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Stadtbild-Äußerung des KanzlersFriedrich Merz wackelt an der Brandmauer

Kersten Augustin

Kommentar von

Kersten Augustin

Kanzler Merz und seine CDU wollen sich von der AfD abgrenzen. Doch so lange sie Strategie und Rhetorik nicht ändern, kann man das nicht so recht glauben.

Bundeskanzler Friedrich Merz beteuert bei einem Bürgergespräch: „Keine Zusammenarbeit mit AfD mit mir als Parteichef“, am 18.10.25 Foto: Christoph Reichwein/dpa

D ie CDU hat ihren Umgang mit der AfD debattiert. Änderungen hat sie nicht beschlossen – die Frage ist, ob das schon als gute Nachricht durchgeht. Es werde keine Zusammenarbeit mit dieser Partei geben, legte der Kanzler sich einmal mehr fest. Stattdessen will die Union die Unterschiede deutlicher machen, etwa in der Wirtschafts- oder der Nato-Russland-Politik. Alles wie gehabt.

In der Parteispitze ist man sich einig: Ein Ende des Unvereinbarkeitsbeschlusses würde der Union schaden. Beruhigend ist auch, dass Merz seine Rolle als Parteivorsitzender mit dieser Festlegung verknüpft hat. So viel zu den guten Nachrichten. Trotzdem wird der Kanzler die Debatte um das Verhältnis zur AfD so schnell nicht wieder loswerden, und das hat er sich selbst zuzuschreiben. Denn auch wenn die offizielle Brandmauer steht, die Merz gar nicht mehr so nennen mag, wackelt der Kanzler an zwei anderen Mauern.

Da ist die strategische Brandmauer: Merz und die Union haben die AfD zum „Hauptgegner“ erklärt. Diese Festlegung ist zweischneidig. Es ist richtig, die Bekämpfung der Partei, die in Umfragen teils bei 25 Prozent liegt, zum größten Ziel zu erklären. Gleichzeitig darf diese Festlegung keine inhaltliche Verengung bedeuten. Studien, aber auch die Erfahrung erfolgreicher kommunaler Wahlkämpfe zeigen: Klein kriegt man die Partei nur, wenn man sich um andere Themen als Migration und Innere Sicherheit bemüht und die Rechtsextremen nicht ernster nimmt, als sie sind. Die AfD gewinnt Umfragen, aber keine Wahlen.

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Die andere Mauer, an der Merz wackelt, ist eine rhetorische. Am Montag bekräftigte er seine Aussagen zum „Problem im Stadtbild“, dem seine Regierung nun mit Abschiebungen begegne. Statt die Debatte einzufangen, hat der Kanzler sich entschieden, weiter zu raunen. Man solle die eigenen Töchter fragen, sagte er: „Alle bestätigen, dass das ein Problem ist, spätestens mit Einbruch der Dunkelheit“. Was „das“ ist, sagt Merz nicht. Über die AfD sagte der Kanzler, sie wolle „spalten und ist nicht an Lösungen interessiert“. Aber der Kanzler spaltet mit.

Merz will dem Eindruck entgegentreten, dass die Union ihre Politik mit der AfD längst besser durchsetzen könnte. Doch dafür müsste Merz einen Weg finden, konservative Positionen zu äußern, ohne dabei das gesellschaftlichem Klima mit rechtem Geraune zu vergiften. Merz wiederhole es immer wieder, wie ein „Mantra“, sagt er: Es gebe mit der AfD „keine Gemeinsamkeit“. Sollte es dem Kanzler nicht zu denken geben, wenn ihm diese Botschaft nicht geglaubt wird?

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Kersten Augustin
Ressortleiter Inland
Kersten Augustin leitet das innenpolitische Ressort der taz. Geboren 1988 in Hamburg. Er studierte in Berlin, Jerusalem und Ramallah und wurde an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München ausgebildet. 2015 wurde er Redakteur der taz.am wochenende. 2022 wurde er stellvertretender Ressortleiter der neu gegründeten wochentaz und leitete das Politikteam der Wochenzeitung. In der wochentaz schreibt er die Kolumne „Materie“. Seine Recherchen wurden mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Langem Atem und dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet.
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1 Kommentar

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    Kompetenzverlust



    Die letzten KanzlerInnen haben versucht, die Gesellschaft zu einen und Probleme zu lösen.



    Merz ist der Hut zu groß.



    Er ist Populist. Seine unbedachten Äußerungen sind als Oppositionspolitiker aufmerksamkeitserregend, von "afd" Positionen aber kaum zu unterscheiden.



    Die geistigen MINIs orientieren sich an der MAGA. Mit der derzeitigen Abschottung durch den Innenmini wird kein Problem gelöst.



    Es ist , angelehnt an die Trump Politik, nur Theater. Ein solches Vorgehen ist weder für unsere Wirtschaft zielführend, die Arbeitskräfte braucht, noch gesellschaftsstiftend, da Integration nur von beiden Seiten gleichzeitig funktioniert.



    Der InnenMini täte gut daran, die Polizei mit Technik gegen Drohnen auszustatten, anstatt das Problem auf die Bundeswehr abwälzen zu wollen.



    Finanziell ist die Amokfahrt des Ministers ebenfalls unzeitgemäß.



    Dass die Union nicht mit Geld umgehen kann, sieht man an Spahn.



    Die Wirtschaftsmini macht Politik gegen die Wachstumsbranche reg. Energie, was angesichts der Wirtschaftslage kontraproduktiv ist.



    Inkompetenz gibt es eben nicht nur beim Kanzler selbst, sondern bei der gesamten Union - mit der ist kein Staat zu machen.