Lockerungsübungen an der Brandmauer: CDU schaufelt sich selbst ihr Grab
Selbst die Konrad-Adenauer-Stiftung hat endlich verstanden: Nicht die Brandmauer stärkt die AfD, sondern das Entgegenkommen von Mitte-Rechtsparteien.

N ewsflash: Zeitgleich, während die hinterletzte Reihe der Union mal wieder fordert, die politische Isolation der AfD zu durchbrechen, steht ein AfD-Kommunalpolitiker vor Gericht, der Teilnehmer eines Holocaustgedenkens mit einem Messer bedroht haben soll. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Hess forderte kürzlich die jüdische Bildungsministerin Karin Prien dazu auf, die Koffer zu packen, weil diese gesagt hatte, dass es nicht mehr ihr Land sei, wenn die Rechtsextremen regieren würden. Es werden immer mehr AfD-„Patrioten“ bekannt, die mit einem mittlerweile verurteilten chinesischen Spion munter durch China gereist sind.
AfD-Politiker wollen wieder die im Nationalsozialismus übliche erste Strophe des Deutschlandlieds singen, verbreiten Putin-Propaganda und Desinformationen, sie sind mit Neonazis vernetzt und treffen munter Antisemiten. Und das sind nur News aus den letzten paar Wochen. Die AfD ist berechtigterweise als gesichert rechtsextrem eingestuft, ihre Politiker*innen benennen Trump und Orbán als Vorbild, die beide ihre Demokratien zu einem illiberalen-autoritären Regime umgeschliffen haben.
Die AfD will die CDU zerstören. Sie will die Gesellschaft spalten mit populistischem und von Fakten entkoppeltem Kulturkampf und dabei die Gräben so unüberbrückbar vertiefen, dass die Union irgendwann gezwungen sein soll, mit Rechtsextremen zu kooperieren. Diese Strategie hat die AfD selbst komplett offen kommuniziert und sie klappt ganz gut bisher.
Schuld daran hat die Union selbst: Die Christdemokraten sollten im Angesicht dieser auch für sie existentiellen Bedrohung stabil und demokratisch bleiben – oder viel besser: es wieder werden. Eine Abkehr von populistischen Kulturkämpfen, wie sie Staatsminister Wolfram Weimer führt, ist dabei genauso hilfreich wie ein Stopp der von irrationalen Ängsten getriebenen Abschottungspolitik, die mit Fakten wenig zu tun hat und Gerichtsurteile wie Menschenrechte ignoriert.

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Die Union macht längst AfD-Politik
Das Grundproblem der Republik ist im Moment, dass die Union in vielen Punkten längst auf AfD-Kurs eingeschwenkt ist und weiter versucht, die Rechtsextremen mit Scheinlösungen und Symbolpolitik „wegzuregieren“. Sie verleiht Rechtsextremen damit erst Wirkmacht und befriedigt den rassistischen Hass der AfD-Wähler*innen. Die Bundesrepublik führt sie damit in eine Demokratiekrise.
Müsste Merz nicht langsam merken, dass er mit diesem Kurs die AfD eben nicht halbiert hat? Es wäre ganz gut, wenn Pseudoliberale wie Peter Tauber oder Pseudodoktoren wie Karl-Theodor von und zu Guttenberg sich mal wieder mit wissenschaftlichen Erkenntnissen beschäftigen würden. Nicht die Brandmauer stärkt die AfD, sondern das Entgegenkommen von Mitte-Rechtsparteien.
Wenn Sie der taz nicht glauben: Kürzlich hat die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung eine Studie herausgegeben zum Umgang mit „rechtspopulistischen“ Parteien in Europa. Ergebnis: „Angesichts des extremistischen Charakters der AfD leiten sich aus dieser Studie insofern keine Hinweise ab, mit denen sich eine Zusammenarbeit mit der AfD begründen ließe.“ Auch international zeige sich, dass in maßgeblichen Fällen eine ‚Zähmung‘ rechtspopulistischer oder gar rechtsextremer Parteien durch Kooperation nicht gelungen sei und eher zu einer Schwächung von Mitte-Rechts-Parteien geführt habe.
Die Union sollte ihrer eigenen Stiftung glauben und stattdessen lieber über wehrhafte Demokratie und ein AfD-Verbot nachdenken.
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