Andrej Babiš in Tschechien: Rechtsbündnis nimmt Formen an
Andrej Babiš, Sieger bei den Parlamentswahlen, hat den Regierungsbildungsauftrag erhalten. Schon bald könnte es eine Einigung über eine Dreierkoalition geben.
Der tschechische Präsident Petr Pavel hat Wahlsieger Andrej Babiš am Montag offiziell mit der Regierungsbildung beauftragt. Der rechtspopulistische Milliardär, dessen ANO mit 34,5 Prozent bei der Parlamentswahl abräumte, will demnächst sein Kabinett präsentieren, gestützt auf ein Bündnis mit den „Motoristen“ und der rechtsradikalen „Freiheit und direkte Demokratie“-Partei (SPD).
Die drei Parteien verfügen zusammen über 108 der 200 Mandate. „Wir müssen noch zwei oder drei Widersprüche im Programm lösen“, räumt Babiš ein. Am Mittwoch tritt die Koalitionsrunde erneut zusammen, spätestens Mitte Dezember soll die Regierung stehen.
Mit dem Regierungsbildungsauftrag ist eine wichtige Hürde genommen, denn dem Präsidenten kommt eine entscheidende Rolle zu. Bei dem Auftrag handelt es sich jedoch um keinen verfassungsrechtlichen Schritt, sondern eine politische Usance. Präsident Pavel hatte diesmal kaum Alternativen zu Babiš – zu eindeutig war dessen Wahlsieg.
Die rechtsradikale SPD, die mit 7,8 Prozent leicht unter den Erwartungen blieb, erweist sich in den Koalitionsgesprächen als überraschend kooperativ. Obwohl die Partei für nationale Souveränität, strikte Migrationskontrolle und ein Referendum über die EU- und Nato-Mitgliedschaft eintritt, zeigt sie in den Verhandlungen Kompromissbereitschaft.
Auf Augenhöhe
„Es dürfte eher ein Problem mit den Prioritäten der Motoristen als mit denen der SPD sein“, heißt es aus ANO-Kreisen. Die Motoristen waren aus dem Stand auf 6,8 Prozent gekommen. Damit sind sie fast auf Augenhöhe mit der SPD und gingen selbstbewusst in die Verhandlungen.
Der Vize-ANO-Parteichef Karel Havlíček sagte gegenüber der Zeitung Hospodářské noviny, die Verhandlungen seien im Grunde abgeschlossen. Mittlerweile gehe es nur noch um „Formulierungsfragen“. Gut möglich, dass die Differenzen aber tiefer liegen, denn die Programme von ANO und Motoristen unterschieden sich grundlegend.
Die Motoristen forderten etwa einen ausgeglichenen Haushalt. Ein solcher ist aber unrealistisch angesichts des Budgetdefizits und Babiš’ Wahlversprechen, wie höhere Renten und günstige Hypotheken.
Heftige Kritik erntet die vorgesehene Übergabe des Umweltministeriums an die Motoristen. Über 700 Wissenschaftler protestierten, Umweltschützer warnen vor einer „Zerstörung“ des Ressorts. Noch brisanter: Filip Turk soll Außenminister werden, obwohl er durch rassistische Social-Media-Äußerungen auffiel.
Sprechen unter vier Augen
Die Motoristen beharren auf ihrer Personalie, doch Präsident Pavel hatte signalisiert, problematische Kandidaten notfalls abzulehnen. Vor der Vereidigung will er alle designierten Minister zum Vieraugengespräch treffen.
Noch offen ist, wie Babiš mit seinem Interessenkonflikt umgeht: Denn der designierte Ministerpräsident ist Eigentümer der von ihm 1993 gegründeten Agrofert, eines Mischkonzerns für Chemie, Agrarhandel und andere Sparten.
Mit mehr als 250 Unterfirmen, Zehntausenden Mitarbeitern und Umsätzen in Milliardenhöhe ist es eines der größten tschechischen Unternehmen. Was Babiš mit seinen Anteilen tun wird, ist unklar. Er wolle sich diesbezüglich noch vor seiner Vereidigung äußern, sagte Babiš. Auch Pavel legt Wert auf eine saubere Lösung.
Wenn es nach ihm geht, soll das Kabinett nach weiteren Verhandlungen Mitte Dezember gebildet sein. Es könnte auch deutlich schneller gehen. Die konstituierende Sitzung des neuen Parlaments ist für kommenden Montag angesetzt – für alle Beteiligten wäre es ein Erfolg, bis dahin zumindest grundsätzlich Einigkeit zu erzielen.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert