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Justiz in RusslandKnast für 14-Jährige

In Russland soll das Alter der Strafmündigkeit bei Verurteilung wegen Sabotage gesenkt werden. 2025 wurden bereits zwölf Minderjährige verurteilt.

Wer als Jugendlicher nicht spurt, riskiert schon mit 14 in den Knast zu kommen Foto: Alexander Kazakov/Sputnik/reuters

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Vera Bessonova aus Moskau

Wenn die russische Staatsduma als geschlossene Front auftritt, verheißt das nichts Gutes. Am Montag reichten 419 der 450 Abgeordneten eine Gesetzesinitiative ein, die das Alter der vollen Strafmündigkeit bei Sabotage von bislang sechzehn auf vierzehn Jahre heruntersetzt.

Diese Änderung betrifft nicht nur die unmittelbare Ausführung eines Sabotageaktes, sondern gilt auch für die Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die Sabotage plant. Weitere Neuerungen: Wer Minderjährige zu Sabotage anstiftet, erhält lebenslänglich. Verjährungsfristen und Bewährungsstrafen sollen bei solchen Straftaten ganz wegfallen, eine vorzeitige Haftentlassung wäre nur noch im absoluten Ausnahmefall denkbar.

Au­to­r:in­nen der Initiative sind unter anderem der Parlamentsvorsitzende Wjatscheslaw Wolodin und seine Stellvertreterin Irina Jarowaja, beide seit Jahren für ihren scharfen antiwestlichen Tonfall bekannt, sowie alle Fraktionsführer der Duma. Auf volle Unterstützung traf das Vorhaben sowohl beim obersten Gericht als auch in der Regierung. Man darf also sicher sein, dass einer Verabschiedung nichts im Wege steht.

Sabotage und Terroranschläge

Laut Artikel 205 des Strafgesetzbuches ist Sabotage ein Akt gegen die Wirtschaftssicherheit und Verteidigungsfähigkeit Russlands, explizit genannt werden Explosionen und Brandanschläge auf Infrastrukturobjekte. Terroranschläge hingegen zielen darauf ab, den Staat zu destabilisieren und die Bevölkerung zu verängstigen. Bislang beträgt die Freiheitsstrafe bei Sabotageakten zehn bis zwölf Jahre, bei Anschlägen auf militärische Objekte oder Atomanlagen sogar bis zu zwanzig Jahre.

Krieg in der Ukraine

Mit dem Einmarsch im 24. Februar 2022 begann der groß angelegte russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Bereits im März 2014 erfolgte die Annexion der Krim, kurz darauf entbrannte der Konflikt in den ostukrainischen Gebieten.

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In den dem Gesetzestext beiliegenden Erläuterungen wird die Altersabsenkung mit der Schwere einer solchen Tat begründet, die „vorsätzlich begangen wird und für die Gesellschaft eine besondere Gefahr darstellt“. Somit könnten Sicherheit und Gesundheit der Bevölkerung gewahrt werden. Faktisch werden bereits hinsichtlich der Ahndung von Terroranschlägen geltende Bestimmungen auf Sabotagefälle ausgeweitet.

In seinem Telegram-Kanal führte Wasilij Piskarjow, Vorsitzender des Duma-Ausschusses zur Untersuchung der Einmischung ausländischer Staaten in die inneren Angelegenheiten Russlands und Mitglied im Ausschuss zur Untersuchung von Straftaten gegenüber Minderjährigen seitens des „Kyjiwer Regimes“, aus, dass die Ukraine und die Nato-Staaten eine ausgefeilte Taktik zur ideologischen und psychologischen Einwirkung auf russische Staatsangehörige entwickelt hätten.

Strafmündigkeit als Prophylaxe

Besonders wichtig sei deshalb, so Piskarjow, der „Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Anwerbungsversuchen in destruktive Netzwerke“. Denn der Gegner gaukele ihnen Straffreiheit vor. Deshalb sei volle Strafmündigkeit ab vierzehn Jahren auch ein Prophylaxemittel.

Gar nicht erwähnt wird die Ursache für zunehmende Anwerbungsversuche Minderjähriger – Russlands aggressiver Angriffskrieg gegen die Ukraine. Das unabhängige russische Rechercheportal Important Storiesveröffentlichte am Dienstag eine Auswertung der offiziellen statistischen Angaben der Justizabteilung beim obersten Gerichtshof: 48 Personen wurden im ersten Halbjahr 2025 wegen Sabotage verurteilt, darunter zwölf Jugendliche. Vor der Großinvasion gab es praktisch keine Verurteilungen wegen Sabotage, bis 2023 auch keine deshalb verurteilten Minderjährigen.

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