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Merz-Äußerung zum „Stadtbild“Auf einen Schawarma zu Mc Damascus

Selbst aus der eigenen Partei kommt Kritik am Kanzler. Immerhin erhält er jetzt aber eine "Einladung zur Besichtigung des Stadtbildes von Bochum".

Friedrich Merz am Dienstag mit Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke im Stadtbild von Potsdam Foto: dpa

taz/dpa | Mit seiner Äußerung über Migration im "Stadtbild" hat sich Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) viel Kritik eingehandelt – aber auch eine Einladung ins Ruhrgebiet. "Da Sie aktuell gern über Stadtbilder sprechen, möchte ich Sie herzlich zu einem Rundgang durch meinen Bundestagswahlkreis Bochum I einladen", schrieb der Grünen-Abgeordnete Max Lucks am Donnerstag in einem Schreiben an den Kanzler.

Zum Stadtbild gehörten dort "nicht nur Cafés mit Cappuccino, sondern auch Shishabars mit Minze, Pommesbuden mit Majo und Dönerläden mit allem", so Lucks weiter. Dieses Stadtbild unterscheide sich möglicherweise von dem in Merz’ Heimatstadt, aber das mache es "weder weniger schützenswert noch weniger respektabel". Bei einem "leckeren Schawarma von Mc Damascus", einem Fast-Food-Restaurant in der Bochumer Innenstadt, wolle er Merz davon überzeugen.

Merz war bei einem Termin in Potsdam am Dienstag von einem Reporter auf das Erstarken der AfD angesprochen worden. Er sagte daraufhin unter anderem, dass man nun frühere Versäumnisse in der Migrationspolitik korrigiere, und dass man dabei Fortschritte mache. „Wir haben in dieser Bundesregierung die Zahlen August '24/August '25 im Vergleich um 60 Prozent nach unten gebracht.“ Merz fügte an: „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“

Angesprochen auf den von Merz hergestellten Zusammenhang zwischen Rückführungen und dem Stadtbild versuchte Regierungssprecher Stefan Kornelius am Mittwoch, die Wogen zu glätten. „Ich glaube, da interpretieren Sie zu viel hinein", sagte er.

Kritik selbst aus der Union

„Der Bundeskanzler hat sich zu dem geänderten Kurs in der Migrationspolitik der neuen Bundesregierung geäußert – übrigens in seiner Funktion als Parteivorsitzender, was er auch explizit so kenntlich gemacht hat“, so Kornelius. Merz habe immer klargemacht, dass es sich bei der Migrationspolitik in seinen Augen nicht um Ausgrenzung handeln dürfe, sondern um eine einheitlich geregelte Zuwanderung.

Dennoch kommt Kritik an Merz sogar aus der eigenen Partei. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sagte am Donnerstag dem Tagesspiegel, Berlin sei eine „vielfältige, internationale und weltoffene Stadt. Das wird sich immer auch im Stadtbild abbilden“. Es gebe ein Problem „mit Gewalt, Müll und Kriminalität in der Stadt. Aber das kann man nicht an der Nationalität festmachen."

Der SPD-Politiker Steffen Krach, der Wegner bei der Abgeordnetenhauswahl 2026 ablösen will, sagte, die Äußerung des Kanzlers mache ihn "fassungslos". Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte im Bundestag an Merz gewandt: „Wie sieht man denn das 'Problem' außer an der Hautfarbe der Menschen? Wie wollen Sie dieses 'Problem' denn erkennen?“ Die Aussage des Kanzlers sei verletzend, diskriminierend und unanständig.

Grünen-Chef Felix Banaszak forderte Merz zu einer Entschuldigung auf. Der Linken-Fraktionsvorsitzende Sören Pellmann schloss sich im Bundestag an. „Der offensichtliche Ausrutscher Ihrer Formulierung war nicht nur deplatziert, sondern es hat einen weiteren Stachel in unsere Demokratie gesetzt“, sagte er.

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