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Autor über Politik in der Comic-Kultur„Es wird okkupiert, was Leute in die rechte Szene treibt“

Die Comicszene ist eigentlich links, aber die rechte Szene benutzt die Erzählform für Propaganda. Zeichner Nils Oskamp darüber, warum das verfängt.

Wird die rechte Comicszene nicht gern sehen: Antifaschistischer Comic von Nils Oskamp Foto: Nils Oskamp/Panini
Leo Schurbohm

Interview von

Leo Schurbohm

taz: Herr Oskamp, warum wird von einer rechten Comickultur gesprochen?

Nils Oskamp: Rechte versuchen generell, alles, was wirksam ist und Masse bringt, als Propaganda zu missbrauchen. Als ich 13 Jahre alt war, wäre rechter Hip-Hop undenkbar gewesen, das war für die Rechten Besatzermusik. Es wird immer das okkupiert, was Leute in die rechte Szene treiben kann, und die Rechten versuchen, daraus eine pseudokulturelle Szene aufzubauen. Das sehen wir jetzt auch bei Comics. Sie bezeichnen es selber als Aufbau eines Kulturkampfes.

taz: Also dienen Comics hauptsächlich Propagandazwecken?

Oskamp: Ja, sicher. Die Rechten wollen halt Meinungsfelder bilden. Aber die Comics sind manchmal total Hirn-befreit. Zeichnen können einige der Verfasser, aber Storytelling irgendwie nicht. Das ist erschreckend schlecht, was da so rauskommt.

Bild: Nils Oskamp/Panini
Im Interview: Nils Oskamp

geb. 1969, Grafikdesigner, Illustrator, Trickfilmer, Comiczeichner und Autor des Graphic Novel über die Dortmunder Neonaziszene „Drei Steine“

taz: Inwiefern?

Oskamp: Man sieht es etwa bei Hydra Comics, dem rechten deutschen Comicverlag. In ihrer ersten Ausgabe war eine Back-to-the-Future-Storyline, mit der das Attentat vom Breitscheidplatz rückgängig gemacht werden sollte. Das kann man sich selbst auf Drogen nicht schlechter ausdenken.

taz: Zeichnen Rechte anders?

Nils Oskamp: Die meisten kopieren Stile anderer. Camille Marsault, ein extrem rechter französischer Zeichner, kopiert etwa den Stil von Marcel Gotlib, der war total links. Es gibt relativ wenig gute rechte Zeichner.

taz: Was macht Comics zu einem guten Mittel, um rechte Narrative zu verpacken?

Oskamp: Es ist niedrigschwellig. So werden besonders Leute erreicht, die wenig Allgemeinbildung haben. Das ist dann natürlich verfänglich. Genau wie die ganzen Narrative, die da unterstützt werden, der vermeintlich große Bevölkerungsaustausch und die vielen rassistischen Desinformationen, die da so im rechten Raum kreisen.

Vortrag

„Comickultur von Rechts“ im Rahmen des Bremer Zine Festival, 24.10., 15:30 Uhr, Städtische Galerie Bremen

taz: Und wie geht das weiter?

Oskamp: Die An­hän­ge­r:in­nen des Rechtsradikalismus werden immer jünger, das ist natürlich verlockend, dort anzusetzen. Es wird aber rasant gefährlicher, durch KI-Bildgenerierung haben viele Zeichner ihre Einnahmemöglichkeiten verloren. Der rechten Szene platzt das Geld ja aus allen Taschen, deshalb werden die sich jetzt vermutlich Leute einkaufen können.

taz: Wie hat sich in Deutschland die rechte Comicszene entwickelt?

Oskamp: Rechte Comics gibt es schon lange. Das fängt an mit den Cartoons der NS-Propaganda und geht über „Fix und Foxi“-Macher Rolf Kauka weiter, der in der ersten Lizenzausgabe von Asterix aus dem gallischen Dorf eine germanische Siedlung machte, die sich gegen die alliierte Besatzer wehrte. Eigentlich ist die deutsche Comicszene eher links und politisch aufgeklärt, aber es gibt immer wieder Unterwanderungsversuche. Generell haben wir in Deutschland jedoch ja keine ausgeprägte Comickultur. Wir sind eher Entwicklungsland in Sachen Comics.

taz: Wie werden Comics aktuell in der rechten Szene genutzt?

Oskamp: Für die Landtagswahlen in Thüringen gab es etwa einen Wahlkampfcomic für Björn Höcke.

taz: Spielen Comics bei der AfD eine klare Rolle?

Oskamp: Alles, was Leute reinzieht. Die haben ja auch bei Social Media schon einen langen Vorsprung. Sie versuchen mit dem Medium den Anschluss an die Jugend zu behalten. Es wird auch kommen, dass Comics zu Social-Media-Content verbunden werden.

taz: Ist es wichtig, gerade jetzt ein Augenmerk auf die rechte Comicszene zu richten?

Oskamp: Generell sollte man alles im Blick behalten, was Faschisten viele Follower bringen kann. Wenn das noch mit modernen Propagandatechniken kombiniert wird, wird es brandgefährlich. Die Vernetzung der neuen rechten Organisationen ist komplex, man kann Comic nicht als Einzelmedium sehen, sondern es ist Bestandteil einer kompletten Medienstrategie.

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