Siedlergewalt im Westjordanland: Es geht weiter wie gehabt
Während über einen Frieden für Gaza verhandelt wird, gibt es im Westjordanland weiter Zusammenstöße zwischen Siedler*innen und Palästinenser*innen.

Ein Video, das vom saudischen Sender Al-Arabiya auf X gepostet wurde, zeigt orthodoxe Juden in traditioneller Kleidung, inklusive Kinder, die singen und tanzen. Der Vorfall soll sich in der Nähe eines archäologischen Schreins ereignet haben. Das israelische Militär bestätigte, dass Siedler am Schrein gebetet und Soldat*innen sie eskortiert hätten. Es bestreiten jedoch, eine Ausgangssperre verhängt oder die Zufahrtsstraßen gesperrt zu haben.
Es ist nicht das erste Vorkommnis in dem 4.000-Seelen-Dorf, südwestlich von Nablus im nördlichen Westjordanland. Bereits im April haben tausende Siedler unter Schutz des Militärs die Ortschaft gestürmt, um religiöse Rituale durchzuführen. So schreibt es die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa. Ähnliches soll sich im Januar ereignet haben.
Auch während der ab Freitag begonnenen Waffenruhe im Gazastreifen hält die Gewalt im Westjordanland an: Wafa berichtete beispielsweise am Montag, bewaffnete Siedler seien in ein Dorf nahe Nablus eingedrungen. Auch Übergriffe auf Bauern bei der Olivenernte berichtete die Agentur,.
Wer hat das Vorrecht auf archäologische Stätten?
In Kifl Haris befindet sich ein muslimischer Schrein, der vom Sultan Saladin aufgebaut wurde und für Jüd*innen als Grab Joshuas gilt. In der Nähe liegt ein weiterer Schrein, der für Muslim*innen eine Heiligstätte des Propheten Dhu al-Kifl und für Jüd*innen das Grab Calebs darstellt. Ähnlich verhält es sich bei einem dritten Schrein. Jüd*innen beanspruchen die drei Orte aufgrund von Passagen in der Bibel, Palästinenser*innen verweisen auf die muslimische Herkunft der Bauten.
Doch der Vorfall in Kifl Haris war am Mittwoch laut Wafa nicht der einzige seiner Art. Siedler sollen in den Randgebieten des Viertels At-Tireh in Ramallah religiöse Rituale durchgeführt haben. Sie sollen in mehreren Fahrzeugen aus der Richtung eines benachbarten Dorfes und in Begleitung von Soldat*innen gekommen sein. Das Militär erklärte, den Vorfall nicht zu kennen.
Ramallah gilt als De-Facto-Hauptstadt der palästinensischen Gebiete und ist der Hauptsitz der Palästinensischen Autonomiebehörde. Die Stadt gehört zum Gebiet A des Westjordanlands und untersteht somit palästinensischer Kontrolle. Nach den Oslo-Abkommen ist die von Israel besetzte Westbank in drei Gebiete unterteilt: A, B und C. Gebiet C steht unter israelischer Kontrolle, in Gebiet B ist die Sicherheit in israelischer Hand und die Verwaltung in palästinensischer, Gebiet A unterliegt den Palästinenser*innen.
Mindestens ein Toter
Arabische Medien vermeldeten vergangene Woche außerdem den Tod eines 26 Jahre alten Mannes und die Verletzung von drei weiteren Menschen durch einen israelischen Siedler im Dorf Deir Jarir nahe Ramallah. Der Siedler soll an einer Hauptstraße palästinensische Wagen angehalten und dann das Feuer auf eine Gruppe Palästinenser eröffnet haben, schreibt die saudische Zeitung Arab News. Wafa schildert, der israelische Mann habe Steine auf die Autos geworfen und dann geschossen, als sich Palästinenser ihm näherten.
Die IDF schrieben auf Nachfrage, Soldat*innen hätten mehrere Verdächtige gesehen, die ein Objekt mit einer Hamas-Flagge platziert und eine Barrikade aufgestellt hatten. Daraufhin hätten die Streitkräfte geschossen und mindestens einen Mann getötet und zwei verletzt. Das Objekt sei allerdings eine Attrappe gewesen. Unklar bleibt allerdings, ob sich der IDF-Sprecher auf denselben Vorfall wie die arabischen Medien bezieht.
Etwa eine halbe Million israelische Siedler*innen leben in mehr als 300 unter internationalem Recht illegalen Siedlungen und Außenposten im Westjordanland. Seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 hat die Gewalt durch Siedler*innen drastisch zugenommen.
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