piwik no script img

Lockerungsübungen an der BrandmauerCDU schaufelt sich selbst ihr Grab

Gareth Joswig

Kommentar von

Gareth Joswig

Selbst die Konrad-Adenauer-Stiftung hat endlich verstanden: Nicht die Brandmauer stärkt die AfD, sondern das Entgegenkommen von Mitte-Rechtsparteien.

Vor der Nase: Ein Wahlplakat der AfD hängt vor dem Konrad-Adenauer-Haus mit dem Konterfei des CDU-Bundesvorsitzenden Merz Foto: Michael Kappeler/dpa

N ewsflash: Zeitgleich, während die hinterletzte Reihe der Union mal wieder fordert, die politische Isolation der AfD zu durchbrechen, steht ein AfD-Kommunalpolitiker vor Gericht, der Teilnehmer eines Holocaustgedenkens mit einem Messer bedroht haben soll. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Hess forderte kürzlich die jüdische Bildungsministerin Karin Prien dazu auf, die Koffer zu packen, weil diese gesagt hatte, dass es nicht mehr ihr Land sei, wenn die Rechtsextremen regieren würden. Es werden immer mehr AfD-„Patrioten“ bekannt, die mit einem mittlerweile verurteilten chinesischen Spion munter durch China gereist sind.

AfD-Politiker wollen wieder die im Nationalsozialismus übliche erste Strophe des Deutschlandlieds singen, verbreiten Putin-Propaganda und Desinformationen, sie sind mit Neonazis vernetzt und treffen munter Antisemiten. Und das sind nur News aus den letzten paar Wochen. Die AfD ist berechtigterweise als gesichert rechtsextrem eingestuft, ihre Po­li­ti­ke­r*in­nen benennen Trump und Orbán als Vorbild, die beide ihre Demokratien zu einem illiberalen-autoritären Regime umgeschliffen haben.

Die AfD will die CDU zerstören. Sie will die Gesellschaft spalten mit populistischem und von Fakten entkoppeltem Kulturkampf und dabei die Gräben so unüberbrückbar vertiefen, dass die Union irgendwann gezwungen sein soll, mit Rechtsextremen zu kooperieren. Diese Strategie hat die AfD selbst komplett offen kommuniziert und sie klappt ganz gut bisher.

Schuld daran hat die Union selbst: Die Christdemokraten sollten im Angesicht dieser auch für sie existentiellen Bedrohung stabil und demokratisch bleiben – oder viel besser: es wieder werden. Eine Abkehr von populistischen Kulturkämpfen, wie sie Staatsminister Wolfram Weimer führt, ist dabei genauso hilfreich wie ein Stopp der von irrationalen Ängsten getriebenen Abschottungspolitik, die mit Fakten wenig zu tun hat und Gerichtsurteile wie Menschenrechte ignoriert.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Die Union macht längst AfD-Politik

Das Grundproblem der Republik ist im Moment, dass die Union in vielen Punkten längst auf AfD-Kurs eingeschwenkt ist und weiter versucht, die Rechtsextremen mit Scheinlösungen und Symbolpolitik „wegzuregieren“. Sie verleiht Rechtsextremen damit erst Wirkmacht und befriedigt den rassistischen Hass der AfD-Wähler*innen. Die Bundesrepublik führt sie damit in eine Demokratiekrise.

Müsste Merz nicht langsam merken, dass er mit diesem Kurs die AfD eben nicht halbiert hat? Es wäre ganz gut, wenn Pseudoliberale wie Peter Tauber oder Pseudodoktoren wie Karl-Theodor von und zu Guttenberg sich mal wieder mit wissenschaftlichen Erkenntnissen beschäftigen würden. Nicht die Brandmauer stärkt die AfD, sondern das Entgegenkommen von Mitte-Rechtsparteien.

Wenn Sie der taz nicht glauben: Kürzlich hat die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung eine Studie herausgegeben zum Umgang mit „rechtspopulistischen“ Parteien in Europa. Ergebnis: „Angesichts des extremistischen Charakters der AfD leiten sich aus dieser Studie insofern keine Hinweise ab, mit denen sich eine Zusammenarbeit mit der AfD begründen ließe.“ Auch international zeige sich, dass in maßgeblichen Fällen eine ‚Zähmung‘ rechtspopulistischer oder gar rechtsextremer Parteien durch Kooperation nicht gelungen sei und eher zu einer Schwächung von Mitte-Rechts-Parteien geführt habe.

Die Union sollte ihrer eigenen Stiftung glauben und stattdessen lieber über wehrhafte Demokratie und ein AfD-Verbot nachdenken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • "Pseudodoktor". Mittlerweile hat er doch im zweiten Anlauf wieder seinen erweiterten Hochschulgrad erreicht?



    Die Deutschen machen doch immer noch einen Hofknicks vor diesem Namenszusatz. Kein Namensbestandteil! Der Casus macht mich lachen.



    Die Wähler entscheiden, wo das Kreuzchen gesetzt wird. Überzeugt die Wähler mit Inhalten. Nicht mit Parteiverboten.

  • Zuerst mal vielen Dank für diesen Artikel!

    "Müsste Merz nicht langsam merken, dass er mit diesem Kurs die AfD eben nicht halbiert hat?"

    "Was in der Sache richtig ist, wird nicht falsch, wenn die Falschen zustimmen."



    Friedrich Merz, CDU-Chef



    Merz, hatte schon damals im Januar, als es um die Verschärfung des Asylrechts ging, mit der AfD geliebäugelt. Es war der erste Versuch, die AfD mit ins Boot zu holen.



    "Werden CDU und CSU in Zukunft öfter Politik mit der AfD machen?" wurde im Januar dieses Jahres gefragt.



    Genau hier wurde die Strategie deutlich. Der Wolf im Schafspelz hat auch mit der Bürgergeld Reform deutlich gemacht, was er für eine Politik anstrebt. Er will auf den Zug aufspringen, der mittlerweile durch fast ganz Europa und weltweit Zustimmung erntet: Rechts, sehr Rechts bis hin zu dem sich anbahnenden Faschismus in Trumpistan.



    Die Zeit ist überfällig für ein AfD Verbot. Auf was wartet das Bundesverfassungsgericht? Leider wird dafür zu wenig auf die Straße gegangen. Ich schließe mich da mit ein, vielleicht aus "Impotenz". Wer macht mit, wer organisiert. Ich bin 66 Jahre alt. Ich hoffe auf die Jüngeren unter uns, nicht nur die Linken. Alle müssten jetzt ein Zeichen setzen.

  • Die Wundertüte "Große Koalition" wird mittelfristig ein ganz neues Geschmäckle liefern.



    Wir werden die jungen AfD-Wähler nicht mit Blabla über historische Kontexte zurück holen. Sie wollen einen Job in einer gesunden Wirtschaft und politisch nicht weiterhin über den Tisch gezogen werden, wie bei der derzeitigen Rentenpolitik.



    der starke AfD-Anteil im Osten ist auch ein hausgemachtes Problem: Wenn ich als Erwachsener adoptiert, aber wie ein unmündiges Kind abgefertigt werde, ist das Vertrauensverhältnis gestört.



    Da die wirtschaftliche Talsohle tiefer liegt, als uns weiß gemacht wird, der Osten weiterhin gegängelt wird, ist der AfD-Zulauf kaum aufzuhalten.



    Muss an dieser Stelle mal Werner Enke zitieren, auch wenn den hier niemand kennt: "Es wird böse enden!"

  • Dem Autor, Gareth Joswig, empfehle ich die Lektüre von Texten, die sich mit den Unterschieden zwischen einer Demokratie und einer Republik beschäftigen und solchen, die sich kritisch mit dem Zustand der sogenannten „repräsentativen Demokratie“ auseinandersetzen. Man mag ja das politische System der BRD ab 1949 für das Beste der Welt halten, man sollte sich aber im klaren sein, dass wir keine Demokratie haben und dass keine der heutigen Parteien uns auch nur ein bisschen mehr Demokratie schenken wird. Die streben nach und kleben an der republikanischen Macht.

  • Die CDU wird untergehen wenn sie nicht die Politik der erfolgreichen Links- und Linkerparteien übernimmt. Ein seltsamer Ratschlag von Parteien die eigentlich keine Wähler zu viel haben um sie an andere Parteien abzugeben.

  • Man muss als Journalist natürlich vorsichtig mit Behauptungen sein, aber ich bin ja keiner, deshalb schreibe ich es offen hier rein:

    Die Idee, dass die Union nicht wüsste was sie da tut, dass sie nicht eine gezielte Spaltung der Gesellschaft (teile und herrsche) und Zusammenarbeit in der Regierung mit der AfD anstrebt, nicht bewusst die Demokratie stützende Institutionen schwächt und anfeindet, sich nicht (bei Orban und Trump) bewusst abgeschaut hat wie man durch Lügen und verbale Gewalt Macht ausbaut und zementiert, die scheint mir naiv.

    Die Union noch ernsthaft als demokratische Partei zu sehen, nur weil es (angeblich) noch einige "aufrechte Konservative" neben den brandgefährlichen Spahns und Amthors geben soll, das ist Unfug.

    Diese Union ist mit voller Absicht der Steigbügelhalter des Faschismus, davon bin ich überzeugt.

  • Die CDU würde sich "ihr Grab schaufeln", wenn sie die Themen der AfD nur deshalb ausbledet, weil die AfD diese thematisiert.

    Bleiben wir doch beim Autor und nehmen das Thema Zuwanderung. Sollte man diese Ablehnen wegen eines Kulturkampfes? Wohl eher nein; dass kann man der AfD überlassen. Sollte man diese wegen den damit verbundenen Kosten ablehnen. Na wohl eher ja.

    Und die Tatsache, dass Abschottungen von Gerichten in Einzelfällen abgelehnt worden sind, heißt ja nicht, dass man nicht dran bleiben sollte. Soweit beispilesweise kürzlich drei Somalier ihre Einreise gerichtlich durchgefochten haben, hat sich ja inzwichen heraus gestellt, dass weder Litauen noch Polen sich zuständig fühlen und die Angelegenheit in Deutschland verbleibt.

    Also gilt es dranzubleiben und ggf. das EU-Recht zu ändern oder eine Diskussion über eine Suspenierung zu führen. Egal, was die AfD nun dazu halt sagt oder nicht.

    Wenn die CDU jedes Schnittstellenthema vermeiden wollen würde, wäre sie nicht mehr gestaltungsfähig.