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Bootsunglück im Mittelmeer40 Menschen ertrinken vor Tunesien

Nahe der Hafenstadt Mahdia ist ein Boot verunglückt. Das nordafrikanische Land geht hart gegen Mi­grant:in­nen vor – auch unterstützt von der EU.

40 weitere Menschen starben auf ihrem Weg in ein besseres Leben, mithilfe der EU Foto: imago
Mirco Keilberth

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Mirco Keilberth aus Tunis

taz | Vor der Küste der tunesischen Hafenstadt Mahdia sind in der Nacht auf Mittwoch mindestens 40 Menschen ertrunken. Auf dem verunglückten neun Meter langen Metallboot befanden sich laut Justizkreisen insgesamt 70 Mi­gran­t:in­nen aus der Elfenbeinküste und Guinea, darunter viele Mütter mit Kindern. Sie waren gegen Mitternacht von einem Strand beim nahegelegenen Salakta von Schmugglern losgeschickt worden.

Nach nur wenigen Kilometern bekam das überladene Boot Schlagseite und sank innerhalb weniger Minuten. Nachdem auf dem Wasser treibende Überlebende per Handy lokale Behörden alarmierten, rettete ein Patrouillenboot der tunesischen Küstenwache 30 Menschen.

Zwischen den Küstenstädten Mahdia und Sfax leben seit über zwei Jahren bis zu 20.000 Mi­gran­t:in­nen aus West-und Zentralafrika und Bürgerkriegsflüchtlinge aus Sudan. Sie wurden aus den Städten verbannt und warten in selbst gebauten Zelten inmitten der Olivenhaine auf die Überfahrt nach Italien.

Die Nationalgarde zerstört regelmäßig die autonom organisierten 20 Lager, zu denen weder die humanitären Helfer der Vereinten Nationen noch tunesischer NGOs Zugang haben. Weil Mi­gran­t:in­nen willkürlich verhaftet und an der algerischen Küste ausgesetzt werden, fürchten viele in den Camps den Kontakt mit jeglichen Institutionen.

Leben in der Illegalität

„Obwohl es in diesem Jahr nur wenige Boot geschafft haben den Schiffen der Küstenwache zu entwischen, hoffen wir stattdessen weiterhin auf einen Platz in den Booten“, sagt Abubakr Bangura aus Sierra Leone der taz in al Amra. In dem südlich von Mahdia gelegenen Fischerdorf sehen zwar viele die Anwesenheit der Mi­gran­t:in­nen kritisch, gleichzeitig sind diese Teil des lokalen Wirtschaftskreislaufs geworden.

Trotz des Verbotes Migranten anzustellen, an sie Wohnungen zu vermieten, im Taxi mitzunehmen oder Medikamente zu verkaufen, verdienen viele als informelle Tagelöhner das nötige Geld zum Überleben in den Zeltlagern. Für die Überfahrt nach Lampedusa nehmen die Schmuggler 500 Euro, die Metallboote werden in Hinterhofwerkstätten in wenigen Stunden zusammengeschweißt.

„Die ohne Kiel konstruierten Boote sind schon mit 40 Menschen an Bord lebensgefährlich“, sagt ein Fischer im nördlich von Sfax gelegenen La Louza. „Wenn die Schmuggler aus Geldgier mehr an Bord nehmen, bringt schon eine leichte Panik das Boot aus dem Gleichgewicht.“

Die im Rahmen eines EU-Abkommens mit Drohnen und Flugzeugen ausgerüstete tunesische Küstenwache hat im letzten Jahr über 70.000 Mi­gran­t:in­nen aus den Booten geholt. Dieses Jahr dürften es sogar mehr sein. Seit es Anfang der Woche zwei Boote nach Lampedusa geschafft haben, herrscht in den Camps verhaltene Euphorie, trotz des Unglücks vor Mahdia. „Viele hier haben nichts mehr zu verlieren“, sagt Abubakr Bangura aus Sierra Leone der taz. „Sie sind bereit, für ein normales Leben alles zu riskieren.“

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