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Öffentlich-Rechtlicher RundfunkWidersprüchliche Medienpolitik

Weil die Bundesländer sich nicht einigen können, herrscht bei den Öffentlich-Rechtlichen extremer Reformstau. Das befeuert die Narrative von Antidemokraten.

Bringt das Dilemma in Sachen Reform der Finanzierung auf den Punkt: Medienstaats-sekretärin Heike Raab (SPD) Foto: dts Nachrichtenagentur/imago

E s war der geheimste Wettlauf in der Geschichte der Bundesrepublik. Doch nun steht die Siegerin fest. Das Rennen, ob die Medienpolitik eine Reform des Finanzierungsverfahrens für ARD, ZDF und Deutschlandradio eher schafft oder die taz mit ihrem seit über einem Jahrzehnt diskutierten Verzicht auf Papier unter der Woche zu Potte kommt, hat die taz für sich entschieden.

Das ist ein Grund zum Feiern, aber leider mit einer Träne im Knopfloch. Nicht wegen der nicht mehr erscheinenden Papierausgabe. Und falls sich jemand zu früh freut, keine Bange. Auch diese Kolumne fällt nicht weg, sondern wird weiter Flimmern und Rauschen. Von Rascheln war ja nie die Rede.

Es geht vielmehr um die Medienpolitik, die sich mal wieder in trauter Zwietracht selbst blockiert. Die trotzdem meistens gut gelaunte Medienstaatssekretärin Heike Raab (SPD) aus Rheinland-Pfalz hat das eben hübsch auf den Punkt gebracht. 13 Länder seien sich in Sachen Reform der Finanzierung im Wesentlichen einig, hat sie letzte Woche nochmal den Kol­le­g*in­nen vom Online-Mediendienst „dwdl“ bestätigt.

„Mit dieser Mehrheit könnte man das Grundgesetz ändern, aktuell aber nicht den Rundfunkbeitrag erhöhen.“ Oder eben das Verfahren reformieren, wie dieser berechnet und festgelegt wird. Da gibt es zwar einen Kompromiss bei den zuständigen Ländern, doch der hängt weiter in der Luft. Denn Medienpolitik funktioniert nach dem Motto „Einstimmig oder gar nicht“.

Am langen Arm verhungert

Was zum absurden Zustand führt, dass die Sender ihren Finanzbedarf weiter nach dem alten Verfahren angemeldet haben. Das formal weiterhin gilt, aber von den zuständigen Ländern schon beim letzten Mal ignoriert worden ist. Für den ÖRR ist das eine offene Flanke, weil er sich so prima weiter als „Ihr kriegt den Hals nicht voll und ignoriert die Lage“-Truppe bekritteln lassen muss.

Sachsen und Bayern haben zudem erklärt, sie wollen erst über den eigentlich erzielten Kompromiss abstimmen, wenn das Bundesverfassungsgericht gesprochen hat. Dort läuft ja eine Klage der Sender, weil die eigentlich schon in diesem Jahr geplante Beitragserhöhung ausgefallen ist.

Es hat aber unlängst erklärt, das erst 2026 zu tun. So verhungert alles am langen Arm der Zuständigkeiten und kann derweil prima zerredet werden. Auch der davon abgekoppelte Reformstaatsvertrag für die Öffentlich-Rechtlichen ist noch nicht durch. Weil gleichzeitig Teile der Unionspolitik das AfD-Narrativ vom gesinnungslinken Senderhaufen befeuern, geht die Saat der Antidemokraten immer weiter auf.

Die AfD ließe sich übrigens mit einer Zweidrittelmehrheit verbieten. In der Medienpolitik reicht die wie gesagt nicht. „Ist das auch ein geheimes oder ein offenes Wettrennen?“, fragt die Mitbewohnerin.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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