Denkmal für einen Kolonialverbrecher: Ein mächtiger Stein des Anstoßes
In Hannover erinnert ein Denkmal an den Kolonialverbrecher Carl Peters. Die leichteste Lösung, es einfach wegzuschaffen, scheitert am Denkmalschutz.

Er steht da halt immer noch so rum, auf einem Platz mitten in der Südstadt Hannovers, dieses Riesentrumm aus Muschelkalk. Der mächtige, rechteckige Stein „sieht aus wie ein Sockel, bei dem man das Pferd obendrauf vergessen hat“, sagt eine Anwohnerin. Auf ihm prangt auch noch immer der deutsche Reichsadler, der seine Krallen nach dem afrikanischen Kontinent ausstreckt. Daneben der Namenszug Carl Peters.
An diesem Freitagnachmittag Ende September hat sich mal wieder ein Häuflein Unentwegter darum gescharrt. Nicht viele, 20 etwa. 20 Menschen, die eine Diskussion weiterführen, die seit den 70er Jahren in Hannover immer mal wieder aufflammt. Muss, kann, sollte man nicht etwas machen mit diesem oder gegen dieses Denkmal?
Die Kunst soll es wieder richten
Dieses Mal hat der grüne Ratspolitiker Liam Harrold eingeladen und gleich vier Künstler dazugebeten: Nina Heinzel, Hartmut El Kurdi, Jan Fischer und Ulrike Willberg sollen jetzt sagen, ob Kunst hier noch was retten kann. Was natürlich an sich schon eine ziemliche Zumutung ist, wie Jan Fischer bemerkt. Nach der Kunst zu rufen, wenn Politik und Gesellschaft es verbockt haben und einfach nicht weiterkommen.
Sie lassen sich dann trotzdem nicht lange bitten, ein paar lustige Vorschläge zu ventilieren: Wie wäre es mit einer pinken Käseglocke? Einem irgendwie filigranen, runden, weiblichen Gegenentwurf? Einfach zuwuchern lassen? Oder finden sich vielleicht Samenbomben, die stark genug sind, den Stein zu sprengen? Oder könnte man das ganze Ding tieferlegen und damit diese nazihafte Monumentalität unterlaufen, die immer nur darauf zielt, den Betrachter kleinzumachen und klein zu halten?
Die Besonderheit
Das Denkmal an sich ist unspektakulär. Faszinierend ist, dass man dem Wandel in der deutschen Gedenkkultur hier praktisch bei der Arbeit zusehen kann.
Das Zielpublikum
Historisch interessierte Städtereisende kommen in Hannover auch sonst auf ihre Kosten. Die Stadt wird ja sowieso chronisch unterschätzt.
Hindernisse auf dem Weg
Gibt es eigentlich nicht. Nach Hannover fährt immer ein Zug, wenn auch nicht pünktlich. Und in der Stadt ist praktisch alles mit dem Fahrrad oder zu Fuß erreichbar.
Aber vielleicht muss man noch weiter vorn anfangen. „Hier gibt es Leute, die laufen jeden Tag daran vorbei und wissen nicht, wer Carl Peters ist“, sagt einer aus dem Publikum.
Also bitte: Carl Peters, der Erfinder Deutsch-Ostafrikas, war ein Kolonialverbrecher. Und im Gegensatz zu anderen historischen Figuren sah man das auch zu seinen Lebzeiten schon so, man muss also nicht lange darüber diskutieren, ob er nicht vielleicht doch irgendwelche historischen Verdienste hatte oder ein Kind seiner Zeit war oder Ähnliches.
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Die Nazis sahen hier einen Urahn
1897 wurde er unehrenhaft aus dem Reichsdienst entlassen. „Hänge-Peters“ nannte ihn die kolonialismuskritische, sozialdemokratische Presse. „Blutige Hand“ (Kisuaheli: Mkono wa damu) die Bewohner jener Landstriche, in denen er wütete und die heute zu Tansania, Burundi und Ruanda gehören.
Dieses Denkmal in der Hannoverschen Südstadt haben die Nazis aufgestellt. Denn die erkannten in dem Herrenmenschen Peters natürlich sofort ihren geistesverwandten Urahn. Man kann sich also schon einmal fragen, warum man so etwas unbedingt behalten möchte: Ein Denkmal von Verbrechern für einen Verbrecher. Aber natürlich wird Geschichte, deutsche zumal, eben auch von Verbrechern gemacht.
Die Diskussion um diesen speziellen Gedenkstein in dieser speziellen Stadt ist also eine, die überall spielen könnte und als solche auch schon ein paar Jahrzehnte alt.
In den 80er Jahren erklärte man das Ganze fix zum Mahnmal gegen den Kolonialismus und befestigte eine bronzene Banderole am unteren Teil des Sockels. Deren mahnende Worte sind aber erstens schwer lesbar und zweitens auch schon wieder aus der Zeit gefallen, weil sie das Wort „Rasse“ verwenden, als gäbe es so etwas wirklich. Der Platz rund um das Denkmal wurde in den 90er Jahren in Bertha-von-Suttner-Platz umbenannt. Mit der österreichischen Friedensnobelpreisträgerin ersetzte man den Straßennamen „Am Karl-Peters-Platz“ (selber Verbrecher, andere Schreibweise), den es schon seit der Erbauung des Häuserensembles und Platzes 1916 gab, also noch vor dem Nazidenkmal, das erst 1935 eingeweiht wurde.
2024 stellte die Stadt nach langen Diskussionen und einer Onlinepetition noch eine kleine Infotafel neben das Denkmal, die aber auch nur vorläufig sein soll. Darauf wird erklärt, wer Carl Peters ist und dass man an einem irgendwie zeitgemäßen Umgang mit dem Trumm noch arbeitet.
Denkmalschutz: Einfach weg, das geht nicht
Einfach wegschaffen, erklärt Liam Harrold auf Nachfrage aus der Runde resigniert, geht wohl nicht. „Denkmalschutz“ lautet das Zauberwort. Wobei, bemerken die beiden Künsterinnen in der Runde, man ja vielleicht auch mal fragen könnte, warum Denkmalschutz so gottgleich daherkäme und nicht mehr hinterfragt werden dürfe.
Aber so ist das eben, es gibt Bannwörter im Arsenal der deutschen Bürokratie, bei denen alle gleich die Hände heben und aufgeben. „Denkmalschutz“, „Brandschutz“, „Datenschutz“, „versicherungstechnische Gründe“ – Wörter, die signalisieren, da ist nichts zu machen, da brauchst du gar nicht zu fragen.
Die Grünen wünschen sich nun ein „Gegendenkmal“. Dazu soll es einen künstlerischen Wettbewerb geben – vorausgesetzt, der Rat der Stadt schließt sich diesem Vorschlag an und stellt Geld dafür zur Verfügung.
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