Schifffahrt vor Klima-Verhandlungen: Die Konkurrenz rückt zusammen
Klimaschutz in der Schifffahrt ist bisher regional zersplittert. Das soll sich bei Verhandlungen ändern. Die Industrie hat ehrgeizige Pläne.

Doch bei den Umweltauflagen stößt die maritime Wirtschaft auf einen Flickenteppich aus kontinentalen, nationalen und lokalen Regeln. Das soll sich ändern: In der kommenden Woche, beginnend am 14. Oktober, verhandeln in London die Mitgliedsstaaten der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO über einheitliche, weltweit geltende Regeln zur Dekarbonisierung.
Dabei sind die Klima-Ziele der globalisierten Branche, die für zwei bis drei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich ist, vergleichsweise ehrgeizig. Als erste Industrie hat sich die maritime Wirtschaft international ein Netto-Null-Ziel gesteckt. Es soll bis 2050 erreicht werden.
Zusammen mit den Zwischenetappen für 2030 und 2040 hat die IMO vor zwei Jahren einen schiffbaren Reduktionspfad eingeschlagen. Der damalige Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, Grünen-Politiker Dieter Janecek, begrüßte die Einigung als „richtigen und wichtigen Schritt“ für den Klimaschutz.
Deutsche Reedereien unterstützen Abkommen
In der „International Maritime Organization“, kurz IMO, sind 176 Staaten organisiert. Beschlüsse der IMO gelten in der internationalen Schifffahrt quasi als Gesetz. Der IMO-Umweltausschuss MEPC entscheidet nun bis zum 17. Oktober über die Einführung knotensicherer weltweiter Maßnahmen.
Deutsche Reedereien sehen die Schifffahrt vor einer „entscheidender Weichenstellung im Klimaschutz“, heißt es beim Verband Deutscher Reeder (VDR) in Hamburg. „Die Schifffahrt braucht endlich einheitliche Spielregeln“, betont VDR-Geschäftsführer Martin Kröger. Die Vielzahl unterschiedlicher Regelungen verursache enorme Bürokratie und bremse den Klimaschutz. „Entweder wir schaffen jetzt gemeinsame globale Regeln oder wir verlieren uns in einem Dschungel aus regionalen Vorschriften.“
Der Naturschutzbund NABU in Berlin, der die Verhandlungen in London federführend für deutsche NGOs begleitet, gibt sich immerhin verhalten optimistisch. „Wir erwarten, dass die Staatengemeinschaft ihrer Pflicht zum Klimaschutz gerecht wird und das vorgeschlagene Net-Zero Framework final verabschiedet“, sagt NABU-Schifffahrtexperte Lukas Leppert auf taz-Anfrage.
Ein solcher IMO-Beschluss wäre zugleich ein starkes Signal für eine „funktionierende internationale Zusammenarbeit“. Ein stabiles Bündnis von Staaten unterstütze das Abkommen, wie auch Industrieverbände.
Netto-Null-Ziel bereits verbindlich gesteckt
So hofft ebenfalls Reinhard Lüken auf eine „historische Einigung“. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) in Hamburg sieht Werften, Maschinenbau und Zulieferindustrie dafür bestens aufgestellt. Die deutsche Schiffbauindustrie gehöre zu den weltweit führenden „Innovationsstandorten“ für effiziente, klimafreundliche maritime Technik, sagt Lüken der taz. „So verbinden wir wirtschaftliches Wachstum, fördern Innovation und treiben den Klimaschutz aktiv voran.“
„Nach dem Beschluss“ wäre aber auch bei der IMO „vor dem Beschluss“. Die konkrete Ausgestaltung des allgemeinen Regelwerks muss durch detaillierte Richtlinien innerhalb der nächsten zwei Jahre abgeschlossen werden, damit die Londoner Beschlüsse ihre volle Wirkung entfalten können.
Der politische und ökonomische Druck scheint dafür stark genug zu sein. Bereits im April hatte die Kern-Staatengemeinschaft in der IMO nach intensiven Verhandlungen mit 63 zu 16 Stimmen den klimapolitischen Anker geworfen und sich mit dem „IMO Net-Zero Framework“ das Netto-Null-Ziel verbindlich gesteckt. Vorgesehen sind ein weltweiter Emissionshandel und ein Kraftstoffstandard, die Schiffe etappenweise zu klimaneutralem Betrieb führen sollen.
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