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Wehrpflicht in DänemarkMehr Wehrdienst für alle

Dänemarks Streitkräfte setzen beim Rekrutieren von Nachwuchs trotz Losverfahren auf Freiwilligkeit. Der Wehrdienst wird verlängert – und gilt auch für Frauen.

Wehrdienst in Dänemark: Nächstes Jahr soll er statt vier elf Monate dauern Foto: Kristian Tuxen Ladegaard Berg/imago

Härnösand taz | Die Union führt gerne das Vorbild Dänemark und seine Wehrpflicht-Lotterie ins Feld. Doch dann war der Widerstand gegen ein Losverfahren bei Musterung und Wehrpflicht in der SPD-Fraktion doch zu groß. Praktisch spielte sie in Dänemark auch bislang kaum eine Rolle. Aber Dänemark steckt selbst in einem Wehrpflicht-Umbaumodus. Ab dem kommenden Jahr wird der Wehrdienst grundlegend verändert – größer, schneller weiter, sozusagen.

Statt vier soll er elf Monate dauern. Nach einer fünfmonatigen Grundausbildung sollen die Rekrutierten dann noch ein halbes Jahr in dem von ihnen gewählten Bereich an der Seite von Berufssoldaten operativen Dienst tun, mit denselben Aufgaben. So könnten sie auch etwa auf dänischen Fregatten eingesetzt werden, die auf Nato-Mission unterwegs sind.

Der Chef des Wehrpflichtprogramms, Kenneth Strøm, erklärte dem Dänischen Rundfunk DR im Juni: „Es geht um Kampfkraft. Wir befinden uns in einer Situation, in der die Kampfkraft fast nicht schnell genug aufgebaut werden kann.“

Die zweite große Neuerung: Der Pool der Wehrpflichtigen wird radikal vergrößert. Der Musterungsbescheid ist seit diesem Sommer auch für Frauen verbindlich. Zuvor war er für sie ein Angebot, sich freiwillig zu melden. Dänemark geht diesen Schritt übrigens zehn beziehungsweise acht Jahre später als Norwegen und Schweden.

Das Los gilt nur, wenn sich nicht genug freiwillig melden

Nur in Finnland bleibt der Militärdienst für Frauen vorerst freiwillig – dort droht traditionell auch ohne sie kein Rekrutenmangel. Im vergangenen Jahr wurden laut der finnischen Armee 76,07 Prozent der 2006 geborenen Männer einberufen. Das waren 24.285 neue Soldaten. 1.448 freiwillige Soldatinnen kamen dazu.

In Dänemark werden nun also sämtliche 18-Jährige per Musterungsbescheid benachrichtigt, dass es Zeit wird, sich vorzustellen. Beim sogenannten Tag der Streitkräfte werden sie dann informiert, untersucht und getestet. Und wer dann als tauglich oder begrenzt tauglich gilt, zieht an diesem Tag das Los, von dem in Deutschland so viel die Rede ist.

Die Nummer darauf kommt erst zum Einsatz, wenn sich nicht genug der tauglich Gemusterten aus freien Stücken für den Wehrdienst anmelden. Bisher, das betonen die Streitkräfte immer wieder, liegt diese Freiwilligenquote quasi bei 100 Prozent. Erklärtes Ziel ist, dass das auch künftig so bleibt, dass also niemand wegen seiner Losnummer zum Dienst gezwungen wird. Auch dann nicht, wenn Dänemark die Zahl der jungen Rekrutierten künftig erhöhen will, von derzeit rund 4.700 pro Jahr auf zunächst 6.500. Man hat die Gruppe der Wehrpflichtigen ja gerade um etwa das Doppelte vergrößert, das soll helfen.

Dass die anspruchsvolleren Elf-Monats-Dienste mit beabsichtigtem Nahkontakt zu größeren Waffen vielleicht zu mehr Wehrdienstverweigerungen führen könnten, sei zwar denkbar, so Kenneth Strøm. Derzeit sei die Zahl ja im Grunde bei Null. Man hoffe aber, dass die „hundertprozentige Freiwilligkeit“ auch künftig bestehen bleibe.

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