piwik no script img

„nd“ in der KriseBleib wach – sonst stirbst du!

Gastkommentar von

Christof Meueler

Das linke „nd“ braucht mehr Le­se­r*in­nen und mehr Geld. Warum sich das für alle lohnt – ein Plädoyer aus dem Maschinenraum der Zeitung.

Auch Tommy liest das „nd“. Sei ein guter Genosse! Und tue es ihm gleich! Foto: teutopress/imago

E s ist wieder ein medialer Notfall zu vermelden. Die Tageszeitung nd liegt am Boden. Um weiterzuleben, braucht sie mindestens 150.000 Euro. Neue Abos sind gut, aber Spenden wirken schneller. Eine direkte Geldinfusion für die Liquidität. Denn die Zeitung will im nächsten April ihren 80. Geburtstag feiern.

Früher hieß sie neues deutschland. Noch immer versteht sie sich als „sozialistische Tageszeitung“. Für einen Sozialismus, der nicht scheiße ist. Gegen die Marktlogik schöne Dinge tun. Morgens schwimmen, wenn die Sonne scheint, oder im Bett bleiben und ein altes Lied von Elvis hören. Schreiben für Demokratie, Toleranz und Teilhabe in krasser Zeit, wenn der anwachsende Autoritarismus das alles abschaffen will.

Ein Problem ist das Image der Zeitung. Lange galt sie als sanfte Einschlafhilfe aus der Ex-DDR. Doch vor knapp zehn Jahren wurde sie umgekrempelt: weniger ängstlich, weniger ostig und weniger vorhersehbar. Leider wissen das zu wenig Leute. Und jetzt ist kein Geld mehr da für die Werbung, verdammt!

Das nd ist viel moderner als sein Ruf, ich schwöre: Die taz ist nicht die erste überregionale Zeitung, die nun werktags digital wird. Das nd hat damit schon im Mai 2023 angefangen. Montag und Samstag erscheint es nicht mehr auf Papier, sondern in der nd-App. Die wurde ehrenamtlich mit Open Source entwickelt, zusammen mit der WOZ aus Zürich. Digital ist halt billiger, wenn das Papier teurer wird, die Energiepreise ebenso und ganz besonders Vertrieb und Zustellung. Deshalb gibt es das nd nur noch im Abo und nicht mehr am Kiosk, außer am Freitag, wenn die dicke Ausgabe nd.DieWoche erscheint. Da steht am meisten drin, und es sieht auch am besten aus.

Christof Meueler

leitet das Feuilleton des nd. Er ist Autor einer Biographie über den langjährigen taz-Kolumnisten und Schriftsteller Wiglaf Droste.

Linke Kooperation

Seit 2022 wird das nd von einer Genossenschaft herausgegeben – als dritte überregionale Tageszeitung in Deutschland, nach taz und Junge Welt. Politisch liegt sie ungefähr dazwischen: nicht so streng linksradikal wie die JW und nicht so locker linksliberal wie die taz. Beim nd nennen sie das „linkspluralistisch“.

Tatsächlich ist man in der nd-Redaktion untereinander auch sehr zugewandt, Machtspielchen und hierarchisches Gehabe gibt es unter den 65 Beschäftigten eigentlich nicht. Hier kooperieren sogar ehemalige Anti-Imps und Antideutsche aus Ost und West, gibt es das sonst noch irgendwo? Und die Geschäftsführung schmeißt keine Leute raus, denn sie will mit ihnen zusammen die Zeitung retten und verbessern. Und natürlich mit ihren Leser*innen.

Doch die wurden viel zu lange immer weniger. Ein Drama: Beim allgemeinen Aboschwund von Tageszeitungen war das nd in der Pole Position. Seit 2000 büßte es 75 Prozent der Auflage ein. Die alten Le­se­r*in­nen starben schneller, als dass neue hinzukamen. Zudem gelang es der Zeitung aus dem Osten nicht, den Westen zu erreichen. Wollte sie auch nicht wirklich. Das ist jetzt, da es fast zu spät ist, zum Glück anders geworden. „Linkssein ist kompliziert“, der aktuelle Werbespruch der Zeitung, gilt bundesweit.

Ein anderer lautet: „wir haben schon mal einen Staat ruiniert“. Ein Scherz, denn das nd hat den Untergang der DDR überlebt, obwohl es einst das Zentralorgan der SED war: die wichtigste und die langweiligste Zeitung des Landes. Als Staatsanzeiger ein Medium der Zermürbung, Tiktok in ideologisch würde man heute sagen. Gut, dass es das nicht mehr gibt. Danach hat das nd die Treuhand überlebt, weil seine Le­se­r*in­nen 1991 in zwei Monaten eine Million DM sammelten, sonst wäre schon damals Schluss gewesen.

Und dann wollte die Deutsche Bahn das nd-Haus haben, denn ihr gehörte auf einmal das Grundstück am Ostbahnhof, auf dem das sechsstöckige Gebäude errichtet worden war. Wurde in jahrelangem Kleinkampf abgeschmettert.

Jetzt gehört das Haus der Linkspartei und das nd wohnt dort zur Miete auf einer halben Etage. Dafür gehört es sich endlich selbst. Die Linkspartei wollte die Zeitung 2021 nicht mehr haben, denn sie wollte ihre Defizite nicht mehr ausgleichen. Das mussten dann wieder die Le­se­r*in­nen tun. 2023 spendeten sie der Zeitung 300 000 Euro in wieder nur zwei Monaten, 2024 waren es 160 000 und jetzt sollen sie schon wieder ran.

„nd bleibt“ lautet die Parole. Der Kostendruck ist so hoch, dass die Zeitung mit dem Sparen kaum mehr hinterherkommt. Es ist wie in einem Actionfilm. Das nd liegt schwer getroffen am Boden, lebensgefährlich verletzt. Die Umstehenden rufen: „Bleib wach! Nicht einschlafen! Sonst stirbst du!“ Wird es überleben?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare