Jahren gesunken, weil die Ampel und die schwarz-rote Regierung einige Vorschriften vereinfachten. Ein Stichwort ist der sogenannte Bauturbo, der es künftig erleichtern und beschleunigen soll, Wohnhäuser zu errichten. Das haben die Fachleute bereits eingerechnet.

Widersprüche bei den Zahlen

Die Entlastungswirkung ist allerdings eine relative Größe. Die Berechnung existiert erst seit 2011 – dieses Jahr dient als Basis. Wenn Privathaushalten, Firmen und Verwaltungen jetzt nur noch 13 Milliarden Euro Bürokratiekosten pro Jahr entstehen, ist das der zusätzliche Aufwand im Vergleich zu 2011. Insgesamt jedoch kalkuliert der Normenkontrollrat die durch Verwaltung verursachten Aufwendungen auf 64 Milliarden Euro pro Jahr. Das macht etwa 1,5 Prozent im Vergleich zur deutschen Wirtschaftsleistung aus.

Wobei bei der Darstellung derartiger Kosten gewisse Widersprüche auftreten. Denn Daten des Statistischen Bundesamtes zufolge ist die Bürokratiebelastung der Unternehmen seit 2012 um gut fünf Prozent gesunken. Dabei wurde allerdings die Inflation herausgerechnet. Der Erfüllungsaufwand des Normenkontrollrats wird dagegen nicht inflationsbereinigt dargestellt – möglicherweise sind die angegebenen Milliardenwerte deshalb eigentlich zu hoch angesetzt.

Damit der Aufwand weiter sinkt, fordert der Rat unter anderem „Digital-, Praxis- und Bürgerchecks“ für jedes neue Gesetz. Wenn es erarbeitet werde, sollen Verwaltung und Politiker konsequent daran denken, wie der Vollzug automatisiert werden könne. Außerdem gelte es, Bürgerinnen, Bürger und Firmen in die Erarbeitung miteinzubeziehen, um aus der Praxis zu erfahren, welche Folgen die neuen Regelungen hätten und welche Hürden bei der Umsetzung entstünden.

Solche Ideen wurden auch diskutiert, als das Bundeskabinett bei seiner Tagung in der Berliner Villa Borsig diese Woche die Modernisierungsagenda beschloss. Zu den konkreten Punkten gehörte dabei, dass die Autozulassung künftig nicht mehr in den Städten und Landkreisen, sondern nur noch zentral und digital beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg stattfinden soll. Die Führerscheine sollen ebenfalls digital und schnell erhältlich sein. Außerdem will die Regierung ermöglichen, dass Unternehmen innerhalb eines Tages gegründet werden können.

Wobei auch Minister Wildberger daraufhinwies, dass Bürokratie nicht nur schlecht sei. „Es gibt Regulierung, die extrem wichtig ist.“ Als Beispiel nannte er die Cybersicherheit, den Schutz von Computern gegen Hacker.

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