Friedrich Merz ist kein Feminist: Im Namen der Töchter
Merz sieht Frauen wegen Migration in Gefahr, hat sich aber nie für ihren Schutz interessiert. „Die Töchter“ schiebt er als rhetorisches Mittel vor.

B ei der Bundestagswahl 2025 schnitt die CDU bei kaum einer Bevölkerungsgruppe schlechter ab als bei jungen Frauen in Städten. Armselige 9 Prozent bekam die Partei von denjenigen, für die sich die Union mit ihrer Abschiebepolitik angeblich einsetzt. Denjenigen, die es laut dem Vater von Töchtern und Bundeskanzler, Friedrich Merz, zu schützen gilt.
Nach Merz’ Auftritt vergangene Woche in Brandenburg, wo er erklärte, dass sich Migration noch immer als Problem im Stadtbild zeige, gab ihm ein Journalist wenige Tage später die Möglichkeit, sich für diese offensichtlich rassistische Aussage zu entschuldigen. Doch Merz blieb dabei: „Fragen Sie ihre Töchter […]. Alle bestätigen, dass das ein Problem ist“, antwortete Merz grinsend.
Der Kanzler versucht also ernsthaft, sich als Beschützer der Töchter des Landes zu stilisieren. Wenn Merz in der Vergangenheit aber eines bewiesen hat, dann, dass ihm der Schutz von Frauen egal ist. Er schiebt die Tochter lediglich als fiktive Zeugin vor, die ihn in seiner rassistischen Aussage rechtfertigen soll.
Nicht zum ersten Mal taucht die Tochter als rhetorisches Mittel auf. Ob Merz vielleicht ein Frauenproblem hat, genauer, ob er ihnen nicht vertraue, hatte man seinen Regierungssprecher im Mai 2025 gefragt, als Kritik darüber laut wurde, dass verhältnismäßig wenige Frauen in den Gremien der Bundesregierung säßen. Der antwortete: „Er hat selber eine [Frau], er hat mehrere Töchter. Der Bundeskanzler arbeitet gut und gerne mit Frauen zusammen.“
Instrumentalisierte Sorge ums Wohlergehen von Frauen
Beweise dafür, dass Feminist Friedrich doch nicht so feministisch ist, sind schnell gefunden. 1997 etwa stimmte er gegen einen Gesetzentwurf, der die Vergewaltigung in der Ehe strafbar machen sollte. Wenn Frauen also sexualisierte Gewalt erfahren, dann bitte vom eigenen Ehemann und nicht vom Fremden auf der Straße. Zwar sagte er 2024, dass er heute nicht mehr so stimmen würde – doch allein dass das Gegenteil für ihn einmal denkbar war, entlarvt ihn.
Ebenso wie die Tatsache, dass er 2006 als einer von nur 18 CDU-Abgeordneten gegen das Gleichbehandlungsgesetz stimmte. Das soll Menschen vor Diskriminierung im Alltag, Beruf oder bei der Wohnungssuche schützen – auch vor Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts.
Dass er seine Sorge um das Wohlergehen von Frauen instrumentalisiert, um die eigene Agenda zu pushen, beweist auch sein Votum gegen die Reform des Paragrafen 218, mit der Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche entkriminalisiert werden sollte. Dabei hielten es sogar 77,5 Prozent der Unions-Wähler_innen laut einer repräsentativen Umfrage für falsch, dass solche Schwangerschaftsabbrüche rechtswidrig seien.
Er propagiert das Bild des gefährlichen Ausländers
Seinen Wunsch, Frauen zu schützen, hätte Merz da wunderbar realisieren können. Offensichtlich folgt er aber einer Logik, wie man zuletzt prominent bei den rechtsextremen „Unite the Kingdom“-Demonstrationen gegen Migration in Großbritannien beobachten konnte: Der Schutz von Frauen ist nur dann ein Anliegen, wenn er gegen eine andere marginalisierte Gruppe ausgespielt werden kann.
Im aktuellen Fall sind es Menschen, die migrantisch gelesen werden – auch in England sah man Dutzende „Protect our women“-Banner. In anderen Fällen waren es etwa trans Frauen, die cis Frauen angeblich auf Toiletten belästigen oder im Sport keine Chance ließen.
Würde Merz tatsächlich auf die Töchter des Landes hören, würde er bemerken, dass sein Narrativ ins Leere läuft. Nicht umsonst wählen gerade junge Frauen seltener Union. Doch er hört ihnen nicht zu, er nutzt sie lediglich als rhetorische Figur aus.
Merz meint außerdem nicht alle Töchter. Gleichgültig sind ihm wahrscheinlich jene Töchter, die jetzt Rassismuserfahrungen machen, weil seine Aussagen das Bild des gefährlichen Ausländers weiter propagieren. Oder die Töchter, die nach Deutschland kommen, weil sie vielleicht vor einem Krieg fliehen und in ihren Unterkünften dann rechte Angriffe aushalten müssen. Egal sind ihm auch die Töchter, die unrechtmäßig abgeschoben werden. Und die Töchter, deren Brüder, Söhne und Väter er als potenzielle Bedrohung der weißen Frau stigmatisiert.
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