Nach über zwei Jahren Geiselhaft in Gaza: Alon Ohel ist frei
Der 24-jährige Musiker wurde am 7. Oktober 2023 beim Nova-Festival verschleppt. Jetzt kehrt er zurück – mit den Worten: „Ich bin zu Hause.“

Auf einem der ersten Bilder, die Alon Ohel in Freiheit zeigen, sitzt er in einem Helikopter des israelischen Militärs. In der Hand hält der junge Mann eine Schreibtafel, darauf die Worte: „Ich bin zu Hause.“ Darüber hat er einen Auszug aus dem „Lied ohne Namen“ der israelischen Musikerin Yehudit Ravitz geschrieben: „Denn mein Lied ist das Wehen des Windes, mein offenes Fenster die Quelle meiner Kraft, Lachen und Weinen das Ende meiner Qualen.“
Nach mehr als zwei Jahren Geiselhaft in Gaza ist Alon Ohel seit Montagvormittag frei. Am 7. Oktober 2023 tanzte er auf dem Nova-Festival nahe dem Gazastreifen, als die Hamas in den frühen Morgenstunden zunächst mehr als 4.000 Raketen auf Israel abfeuerte und dann mit Tausenden Kämpfern und der Unterstützung anderer militanter Gruppen in das Land eindrang, Militärbasen, Kibbuzim und das Festival überfiel. Die Terroristen ermordeten fast 1.200 Menschen und verschleppten 251 als Geiseln in den Gazastreifen – einer davon war Alon Ohel.
Zwei Jahre später waren 48 Menschen noch immer in Geiselhaft. Nun hat die Hamas die verbliebenen 20 lebenden Geiseln freigelassen. Auch die Körper von 28 Toten sollen noch übergeben werden, damit ihre Familien sie bestatten können. Israel hat im Gegenzug 2.000 palästinensische Gefangene freigelassen, darunter 250 Personen mit lebenslangen Haftstrafen, aber auch viele Zivilist*innen.
Dass Alon Ohels erste Botschaft ein Liedtext ist, ist kein Zufall. Der 24-Jährige ist Musiker, spielt Klavier. Mit ihm zusammen gefangen gehaltene Geiseln hatten nach ihrer Freilassung berichtet, wie er mit den Fingern auf seinem Körper Musik mache. „Ich weiß, dass er das braucht, um durchzuhalten“, hatte seine Mutter Idit Ohel erst vor wenigen Tagen in der taz gesagt.
Ohel war aus einem Bunker entführt worden
Alon Ohel hat neben der israelischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Seine Eltern waren zusammen mit anderen Geiselangehörigen kurz vor dem zweiten Jahrestag des Terrorangriffs nach Deutschland gereist, um hier auf das Schicksal ihrer Kinder aufmerksam zu machen und auf ihre Freilassung zu drängen.
Zweimal hatte die Hamas ein Propagandavideo von Ohel veröffentlicht, das letzte im September. „Es war sehr schwer für uns, diese Bilder zu sehen“, sagte seine Mutter. Die Videos bewiesen zwar, dass Ohel am Leben war – zeigten aber auch seinen schlechten Gesundheitszustand. „Sie lassen ihn hungern, ein Jahr lang waren er und die anderen an Armen und Beinen mit einer Motorradkette gefesselt“, sagte seine Mutter Idit Ohel. „Danach konnten sie sich nicht auf den Beinen halten, nicht gehen.“
Auch leide er unter den Granatsplittern in seinem Körper und habe auf einem Auge die Sehkraft verloren. Ohel war am 7. Oktober aus einem Bunker entführt worden, in den er und andere Festivalbesucher sich geflüchtet hatten. Die Hamas hatte Granaten in diesen Bunker geworfen, mehrere Menschen wurden getötet.
Die Verhandlungen um einen Waffenstillstand hatten bei den Familien leise Hoffnung geweckt – aber auch Angst vor Enttäuschung. „Ich glaube es erst, wenn der Deal unterschrieben ist und alle Geiseln bei uns sind“, hatte Ohels Vater der taz gesagt. Nun sind zumindest die Lebenden bereits zurück. Idit und Kobi Ohel können ihren Sohn wieder in die Arme schließen. Und auf Alon Ohel wartet zu Hause sein Klavier, das zwei Jahre lang unberührt blieb.
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