Gebremste Energiewende: RWE zieht sich aus Wasserstoff-Projekt in Namibia zurück
Bis zu 300.000 Tonnen „grünes Ammoniak“ wollte der Energiekonzern ab 2027 pro Jahr aus Afrika beziehen. Aber daraus wird nun doch nichts.
Wasserstoff gilt als Alternative zu fossilen Energieträgern und damit als wichtig bei der Energiewende und dem Klimaschutz. „Grüner Wasserstoff“ wird per Elektrolyse von Wasser mittels Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen.
RWE und das Konsortium Hyphen Hydrogen Energy hatten im Jahr 2022 eine Absichtserklärung unterzeichnet. Demnach sollte RWE ab 2027 pro Jahr bis zu 300.000 Tonnen „grünes Ammoniak“ aus Namibia beziehen. Hyphen, an dem das deutsche Energieunternehmen Enertrag beteiligt ist, war von der namibischen Regierung für die Entwicklung eines „grünen Wasserstoffprojekts“ ausgewählt worden.
Im Rahmen dieses Vorhabens sollte bis 2027 jährlich rund eine Million Tonnen grünes Ammoniak für den Export produziert werden. Ammoniak, eine chemische Verbindung von Wasserstoff und Stickstoff, kann mit Schiffen transportiert werden.
Projektpartner geht trotzdem von Nachfrage aus
Ein Sprecher des Projektpartners Enertrag teilte mit, kurzfristig bedeute der Rückzug von RWE, dass ein potenzieller Abnehmer wegfalle. „Langfristig bleibt die Entwicklung des Projekts jedoch unberührt.“ Der Bedarf an grünem Wasserstoff und seinen Derivaten in Europa und Asien werde weiter steigen – es sei eine Frage des „Wann“, nicht des „Ob“.
Die Bundesregierung sei nicht am Projekt beteiligt. Hyphen sei zwar 2024 als potenzielles „strategisches Auslandsprojekt“ eingestuft, seitdem sei aber nichts passiert. Es habe daher keine Förderung gegeben, das Projekt sei ausschließlich privatwirtschaftlich finanziert.
Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums sagte, man sei an dem Projekt nicht beteiligt. Zu Namibia bestehe eine Energiepartnerschaft, die weiter aufrechterhalten werden solle.
Zu wenig grüner Wasserstoff
Beim Markthochlauf von grünem Wasserstoff gibt es ein Henne-Ei-Problem: Die Nachfrage kommt wegen der noch hohen Preise und geringen Verfügbarkeit nicht in Schwung. Eine Herstellung in großem Umfang, wie sie künftig für die Energiewende nötig sein wird und die auch die Preise drücken könnte, scheitert an der geringen Nachfrage.
Wissenschaftler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung empfohlen der Politik deshalb in einer Studie Anfang des Jahres, neben Subventionsprogrammen auf verbindliche Wasserstoffquoten für die Wirtschaft zu setzen, etwa für die Luftfahrt, die Stahl- oder die Chemiebranche. Teilweise gibt es das bereits: In der EU müssen ab 2030 mindestens 1,2 Prozent aller Flugzeugtreibstoffe synthetische Kraftstoffe auf Basis von Wasserstoff sein. Bis 2050 soll diese Quote auf 35 Prozent steigen.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hatte am Mittwoch die Bundesregierung für geplante Kürzungen bei der Wasserstoffförderung als „völlig falsches Signal“ kritisiert. „Die Bundesregierung muss hier dringend nachsteuern, um Planungssicherheit, Investitionen und den Wasserstoffhochlauf nicht zu gefährden“, sagte BDEW-Chefin Kerstin Andreae. Gleichzeitig lobte sie Pläne der Regierung, Bürokratie für Wasserstoff-Infrastruktur in Deutschland zu reduzieren.
Das Kabinett in Berlin hatte am Mittwoch ein Wasserstoff-Beschleunigungsgesetz auf den Weg gebracht. Demzufolge kann der Ausbau als im „überragenden öffentlichen Interesse“ eingestuft werden, was beispielsweise schnelle und weniger aufwendige Genehmigungsverfahren mit sich bringen könnte. „Damit die dringend notwendige Wasserstoffwirtschaft tatsächlich Fahrt aufnehmen kann, braucht es aber mehr als rein verfahrensrechtliche Regelungen“, mahnte Andreae.
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