Verfassungsklage gegen Klimaschutzgesetz: Umwelt-Sachverständigenrat gibt Klimaklagen Rückenwind
Regierungsberater*innen stützen mehrere Verfassungsbeschwerden gegen das reformierte Klimaschutzgesetz. Es gefährde verbindliche Klimaziele.

taz | Wissenschaftlicher Rückhalt für Klimaklagen: Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), der die Bundesregierung wissenschaftlich berät, stützt die Argumentation mehrerer Verfassungsbeschwerden gegen das deutsche Klimaschutzgesetz in seiner von der Ampelregierung im vergangenen Jahr geänderten Form. Das geht aus einer Stellungnahme der Expert*innen gegenüber dem Bundesverfassungsgericht vom Mittwoch hervor.
Die Novellierung gefährdet gemäß dem Gremium das Erreichen verbindlicher Klimaziele. Seine aktuellen Berechnungen zeigen zudem, dass das verbleibende deutsche CO₂-Budget rasch schrumpft und für die Temperaturobergrenze von 1,5 Grad bereits überschritten ist.
Vor der Novellierung mussten die zuständigen Bundesministerien Sofortprogramme vorlegen, wenn die Sektoren in ihrem Zuständigkeitsgebiet – etwa Verkehr, Energie oder Landwirtschaft – die gesetzlichen Grenzen zum CO₂-Ausstoß in einem Jahr verfehlt hatten.
Das ist durch die Reform in dieser Form entfallen. Seitdem ist nur noch das übergeordnete Klimaziel für ganz Deutschland entscheidend. Die Bundesregierung muss zudem erst dann nachsteuern, wenn sich über zwei aufeinanderfolgende Jahre abzeichnet, dass sie beim Klimaziel bis 2030 nicht auf Kurs ist.
Klima braucht verbindliche Sektorenziele
Der SRU schreibt: „In denjenigen Sektoren, die regelmäßig ihre Sektorziele überschreiten, werden ohne verbindliche Sektorziele, ohne politischen Druck durch das verantwortliche Ressort und ohne drohendes Sofortprogramm weiter die Anreize reduziert, weitergehende Maßnahmen zu ergreifen.“ Sektoren, die Klimaziele ambitioniert verfolgen und erreichen, könnten es für ungerecht erachten, „wenn sie die Lasten anderer Sektoren tragen sollen“.
„Ohne klare Sektorziele und Ressortverantwortung gibt es im Kabinett keinen starken ‚Erfüllungsanreiz‘ mehr“, heißt es beim SRU. Das neue Nachsteuerungsprinzip mache eine Verschiebung des Klimaschutzes in die Zukunft wahrscheinlicher.
Das Gutachten gebe den Verfassungsbeschwerden „noch einmal deutlichen Rückenwind“, sagt Jürgen Resch, Chef der Deutschen Umwelthilfe. „Statt die Abschaffung der Sektorziele zu verteidigen und Verantwortung weiterhin zu verwässern, braucht es endlich eine Politik, die das Pariser Abkommen ernst nimmt und das CO₂-Budget als verbindliche Grenze begreift.“
Die Umwelthilfe ist eine der Umweltorganisationen, die im vergangenen Jahr Verfassungsbeschwerde gegen die Reform des Klimaschutzgesetzes eingereicht hatten, da sie das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verletze.
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