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Band aus Kenia darf nicht einreisenUnter Generalverdacht

Die Blackmetalband Chovu aus Kenia musste ihre Europatour absagen, weil die Deutsche Botschaft ihre Visaanträge ablehnte. Die Kulturszene kennt das Problem.

Die kenianische Blackmetalband Chovu steht unter Generalverdacht, ihre Leidenschaft zur Musik als Ausrede zum Bleiben zu verwenden Foto: Chovu

Geplant hatte die Blackmetalband Chovu aus Kenia auf ihrer Europatour acht Konzerte, beim „Antifaschistischen Black Metal Gathering“ im schweizerischen Bern sollten sie gastieren, im „Slow Club“ in Freiburg und im Club „Ponyhof“ in Frankfurt am Main. Anfang September hätte die Band 14 Tage auf Konzertreise durch Europa verbringen sollen, neben Stationen in Österreich, Deutschland und der Schweiz hätten sie auch in den Niederlanden auftreten sollen. Flugtickets waren bereits gekauft. Geplant war der Hinflug am 2. September.

In der riesigen Region Ostafrika ist Chovu die einzige Blackmetalband, somit dort eine künstlerische Besonderheit. Auf dem gesamten afrikanischen Kontinent gibt es gerade eine Handvoll Bands, die im Genre Blackmetal zu Hause sind. Chovus sind speziell, ihre Songtexte befassen sich etwa mit Todesriten, afrikanischen Bestattungsmythen und der britischen Kolonialvergangenheit von Kenia.

Ihr Sound ist genretypisch brachialer Blackmetal mit Doublebass-Drumgeboller, ultra-verzerrten E-Gitarren und mystisch anmutenden elektronischen Sounds. Besonders ist, dass Chovu viele Konzerte in Kenia für einen guten Zweck spielen. Rund 30 Prozent der Einnahmen, die sie durch den Verkauf von Merchandise erzielen, würden für Wohltätigkeitszwecke gespendet, erklärt Chovu-Sänger Preston Samanda der taz. In der Vergangenheit taten sie das etwa in Form von Mülltonnen für ein Wohnviertel und Damenbinden für soziale Einrichtungen wie Waisenhäuser in Nairobi.

Visumsantrag mit „Rückkehrprognose“

Erstmals sollte die Band für Konzerte in die EU und die Schweiz reisen. Von dort hatte Chovu Einladungen von verschiedenen Ver­an­stal­te­r:in­nen erhalten. Luca Piazzalonga, ein Bookingagent aus der Schweiz, hatte die Tour für Chovu gebucht und half der Band beim Organisieren der Pässe und dem Erstellen der Visaanträge. Chovu hat er während eines Aufenthaltes in Botswana kennengelernt. Von der Metal-Szene in Afrika war er „geflasht“, wie Piazzalonga der taz sagt. Nun hat er sich zum Ziel gesetzt, verstärkt afrikanische Bands aus dem Genre für Konzerte nach Europa zu holen.

Alle Kenianer werden in einen Topf geworfen, als würde jeder sofort in Europa bleiben wollen

Preston Samanda, Sänger von Chovu

Beantragt hatten die vier Musiker von Chovu ein Visum der Kategorie A und C, was eine maximale Aufenthaltsdauer von 90 Tagen für touristische Zwecke, Familienbesuche oder Geschäftsreisen vorsieht. Weil die meisten Konzerte von Chovu in Deutschland stattfinden sollten, stellten die Künstler ihre Anträge daher an die Deutsche Botschaft über die zuständige Dienstleisterfirma TLScontact. In Kenia laufen die Visaanträge über diese private Dienstleisterfirma. Das Outsourcing von Teilen der Visaverfahren an private Dienstleister ist üblich. Viele westliche Botschaften lagern Verwaltungsschritte in der Visabearbeitung aus, womit eine Effizienzsteigerung einhergehen soll. Die Entscheidung über die Anträge liegt jedoch weiterhin in der Hand der jeweiligen Botschaften.

Die Bearbeitungszeit eines solchen Antrags betrage bis zu 15 Tage, heißt es auf der Website der Deutschen Botschaft in Nairobi. Beantragt hatten Chovu ihre Visa Mitte August. Früh genug also, um die Bearbeitungsfrist einzuhalten. Für das Antragsverfahren mussten sie etwa Einladungsschreiben der Veranstalter und Flugtickets mit Hin- und Rückreise nachweisen. Auch ihre finanzielle Situation müssen die Antragstellenden offenlegen. Unterhaltssicherung wird von den Botschaften oft als Indikator für eine Bindung an das Heimatland interpretiert. Dann wird eine sogenannte „Rückkehrprognose“ erstellt. Dabei soll prognostiziert werden, ob die An­trag­stel­le­r:in­nen nach dem Aufenthalt in ihr Herkunftsland zurückkehren.

Nur wenige Stunden vor ihrem Abflug erreichte die Band dann der Ablehnungsbescheid. Er liegt der taz vor. Begründet wird darin die negative Entscheidung etwa mit „fehlenden Ersparnissen“ der Musiker und einer vermeintlich fehlenden „wirtschaftlichen Verwurzelung“ in Kenia. Bemängelt wurde auch ein fehlender Reiseplan für Deutschland sowie „entsprechende Unterkunftsnachweise“. Und das, obwohl die Konzertdaten und Auftrittsorte für die Tour zum Zeitpunkt bereits feststanden und zusammen mit einer Bürgschaft vom Veranstalter Piazzalonga bestätigt waren.

„Strukturelles Problem bei Visavergabe“

Weil die Mitglieder von Chovu ledig sind, heißt es im Ablehnungsbescheid, fehle es an „familiärer Verwurzelung“. „In der Gesamtschau“ komme die Botschaft deshalb nicht zu einer „positiven Rückkehrprognose“. Ihren Rückflug hatte die Band jedoch bereits gebucht. Drei Tage nach dem Abschlusskonzert in Amsterdam stand die Rückreise nach Nairobi an. „Alle Kenianer werden in einen Topf geworfen, als würde jeder sofort in Europa bleiben wollen“, kritisiert Chovu-Sänger Samanda die Ablehnung im Telefonat mit der taz. Ihn erinnere das an eine Form von „moderner Sklaverei“, „weil die Bedingungen uns dazu zwingen, bestimmte Lebensentscheidungen wie eine Heirat zu treffen, nur um frei reisen zu dürfen“.

Beim Auswärtigen Amt in Berlin will man sich zur Thematik nicht äußern. Eine Anfrage der taz blieb unbeantwortet. Aus Kreisen des Ministeriums ist lediglich zu hören, dass im Jahr 2024 weltweit von rund 1,5 Millionen Anträgen etwa 200.000 Schengen-Visa abgelehnt wurden. In der Politik und in der Veranstaltungsbranche hingegen sind die Probleme bei Visaanträgen mit Künst­le­r:in­nen aus dem Globalen Süden hinlänglich bekannt. Die Absage für die Band Chovu stehe „exemplarisch für ein strukturelles Problem bei der Visavergabe an Künst­le­r:in­nen aus postkolonialen Gesellschaften“, erklärt etwa der Linken-Politiker Vinzenz Glaser der taz.

Künst­le­r:in­nen stünden dabei oft unter Generalverdacht, migrieren zu wollen: „Die übersteigerte Angst vor vermeintlichem Visamissbrauch wird auf dem Rücken von Menschen ausgetragen“, sagt Glaser. Das Problem liege jedoch „im Verfahren selbst“.

Zusammenhang mit Erstarken rechter Parteien?

Christoph Linder von der Berliner Booking-Agentur „Planet Rock“ hat bereits ähnliche Probleme bei Visaverfahren für seine Klienten erlebt. Linder arbeitet seit rund 30 Jahren als Tourveranstalter, seit rund 15 Jahren betreut er Künst­le­r:in­nen aus Asien und Afrika. Ihm zufolge ist es seither „zunehmend schwieriger“ geworden, Visa für Künst­le­r:in­nen zu beantragen. Der Booker sieht dabei auch einen Zusammenhang mit dem Erstarken rechter und rechtsradikaler Parteien. Für reibungslose Visavergabe werde es „zunehmend wichtig“, dass man eine „politische Organisation im Rücken hat, die zivilgesellschaftlich etwas stemmen kann“.

Dennis Krailing vom Lobbyverband Taunus Metal e. V. kann nicht nachvollziehen, dass Künst­le­r:in­nen aus dem Globalen Süden die Einreise erschwert wird. Insbesondere für kleinere Veranstaltende sei der Aufwand bei der Hilfe für einen Visaantrag „viel zu groß“. Das habe zur Folge, dass man als Veranstalter teilweise von Bandbuchungen absehe, weil der Prozess allein „einfach nicht stemmbar ist“, sagt Krailing der taz.

In der Vergangenheit hat er Konzerte mit Bands etwa aus Kenia und Uganda organisiert, auch mit Mu­si­ke­r:in­nen aus dem Iran und China. Chovu hatte er für ein Konzert in Frankfurt am Main gebucht. Krailing spricht von „Schikanen“ und intransparenten Visaverfahren. Die Botschaften und zuständigen Agenturen seien nur schwer oder gar nicht erreichbar, fehlende Unterlagen würden gar nicht oder teils „viel zu kurzfristig eingefordert“. „Ohne fachliche Unterstützung wäre es für die Bands vermutlich gar nicht möglich, selbst Visa zu erhalten“, sagt Krailing.

Chovu will es nächstes Jahr nochmal versuchen

Mit Blick auf die outgesourcten Antragsverfahren bei Visavergaben stellt auch Hauke Dorsch vom Institut für Ethnologie und Afrikastudien an der Universität Mainz fest: „Es sollte Professionalisierung bringen, verunmöglicht aber die direkte Kontaktaufnahme“. Der Wissenschaftler geht zwar davon aus, dass diese Fälle derzeit noch Ausnahmen seien, spricht jedoch auch von einer „zunehmenden Tendenz“. Dies sei „außerordentlich ärgerlich und schädlich für die kulturelle Kooperation“, sagt Dorsch zur taz.

Kurz vor ihrer geplanten Abreise wollte die Blackmetalband Chovu das Blatt noch einmal wenden und versuchte einen direkten Draht zur Deutschen Botschaft in Nairobi herzustellen – leider vergeblich. „Uns wurde kein Gespräch mit den Verantwortlichen gewährt. Alle Kommunikation lief indirekt über die Agentur“, erzählt Samanda. Allerdings habe man ihnen dort nicht weiterhelfen können.

Zudem wurde das Remonstrationsverfahren, ein Einspruchsrecht gegen einen abgelehnenden deutschen Visumsbescheid, im Juli 2025 abgeschafft. Für die Betroffenen bleibt nur noch der Gang ans Verwaltungsgericht in Berlin. Chovu möchte es im nächsten Jahr erneut versuchen. „Diesmal mit einem noch besseren Plan und mit breiterer Unterstützung“, hofft Blackmetalsänger Samanda. Es bleibt ein schwieriger Weg, „aber wir geben nicht auf!“

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