USA unter Donald Trump: Wie es ihm gefällt
Vor einem Jahr wurde Donald Trump zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt. Seit seinem Amtsantritt regiert er mit der Abrissbirne.
Das Symbol für seine zweite Präsidentschaft hat Donald Trump kurz vor dem Jahrestag seiner erneuten Wahl selbst geliefert: die Abrissbirne, die zwischen 21. und 23. Oktober den gesamten Ostflügel des Weißen Hauses in Schutt und Asche gelegt hat. Ohne Ankündigung, ohne Genehmigung der zuständigen Kommission, ohne Zustimmung des Kongresses, nur auf Anordnung des Präsidenten, für seinen Wunsch nach dem „schönsten Ballsaal, den die Welt je gesehen hat“. Umgesetzt in der pompösen neoklassizistischen Architektur, die Trump so sehr gefällt.
Ursprünglich hatte er die Kosten dafür mit rund 100 Millionen Dollar angegeben, im Juli waren es 200 Millionen geworden, bei gleichzeitiger Ankündigung, dafür sei keinerlei Rückbau der bisherigen Gebäude notwendig. Jetzt liegt der Ostflügel, in dem seit 1977 das Büro der First Lady angesiedelt war, in Trümmern, und die Kosten für den Ballsaal werden mit 300 Millionen US-Dollar beziffert.
Die sollen von Unternehmen und Spender*innen kommen, die sich dafür von Trump Gegenleistungen erwarten. Auf der Spendenliste stehen unter anderem alle großen Tech-Unternehmen. Es ist ein glaubwürdiges Gerücht, dass Trump den Ballsaal, der 999 Personen fassen soll, auch gleich nach sich selbst benennen will. Der Bau soll bis zum Ende von Trumps Amtszeit im Januar 2029 fertiggestellt sein.
Der Vorgang zeigt vieles von dem, was Trumps zweite Amtszeit bislang ausgemacht hat. Behandlung des Staates wie Privateigentum, Lüge, Missachtung von Regeln, Egomanie, Überheblichkeit, Ignoranz, Angeberei, Korruption. Das Schaffen von Fakten, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Und: Zweifel, ob Trump wirklich bereit ist, nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit das Weiße Haus zu räumen. Wer baut schon einen Ballsaal für seinen Nachfolger?
Kokettieren mit der dritten Amtszeit
Zwar lässt der 22. Verfassungszusatz überhaupt keinen Zweifel daran, dass ein Präsident nur zweimal antreten kann. Aber Trump selbst – der bereits ein paar rote Käppis mit „Trump 28“ hat drucken lassen – kokettiert immer wieder mit einer dritten Amtszeit. Und sein weiterhin einflussreicher ehemaliger Chefstratege Steve Bannon betont ständig in Interviews, es gebe einen Plan, wie das möglich sein könnte. Trumps Präsidentschaft sei „göttlicher Wille“, und zwei Amtszeiten reichten einfach nicht aus, man sei dann noch nicht fertig.
Es war Bannon, der in der ersten Amtszeit die Zerstörung der Institutionen als zentrales Ziel ausgegeben hatte, die er – im Einklang mit der QAnon-Verschwörungstheorie – den „Deep State“ nennt. Aber erst in der zweiten, dank des Projects 2025 viel besser vorbereiteten Amtszeit ist es damit wirklich vorangegangen. Zehntausende Staatsbedienstete sind entlassen, bei allen anderen herrscht Angst. Russ Vought, seit Februar Direktor des wichtigen Office of Management and Budget und einer der wichtigsten Autoren des Projects 2025, hatte schon zuvor ausgegeben, man müsse dafür sorgen, dass all diese Bundesangestellten jeden Tag aufs Neue keine Lust hätten, zur Arbeit zu gehen. Das dürfte funktioniert haben, zumal die Führungsebenen der Behörden durch Trump-Loyalist*innen ersetzt wurden.
Wer überlegt, welche Handlung Trumps seit seiner Wiederwahl am meisten überrascht, am dreistesten die Regeln gesprengt oder am heftigsten schockiert hat, kann eigentlich nur zu einem Ergebnis kommen: jeden Tag eine. Oder auch zwei. Oder fünf.
Das ging mit den Kabinettsbesetzungen los: Vielleicht mit Ausnahme von Außenminister Marco Rubio zeichnen sich Trumps Minister*innen dadurch aus, dass sie entweder vollkommen fachfremd sind, zuvor als Fox-News-Kommentatoren, Podcaster oder Aktivist*innen verschwörungstheoretischen Unsinn verbreiteten, massive Eigeninteressen haben und schlichtweg absolute Loyalität gegenüber Donald Trump schwören. Die live übertragenen Kabinettssitzungen bestehen oft genug daraus, dass alle Minister*innen der Reihe nach erklären, was für ein großartiger Präsident Trump doch sei.
Trump führt einen „Krieg im Innern“…
Eine zentrale Rolle spielt dabei das Justizministerium. Dessen Ministerin ist in den USA zugleich Generalstaatsanwältin und hat eigentlich unabhängig zu agieren und über die Einhaltung von Gesetzen zu wachen. Nicht so die von Trump ernannte Pam Bondi. Sie versteht sich als „juristische Kriegerin“ – ein von Trumps stellvertretendem Stabschef Stephen Miller geprägter Begriff – deren Aufgabe darin besteht, Trumps persönlichen Willen auszuführen, inklusive der juristischen Verfolgung seiner politischen Widersacher. Die Anwält*innen, die innerhalb des Ministeriums solchen offensichtlichen Rechtsbrüchen widersprechen würden, sind allesamt entlassen, sodass im Zusammenspiel zwischen dem Justizministerium, dem FBI unter Kash Patel, dem Heimatschutzministerium unter Kristi Noem und den Geheimdiensten unter Tulsi Gabbard inzwischen ein Trump ergebener Verfolgungs- und Überwachungsapparat entstanden ist.
Als wenn das noch nicht genügen würde, bemühen sich Trump und sein Verteidigungsminister Pete Hegseth darum, auch das Militär zu politisieren. Bei einem erzwungenen Zusammentreffen mussten sich rund 800 aus der ganzen Welt eingeflogene hochrangige Generäle und Admirale nicht nur von Pete Hegseth anhören, dass sie gefälligst Liegestütze und Rumpfbeugen zu machen hätten, weil es widerlich sei, „fette Generäle“ zu sehen. Sie mussten sich auch von Trump erklären lassen, dass es einen „Krieg im Innern“ gebe und dass die US-amerikanischen Großstädte „Übungsplätze“ für das Militär im Kampf gegen den inneren Feind sein müssten.
Hegseth, der sich inzwischen „Kriegsminister“ nennen lässt, ohne allerdings auch nur den Versuch zu unternehmen, diese Umbenennung vom Parlament tatsächlich vornehmen zu lassen, polemisierte gleichzeitig noch gegen „unsinnige Einsatzregeln“, die sicherstellen sollten, dass sich das Militär im Rahmen des Kriegs- und Völkerrechts bewegt. Und erklärte, mit der Verweichlichung des Militärs sei es jetzt vorbei, Drill Sergeants – wie aus Stanley Kubricks „Full Metal Jacket“ bekannt – müssten Rekruten auch wieder misshandeln dürfen.
Gleichzeitig gehen die Soldat*innen der Nationalgarde in demokratisch regierten Großstädten – bislang Los Angeles, Portland, Washington und Chicago – gegen Menschen vor, die versuchen, sich den Überfällen der maskierten Mitarbeiter der Grenzschutzbehörde ICE entgegenzustellen. Im Rahmen der von Trump proklamierten „größten Massendeportation der US-Geschichte“ zerren ICE-Leute ohne weitere Erklärung Menschen in Autos ohne Nummernschilder, während die ihre Kinder von der Schule abholen, überfallen mitten in der Nacht Wohnblocks und verschleppen Menschen an unbekannte Orte. Mitunter wissen Angehörige wochenlang nicht, wohin ihre Verwandten gebracht wurden. ICE geht dabei strikt nach dem Prinzip des Racial Profiling vor – was ihnen der von Trump in seiner ersten Amtszeit ernannte Oberste Gerichtshof auch noch erlaubt hat. So sieht „Remigration“ aus.
…und greift die freie Wissenschaft an
Wer sich diesen vom Staat losgeschickten Überfallkommandos friedlich entgegenstellt, wird von Trump und seinen Komplizen als terroristische Antifa bezeichnet. Die gibt es zwar nicht, aber verboten hat Trump sie trotzdem, mit fatalen Folgen. Mark Bray etwa, Professor an der Rutgers Universität, hat lang zum Thema Antifaschismus geforscht. Sein 2017 erschienenes „Antifaschistisches Handbuch“ gilt als ein Standardwerk.
Nach der Ermordung des rechten Aktivisten Charlie Kirk im September behauptete die gesamte Rechte, der Täter – über dessen Motive bis heute fast nichts bekannt ist – sei ein linksradikaler Antifa. Und Kirks Organisation Turning Point USA bezeichnete Mark Bray als „Dr. Antifa“ und Terroristen. Seine Privatadresse wurde veröffentlicht, seine Familie und er erhielten massive Morddrohungen, bis er schließlich Anfang Oktober die USA Richtung Spanien verließ.
Mark Bray ist nur das jüngste Opfer des rechten Generalangriffs auf die Wissenschaftsfreiheit. Schon in einem Seitenprojekt des Projects 2025, genannt Project Esther, wurde die Strategie formuliert, die US-Universitäten wegen des angeblich dort grassierenden Antisemitismus massiv unter Druck zu setzen. Das ist inzwischen passiert, Columbia und andere Unis haben klein beigegeben. Um Bundesmittel nicht zu verlieren, haben sie Selbstverpflichtungen unterschrieben, die ihre Wissenschaftsfreiheit und Autonomie massiv einschränken. Andere, allen voran Harvard, wehren sich noch. Massive Mittelkürzungen in der Forschung – zum Beispiel im Gesundheitsbereich, an dessen Spitze im Kabinett der Impfgegner Robert F. Kennedy Jr. steht – haben etliche Wissenschaftler*innen in die Arbeitslosigkeit getrieben und wichtige Forschungsreihen beendet.
Die Überwältigung auf so vielen Ebenen hat Strategie: Weder Medien noch Opposition noch allgemeine Öffentlichkeit sollen eine Chance haben, mit dem Tempo der Übergriffe Schritt zu halten.
Letzte Haltelinie ist die Justiz: Über 300 Klagen sind seit Amtsantritt am 20. Januar gegen die Regierung eingegangen. Viele davon wurden zunächst in unteren Instanzen gewonnen – aber Trump konnte sich bislang stets auf den Obersten Gerichtshof verlassen, sofern die Fälle erst einmal dort ankommen.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Auch die Medien sehen sich unter massivem Druck. Vom Pentagon sind seit Oktober alle seriösen Medien ausgeschlossen, weil sie sich weigerten, zu unterschreiben, dass sie nur noch veröffentlichen, was vorher genehmigt ist. Und im Pressekorps des Weißen Hauses tauchen neben den seriösen Journalist*innen immer mehr rechte Blogger und Influencer auf.
Die Zivilgesellschaft hat zwar mit den beiden großen „No Kings!“-Mobilisierungen im Juli und zuletzt im Oktober Stärke gezeigt, tut sich aber schwer, diesen Widerstand zu verstetigen. Und die Demokratische Partei hat zwar im Oktober erstmals ausreichend Rückgrat gezeigt, um dem erneuten Übergangshaushalt der Republikaner nicht zuzustimmen und damit einen Shutdown der Regierung in Kauf zu nehmen.
Aber bis auf Gouverneure wie J. B. Pritzger aus Illinois und Gavin Newsom aus Kalifornien und linke Abgeordnete wie Bernie Sanders aus Vermont und Alexandria Ocasio-Cortez aus New York fehlt es an Führungsfiguren. Die wahrscheinliche Wahl des demokratischen Sozialisten Zohran Mamdani zum Bürgermeister von New York am kommenden Dienstag könnte die Diskussion innerhalb der Partei neu anfachen – vor den landesweiten Zwischenwahlen im November 2026 dürfte das dringend notwendig sein.
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