+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Waffenruhe im Gazastreifen hält
Infolge des Waffenstillstands in Gaza kehren Tausende zurück in ihre zerstörte Heimat. Derweil greift das israelische Militär erneut Ziele im Libanon an.
Tausende Palästinenser kehren zurück
Nach dem Inkrafttreten der Waffenruhe zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas befinden sich Tausende Palästinenser auf dem Weg zurück in ihre Wohngebiete im Gazastreifen. Zu Fuß, mit Autos und Karren zogen sie am Samstag vor allem in den Norden des zu großen Teilen zerstörten Küstengebiets. Zuvor hatten sich israelische Truppen im Rahmen der ersten Phase eines von den USA vermittelten Abkommens hinter vereinbarte Linien zurückgezogen. „Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, Gott sei Dank“, sagte Nabila Basal, die mit ihrer Tochter unterwegs war. „Wir sind sehr, sehr glücklich, dass der Krieg aufgehört hat und das Leid beendet ist.“
Mit dem Rückzug der israelischen Truppen aus den größeren städtischen Gebieten hat für die Hamas eine Frist von 72 Stunden zur Freilassung ihrer Geiseln begonnen. „Wir sind sehr aufgeregt und warten auf unseren Sohn und auf alle 48 Geiseln“, sagte Hagai Angrest, dessen Sohn zu den 20 israelischen Geiseln gehört, die noch am Leben sein sollen. „Wir warten auf den Anruf.“ Im Gegenzug soll Israel nach der Übergabe der Geiseln 250 Palästinenser mit langen Haftstrafen freilassen sowie 1700 Insassen, die während des Krieges gefangengenommen wurden. Zudem sollen dem Abkommen zufolge Hunderte Lastwagen mit Hilfsgütern pro Tag in den Gazastreifen fahren.
Es bleiben jedoch Fragen offen, ob die Waffenruhe und der Austausch zu einem dauerhaften Frieden führen werden. Grundlage ist ein 20-Punkte-Plan von US-Präsident Donald Trump, der allerdings noch nicht vollständig ausverhandelt ist. Das betrifft etwa die künftige Verwaltung des Gazastreifens und das Schicksal der Hamas, die die israelische Forderung nach Entwaffnung ablehnt. Trump wird demnächst in der Region erwartet. Unter anderem soll er als erster US-Präsident seit George W. Bush im Jahr 2008 eine Rede vor dem israelischen Parlament, der Knesset, halten. Trump kündigte zudem an, nach Ägypten zu reisen. (rtr)
Familien erreichen Gaza und Chan Junis
Nach Inkrafttreten der Waffenruhe im Gazastreifen haben am Samstag Tausende weitere vertriebene Palästinenser ihre völlig verwüsteten früheren Wohnorte erreicht. Fotografen der Nachrichtenagentur AP dokumentierten die Ankunft von Familien in den Städten Gaza und Chan Junis. Viele begannen, in den Trümmern ihrer zerstörten Häuser nach Brauchbarem zu suchen. In Gaza kletterte ein Mann auf eine obere Etage eines zerbombten Gebäudes und schwenkte die palästinensische Flagge. An der Straße fuhr eine Familie mit einem riesigen Karren vorbei, auf dem jede Menge Matratzen, Decken und andere Habseligkeiten lagen.
Bereits am Freitag hatten sich Zehntausende Palästinenser auf dem Weg gemacht, um in den verwüsteten Norden des Gazastreifens zurückzukehren, die meisten von ihnen zu Fuß. Nachdem das israelische Militär in den vergangenen Monaten zahlreiche Hochhäuser in der Stadt Gaza bombardiert hatte, ist die Verwüstung diesmal noch größer als bei Beginn der letzten Waffenruhe im Januar, als ebenfalls viele Palästinenser zurück in ihre früheren Wohnorte geströmt waren.
„Es war nichts mehr übrig. Nur ein paar Kleidungsstücke, Holzstücke und Töpfe“, sagte Fatma Radwan, die aus Chan Junis vertrieben worden war und am Freitag zurückkehrte. Die Menschen versuchten immer noch, Leichen unter den Trümmern zu bergen, fügte sie hinzu.Hani Omran, ebenfalls aus Chan Junis, sagte: „Wir sind an einen Ort zurückgekommen, der nicht mehr zu erkennen war … Überall Zerstörung.“ (ap)
Israel greift Ziele im Libanon an
Während im Gaza-Krieg eine Waffenruhe in Kraft getreten ist, greift das israelische Militär erneut Ziele im Libanon an. Bei den Angriffen im Süden des Landes wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Beirut eine Person getötet und sieben weitere verletzt.
Bei dem Toten handelt es sich demnach um einen syrischen Staatsbürger. Unter den Verletzten seien auch zwei Frauen. Die staatliche Nachrichtenagentur NNA hatte zuvor gemeldet, dass ein Zivilist getötet und ein weiterer verletzt worden seien, als sie die angegriffene Straße passieren wollten. Bei den Angriffen seien mehrere Bulldozer getroffen worden. Einige seien in Flammen aufgegangen. Augenzeugen zufolge gab es mindestens 15 Luftangriffe.
Das israelische Militär gab an, Infrastruktur der Hisbollah im Südlibanon angegriffen zu haben. Ziel seien Geräte der Miliz gewesen, die zum Wiederaufbau ihrer Anlagen genutzt worden seien sollen. Die Hisbollah äußerte sich dazu zunächst nicht.
Libanons Präsident Joseph Aoun verurteilte die erneuten Angriffe scharf. Es stelle sich die Frage, ob die Angriffe im Libanon den Ausfall der Angriffe in Gaza kompensieren sollten, schrieb er auf X. Es sei nur logisch und gerecht, dem Libanon nun ebenfalls eine Waffenruhe nach dem Vorbild Gazas zuzugestehen.
Eigentlich herrscht auch zwischen Israel und der Hisbollah seit Ende vergangenen November eine Waffenruhe. Beide Seiten werfen sich jedoch Verstöße vor. Das israelische Militär greift nahezu täglich weiter Ziele im Libanon an. Dabei werden immer wieder Menschen getötet. Israel wirft der Hisbollah vor, ihre militärischen Kapazitäten im Süden des Landes wieder aufbauen zu wollen. (dpa)
Ägyptens Präsident al-Sisi lädt Merz ein
Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zu Feierlichkeiten in Ägypten anlässlich der Waffenruhe im Gazastreifen eingeladen. Der Kanzler habe die Einladung „dankend entgegengenommen“, seine mögliche Teilnahme sei geplant, verlautete am Samstag aus Regierungskreisen in Berlin. Konkrete Reiseplanungen könnten zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht bekanntgegeben werden.
Merz hatte am Freitag mit dem ägyptischen Staatschef telefoniert. Dabei dankte er al-Sisi für dessen „Vermittlung zur Beendigung des Krieges in Gaza und würdigte seine guten Dienste als Gastgeber der Friedensverhandlungen“, wie Regierungssprecher Stefan Kornelius mitteilte.
Der Kanzler unterstrich den Angaben zufolge bei dem Telefonat, dass Deutschland sich gemeinsam mit Ägypten für die Befreiung der von der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas gehaltenen Geiseln, einen stabilen Waffenstillstand, humanitäre Hilfe und den Wiederaufbau des Gazastreifens engagieren werde.
Zu der Zeremonie in Ägypten aus Anlass des Waffenstillstandsabkommens zwischen Israel und Hamas hat al-Sisi auch US-Präsident Donald Trump eingeladen. Trump bestätigte am Freitag, dass er am Wochenende in den Nahen Osten reisen wolle. In Ägypten werde er am Montag viele Staatenlenker treffen, um über die Zukunft des Gazastreifens zu sprechen. Der US-Präsident will nach eigenen Angaben auch Israel besuchen. Er sei eingeladen worden, vor dem israelischen Parlament zu sprechen, sagte Trump vor Journalisten in Washington. (afp)
Trump will Rede vor israelischem Parlament halten
US-Präsident Donald Trump will nach der mit Hilfe seiner Regierung vermittelten Einigung auf eine Waffenruhe zwischen Israel und der islamistischen Hamas eine Rede vor dem israelischen Parlament halten. Trump kündigte seinen dortigen Auftritt im Weißen Haus an, nachdem ihn der Knesset-Vorsitzende Amir Ohana offiziell ins Parlament eingeladen und auf der Plattform X geschrieben hatte: „Israel erwartet den Friedenspräsidenten.“ Zuvor hatten sich die Konfliktparteien auf die erste Phase von Trumps Friedensplan geeinigt und damit die Kampfhandlungen vorerst beendet
Außerdem werde er während seines bevorstehenden Besuchs im Nahen Osten in der ägyptischen Hauptstadt Kairo Station machen, kündigte der Republikaner vor dem geplanten Beginn seiner Reise am Sonntag an. Genaue Termine für die einzelnen Stationen und die Rede in der Knesset nannte er nicht. Am Dienstagabend will Trump voraussichtlich in die USA zurückkehren.
Die USA sind Israels wichtigster Verbündeter und wollen 200 Soldaten zur Sicherung der Waffenruhe abstellen. Israels Regierung und die Hamas hatten sich in indirekten Verhandlungen in Ägypten auf die – mittlerweile in Kraft getretene – Feuerpause und eine Freilassung aller in den Gazastreifen verschleppten Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge geeinigt. Gemäß dem Friedensplan haben sich die israelischen Streitkräfte mittlerweile auf eine vorher vereinbarte Position zurückgezogen. Seit Freitagmittag schweigen die Waffen.
Innerhalb von 72 Stunden sollen nun die Geiseln ausgehändigt werden. Derzeit befinden sich noch 48 Verschleppte im Gazastreifen, von denen nach israelischen Informationen noch 20 am Leben sind. Im Austausch gegen die Geiseln soll Israel knapp 2.000 palästinensische Gefangene freilassen – darunter rund 250 zu lebenslanger Haft verurteilte Häftlinge.
Am Freitag hatte Trump gesagt, dass die Geiseln am Montag oder Dienstag freikommen sollen und dass er wahrscheinlich dort sein werde. Nun konkretisierte der Präsident, dass die Geiseln am Montag freikommen sollen. (dpa)
Trump berichtet über Anruf von Friedensnobelpreisträgerin
US-Präsident Donald Trump hat nach eigenen Worten einen Anruf der neuen Friedensnobelpreisträgerin María Corina Machado aus Venezuela erhalten. Die zur Nobelpreisträgerin erkorene Person habe ihn angerufen und gesagt, dass sie die Auszeichnung ihm widme, weil er sie wirklich verdient habe, sagte der Präsident über das Telefonat – ohne die venezolanische Oppositionsführerin beim Namen zu nennen. Diese Geste habe er als sehr schön empfunden. Danach ergänzte Trump im Scherz: „Ich habe nicht gesagt: „Dann geben Sie ihn mir“.“
Machado hatte nach Bekanntgabe der Würdigung auf der Plattform X geschrieben: „Ich widme diesen Preis dem leidenden Volk Venezuelas und Präsident Trump für seine entschlossene Unterstützung unserer Angelegenheit.“ Trump sagte nun, er habe Machado auf ihrem Weg geholfen.
Das norwegische Nobelkomitee in Oslo hatte die Preisvergabe an Machado mit ihrem „unermüdlichen Einsatz für die demokratischen Rechte des venezolanischen Volkes und ihrem Kampf für einen gerechten und friedlichen Übergang von Diktatur zur Demokratie“ begründet. Die 58-Jährige gilt als einende Kraft der venezolanischen Opposition und entschiedene Widersacherin des seit 2013 regierenden autoritären Präsidenten Nicolás Maduro. (dpa)
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