Antisemitismusbeauftragte in den Medien: Die Presse soll noch Staatsräson-tauglicher werden
Felix Klein fordert Antisemitismusbeauftragte für die Rundfunkanstalten. Was er eigentlich meint: Jemand soll die Darstellung Israels überwachen.

I nzwischen ist kaum noch zu sagen, wie viele Antisemitismusbeauftragte Deutschland hat. Von den Landesregierungen über Staatsanwaltschaften und Polizeidirektionen bis hin zu Universitäten und Berliner Bezirken sind Posten entstanden, die es vor 2018 praktisch nicht gab – besetzt fast ausschließlich von Nichtjuden. Was all diese Beauftragten eigentlich tun, welche Expertise sie besitzen, in wessen Namen sie handeln und welchem Zweck sie dienen, weiß kaum jemand. Doch der ranghöchste unter ihnen, der Antisemitismusbeauftragte des Bundes, Felix Klein, will noch mehr solche Posten schaffen.
Am Wochenende erklärte Klein gegenüber der Welt am Sonntag, es sei „ausgesprochen wichtig“, dass auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eigene Ansprechpartner für „Antisemitismusfragen“ einstellen – vor allem in den Redaktionen, die täglich über Themen und Deutungen für die Öffentlichkeit entscheiden. Wenn „Israel als Aggressor“ und „als Urheber des Leids“ erscheine, so Klein, „entsteht ein falsches Bild“. Deshalb sollte es beim Öffentlichen-rechtlichen „nicht nur um Fakten“ gehen, „sondern um die Vermittlung von Haltung“. Und diese Haltung, um die es ihm eigentlich geht, soll bitte staatsräson-tauglich zertifiziert sein.
Welche Eingriffsmöglichkeiten diese neuen Beamten in die Berichterstattung hätten, ist noch unklar. Angesichts der Äußerung von Merz, er und seine Regierung würden „Antisemitismus auch im Gewand der vermeintlichen Freiheit der Kunst, der Kultur und der Wissenschaft nicht dulden“, scheint nun auch die Freiheit der Medien für die Bundesregierung, zumindest in diesem Bereich, nur noch als vermeintlich zu gelten. Und das in einer Zeit, in der die Mehrheit der Deutschen ohnehin wenig Vertrauen in die Ausgewogenheit der Nahost-Berichterstattung der großen Medienhäuser hat – und, wie Recherchen zeigen, gar nicht zu Unrecht.

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So gesehen braucht es diese kleinen Antisemitismusbeauftragten vielleicht gar nicht mehr – sie sitzen längst in den Köpfen vieler Redakteure. Am Montag zeigte sich das, als der Leiter des ZDF-Studios in Tel Aviv, Thomas Reichart, den Tod eines palästinensischen Fernsehtechnikers kommentierte, der im Gazastreifen für ein mit dem ZDF kooperierendes Medienunternehmen arbeitete. Reichart zitierte die Version des israelischen Militärs, wonach der Mann ein Hamas-Kommandeur gewesen sei. Doch als er hinzufügen wollte: „Allerdings bleibt Israels Armee jeden Beleg für diesen Vorwurf schuldig“, stockte er beim letzten Wort – als wäre schon die Verbindung von Israel und Schuld in einem Satz ein Verstoß gegen den internen Kodex.
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