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Frankreichs Premier Lecornu tritt zurückDer nächste bitte

Nur wenige Stunden nach der Vorstellung seines Kabinetts reicht Frankreichs Premier Sébastien Lecornu seinen Rücktritt ein. Die Krise geht weiter.

Der scheidende französische Premierminister Sébastien Lecornu während seiner Pressekonferenz am 6. Oktober in Paris Foto: Stephane Mahe/reuters

Paris ap/afp | Der französische Premierminister Sébastien Lecornu ist vier Wochen nach seiner Ernennung zurückgetreten. Der Élysée-Palast teilte am Montag mit, Präsident Emmanuel Macron habe das Rücktrittsgesuch Lecornus angenommen. Macrons politische Gegner versuchten umgehend, aus dem Rücktritt Kapital zu schlagen: Der rechte Rassemblement National forderte den Präsidenten auf, entweder Neuwahlen auszurufen oder zurückzutreten. Auch die linke Bewegung FI forderte Macrons Rücktritt.

Der Rücktritt verunsicherte die Anleger und ließ den CAC-40-Index der führenden französischen Unternehmen einbrechen. Der Leitindex fiel am Montag um fast zwei Prozent.

Lecornu hatte am Sonntag einen Teil des neuen Kabinetts vorgestellt. Insbesondere seine Entscheidung, den ehemaligen Finanzminister Bruno Le Maire als Verteidigungsminister zurückzuholen, war dabei auf Kritik gestoßen.

Andere Schlüsselpositionen blieben im Vergleich zum vorherigen Kabinett weitgehend unverändert: Der Konservative Bruno Retailleau blieb Innenminister, Jean-Noël Barrot wurde erneut Außenminister, und Gérald Darmanin behielt das Justizministerium.

„Ich verzweifle an diesem Zirkus.“

Nach seiner Rücktrittserklärung warf Lecornu Politikern der Regierungsparteien das Verfolgen eigener Interessen ohne Rücksicht auf das Wohl des Landes vor. „Die Regierungsbildung war nicht einfach und hat bei manchen Appetit mit Blick auf die Präsidentschaftswahl ausgelöst“, sagte Lecornu am Montag in Paris. Er spielte damit auf den internen Streit der konservativen Republikaner an, wo sowohl Innenminister Bruno Retailleau als auch Fraktionschef Laurent Wauquiez eine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2027 anstreben.

„Es hätte nicht viel gefehlt, und wir hätten einen Kompromiss gefunden – wenn manche darauf verzichtet hätten, ihre eigenen Interessen zu verfolgen“, sagte er mit Blick auf seine seit fast vier Wochen dauernden Verhandlungen über einen Haushaltskompromiss.

Die gerade erst ernannten Ministerinnen und Minister wurden mit dem Rücktritt umgehend zu Übergangsministern. Agnès Pannier-Runacher, die Umweltministerin bleiben sollte, postete auf der Plattform X: „Ich verzweifle an diesem Zirkus.“

Die französische Politik ist in Aufruhr, seit Macron im vergangenen Jahr eine Neuwahl ausrief, die zu einem gespaltenen Parlament führte. Rechte und linke Abgeordnete halten mehr als 320 Sitze in der Nationalversammlung, während die Zentristen und die mit ihnen verbündeten Konservativen 210 Sitze innehaben.

Um einen Konsens in der Nationalversammlung zu erzielen, konsultierte Lecornu vor der Bildung seines Kabinetts alle politischen Kräfte und Gewerkschaften.

Er versprach außerdem, dass er nicht von einer verfassungsmäßigen Vollmacht Gebrauch machen werde, die seine Vorgänger genutzt hatten, um Haushalte ohne Abstimmung durch das Parlament zu bringen. Stattdessen werde er sich um einen Kompromiss im Haushaltsstreit bemühen, kündigte er an.

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