Internationaler Strafgerichtshof: Sudans Milizenführer Ali Kushayb schuldig gesprochen
Einst befehligte Ali Kushayb Janjaweed-Milizen, die in Darfur grausame Verbrechen begingen. Jetzt verurteilt ihn der Internationale Strafgerichtshof.

Sudans Übergangsregierung hatte einige Monate zuvor die Auslieferung des 2019 gestürzten, vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wegen Völkermordes gesuchten ehemaligen Militärherrschers Omar Hassan al-Bashir beschlossen. Kriegsverbrecher mussten zittern.
Milizenkommandeur Kushayb floh in die Zentralafrikanische Republik. Dort stellte er sich einer bewaffneten Gruppe, die ihn an die Weltjustiz übergab.
Fünf Jahre später bleibt Ali Kushayb der einzige Darfur-Häftling des IStGH. Am Montag erklärte die Erste Kammer den Sudanesen in 27 von 31 Anklagepunkten wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig; das Urteil erging einstimmig. Das Strafmaß wird zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben. Berufung ist möglich.
Vom Apotheker zum Schlächter
Geboren 1949 in Darfur, war Kushayb als Jugendlicher ein medizinischer Helfer in Sudans Armee. In den 1990er Jahren unterhielt er im Westen Darfurs eine Apotheke, bis 2002 die paramilitärische Miliz „Janjaweed“ entstand, um gemeinsam mit Sudans Armee gegen Rebellen und deren Volksgruppen zu kämpfen.
Kushayb war ein lokaler Janjaweed-Kommandeur, der gemeinsam mit Innenstaatssekretär Muhammad Harun auftrat und blutige Überfälle auf Dörfer anführte. Im Prozess wurde ausgeführt, wie männliche Zivilisten der Fur-Ethnie an Straßensperren und bei Razzien festgenommen und getötet wurden.
Auf einer Versammlung in Mukjar am 2. März 2004 wurde die Massentötung der dort in Polizeiverliesen zusammengepferchten Häftlinge beschlossen. Kushayb selbst erschlug mehrere mit der Axt. 52 weitere wurden weggefahren, abgeladen, aufgereiht und erschossen. Um sicherzustellen, dass sie tot waren, stapften die Milizionäre auf ihnen herum.
Ab dem 4. März 2004 wiederholte sich dies im Ort Deleig. Fur-Männer wurden verhaftet, als Esel beschimpft, verprügelt und in ein abgezäuntes Gelände gebracht. Am nächsten Morgen mussten sie sich dort mit dem Gesicht nach unten auf den Boden legen. Kushayb und seine Milizionäre traten auf die Häftlinge ein.
Am späten Nachmittag wurden sie auf Geländewagen geworfen, die wegfuhren, leer zurückkamen und die nächste Ladung mitnahmen. 70 bis 80 Häftlinge wurden am nächsten Tag im Beisein Kushaybs in den Busch gefahren, mussten sich hinlegen und wurden erschossen.
Der Angeklagte bestritt seine Identität
Gegen Harun und Kushayb erließ der Internationale Strafgerichtshof 2007 Haftbefehl; 2018 wurde er erweitert. Als Kushayb sich allein stellte, wurde sein Verfahren abgetrennt, sein Prozess begann im April 2022. Vergeblich behauptete die Verteidigung, der Angeklagte sei überhaupt nicht Ali Kushayb – er hatte sich schließlich selbst gestellt.
„Der Angeklagte spielte eine aktive Rolle im Begehen der Verbrechen“, führte das Gericht aus und zitierte die bei seinen Auftritten gebrauchte Formel „Auslöschen und wegfegen“ ebenso wie seine Anweisung an seine Milizionäre „Lasst niemanden zurück, bringt niemanden lebend her“.
Aber anders als gegen Sudans Expräsident Bashir gehört „Völkermord“ nicht zu den Vorwürfen gegen Kushayb.
Heute herrscht in Darfur wieder Krieg, die Janjaweed begehen als „Rapid Support Forces“ (RSF) erneut Verbrechen. Und der Kushayb-Prozess markiert nicht den Beginn der Aufarbeitung, sondern vorläufig auch das Ende.
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