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Stichwahl in BolivienDer Neue muss die Krise lösen

Katharina Wojczenko

Kommentar von

Katharina Wojczenko

Mit der Stichwahl endet eine jahrzehntelange Ära linker Regierungen. Der neue Staatschef Paz Pereira muss das Land einen und die Wirtschaft ankurbeln.

Der neue Präsident von Bolivien: Rodrigo Paz Pereira (PDC) Foto: Claudia Morales/reuters

B olivien hat gewählt. Der künftige Präsident Rodrigo Paz Pereira, Kandidat der Christdemokraten, steht vor einer schwierigen Aufgabe: Er muss die Wirtschaftskrise lösen. Dafür muss er Land und Parlament einen. Das ist eine Mammutaufgabe, denn Bolivien ist polarisiert. Der Wahlkampf war überaus schmutzig, Kandidaten und Medien haben sich nicht mit Ruhm bekleckert.

Faktcheckingportale kamen vor lauter Lügen nicht hinterher. Viele zielten darauf ab, Paz Pereira und seine Leute als Movimiento al Socialismo (MAS – Bewegung zum Sozialismus) im Schafspelz zu diskreditieren, denn von der MAS-Bewegung haben die meisten Bo­li­via­ne­r:in­nen nach mehr als 20 Jahren die Nase voll.

Bleibt zu hoffen, dass den versöhnlichen Tönen beider Seiten vom Wahlsonntag Taten folgen. Beginnen muss Paz Pereira mit seinem eigenen Vizepräsidenten Edman Lara. Der gefeuerte Polizist hatte den eher unbekannten Paz aus dem Nichts nach vorne katapultiert. Lara ist als Tiktoker wegen seiner Korruptionskritik beliebt. Diplomatie indes ist nicht seine Stärke.

Nach der ersten Wahlrunde hatte er Paz Pereira gedroht, er werde ihn absägen, sollte er sich als korrupt erweisen. Die Geheimwaffe „Capitán Lara“ könnte sich als Zeitbombe entpuppen. Ausgerechnet er steht künftig dem Parlament vor und soll vermitteln. Das war zuletzt komplett blockiert – und muss über Parteigrenzen zusammenarbeiten, um die nötigen Gesetze zu verabschieden. Im August haben die Bo­li­via­ne­r:in­nen schon die MAS samt restlicher Linke aus dem Senat gewählt. Im Abgeordnetenhaus werden nur zwei Abgeordnete der MAS und acht Abgeordnete der Volksallianz sitzen.

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Mit der MAS-Partei sind aber die Bedürfnisse ihrer ursprünglichen linken Wählerschaft nicht verschwunden. Die indigene, ländliche Bevölkerung ist immer noch da, sie will die Errungenschaften vor allem in Sachen kultureller Anerkennung nicht mehr zurückgeben – egal wie weiß der neue Präsident ist. Der linke Ex-Präsident und frühere MAS-Chef Evo Morales hat immer noch die Kraft, seine Stammwählerschaft zu mobilisieren. Protestfreudig sind die Bo­li­via­ne­r:in­nen eh.

Will Pereiras Regierung Erfolg haben, muss er also auch die Straße hinter seine Politik bringen und bald erste Erfolge liefern, sonst kommt es wieder zu Blockaden.

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Katharina Wojczenko
Freie Korrespondentin
stammt aus dem Bayerischen Wald und berichtet seit 2017 überwiegend aus Kolumbien. Sie ist Mitglied des Reporterinnen-Teams von #tazFolgtDemWasser und Mitgründerin des Magazins „Südamerika+Reporterinnen“ auf der genossenschaftlichen Journalismus-Plattform-„RiffReporter“.
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