Stadtbild-Äußerung des Kanzlers: Friedrich Merz wackelt an der Brandmauer
Kanzler Merz und seine CDU wollen sich von der AfD abgrenzen. Doch so lange sie Strategie und Rhetorik nicht ändern, kann man das nicht so recht glauben.

D ie CDU hat ihren Umgang mit der AfD debattiert. Änderungen hat sie nicht beschlossen – die Frage ist, ob das schon als gute Nachricht durchgeht. Es werde keine Zusammenarbeit mit dieser Partei geben, legte der Kanzler sich einmal mehr fest. Stattdessen will die Union die Unterschiede deutlicher machen, etwa in der Wirtschafts- oder der Nato-Russland-Politik. Alles wie gehabt.
In der Parteispitze ist man sich einig: Ein Ende des Unvereinbarkeitsbeschlusses würde der Union schaden. Beruhigend ist auch, dass Merz seine Rolle als Parteivorsitzender mit dieser Festlegung verknüpft hat. So viel zu den guten Nachrichten. Trotzdem wird der Kanzler die Debatte um das Verhältnis zur AfD so schnell nicht wieder loswerden, und das hat er sich selbst zuzuschreiben. Denn auch wenn die offizielle Brandmauer steht, die Merz gar nicht mehr so nennen mag, wackelt der Kanzler an zwei anderen Mauern.
Da ist die strategische Brandmauer: Merz und die Union haben die AfD zum „Hauptgegner“ erklärt. Diese Festlegung ist zweischneidig. Es ist richtig, die Bekämpfung der Partei, die in Umfragen teils bei 25 Prozent liegt, zum größten Ziel zu erklären. Gleichzeitig darf diese Festlegung keine inhaltliche Verengung bedeuten. Studien, aber auch die Erfahrung erfolgreicher kommunaler Wahlkämpfe zeigen: Klein kriegt man die Partei nur, wenn man sich um andere Themen als Migration und Innere Sicherheit bemüht und die Rechtsextremen nicht ernster nimmt, als sie sind. Die AfD gewinnt Umfragen, aber keine Wahlen.

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Die andere Mauer, an der Merz wackelt, ist eine rhetorische. Am Montag bekräftigte er seine Aussagen zum „Problem im Stadtbild“, dem seine Regierung nun mit Abschiebungen begegne. Statt die Debatte einzufangen, hat der Kanzler sich entschieden, weiter zu raunen. Man solle die eigenen Töchter fragen, sagte er: „Alle bestätigen, dass das ein Problem ist, spätestens mit Einbruch der Dunkelheit“. Was „das“ ist, sagt Merz nicht. Über die AfD sagte der Kanzler, sie wolle „spalten und ist nicht an Lösungen interessiert“. Aber der Kanzler spaltet mit.
Merz will dem Eindruck entgegentreten, dass die Union ihre Politik mit der AfD längst besser durchsetzen könnte. Doch dafür müsste Merz einen Weg finden, konservative Positionen zu äußern, ohne dabei das gesellschaftlichem Klima mit rechtem Geraune zu vergiften. Merz wiederhole es immer wieder, wie ein „Mantra“, sagt er: Es gebe mit der AfD „keine Gemeinsamkeit“. Sollte es dem Kanzler nicht zu denken geben, wenn ihm diese Botschaft nicht geglaubt wird?
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