Massaker in Sudan: Hunderte Tote in einem Krankenhaus gemeldet
In einem Krankenhaus in der Stadt El Fasher soll die RSF-Miliz 460 Menschen getötet haben. Sudans Regierung behindert derweil humanitäre Hilfe.
taz | Nach der Eroberung der Stadt El Fasher in Sudans Westregion Darfur durch die aufständische Miliz RSF (Rapid Support Forces) am Sonntag und Montag werden immer mehr Berichte über Massaker bekannt. Der Direktor der Weltgesundheitsorganisation WHO erklärte am Mittwoch nachmittag, er sei „schockiert“ über Berichte, wonach die RSF in der Saudi-Geburtsklinik der Stadt 460 Menschen getötet habe. „Alle Angriffe auf die Gesundheitsversorgung müssen unverzüglich und bedingungslos enden“, so WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus weiter.
Die Totenzahlen wurden zuvor von lokalen Organisationen verbreitet. Das „Saudi Hospital“ in der Stadt war Berichten zufolge zuletzt das einzige noch funktionierende Krankenhaus in El Fasher. Am Montag besetzten RSF-Kämpfer das Gelände. „Alle Verwundeten und Verletzten im Saudi-Krankenhaus wurden kollektiv filtriert“, also nach ihrer ethnischen Zugehörigkeit geprüft, heißt es in einer Erklärung der „Koordination der Widerstandskomitees“ von El Fasher, „die Verwundeten hatten keine Überlebenschance.“ In sozialen Netzwerken kursieren Videoaufnahmen von RSF-Kämpfern, die im Krankenhaus durch Flure und Treppenhäuser gehen und auf am Boden herumliegende Menschen schießen.
Die „Widerstandskomitees“ sind in Sudan zusammen mit den „Emergency Response Rooms“ die zivilen Basisstrukturen der Demokratiebewegung, deren Aufstand 2019 den Sturz von Militärherrscher Omar Hassan al-Bashir ermöglichte und die danach vom inzwischen erneut herrschenden Militär ausgebootet wurden. Das Schicksal ihrer Aktivisten in El Fasher nach dem Fall der Stadt ist nicht bekannt.
Die Analysten der US-Universität Yale, die Satellitenaufnahmen von El Fasher auswerten, haben die Massentötungen ebenfalls bestätigt, ebenso weitere mutmaßliche Massaker von einem Gelände eines ehemaligen Kinderkrankenhauses. Am Montag hätten die Aufnahmen große Menschengruppen auf dem Gelände gezeigt, am Dienstag dann an denselben Stellen mutmaßliche große Leichenhaufen. Die Yale-Analysten sprechen auch von Tötungen entlang der Erdwälle, mit denen die RSF während ihrer Belagerung von El Fasher die Stadt abriegelte.
Regierung weist WFP-Leiter aus
Am Dienstag hatten Darfurs Rebellengruppen, die mit Sudans Armee gegen die RSF verbündet sind und am Sonntag und Montag gemeinsam mit der Armee aus El Fasher verjagt wurden, von mindestens 2000 Todesopfern der RSF in der Stadt und dem Umland in zwei Tagen gesprochen.
Sudans Militärregierung, die 2000 Kilometer östlich in Port Sudan am Roten Meer residiert, hat sich die Zahl zu eigen gemacht. Zugleich legt sie internationalen Hilfsorganisationen allerdings weiterhin Steine in den Weg bei den Bemühungen, humanitäre Hilfe zu den betroffenen Bevölkerungen zu bringen.
Am Mittwoch meldete das UN-Welternährungsprogramm WFP, sein Landesdirektor Laurent Bukera und seine Nothilfekoordinatorin Samantha Katraj in Sudan seien zu unerwünschten Personen erklärt und zur Ausreise binnen 72 Stunden aufgefordert worden. Gründe seien nicht genannt worden.
Laut Sudans amtlicher Nachrichtenagentur Suna hat die Regierung gesagt, sie kooperiere mit internationalen Hilfswerken auf der Grundlage des Respekts von staatlicher Souveränität. Das bedeutet gemeinhin, dass keine Hilfsaktivitäten ohne vorherige staatliche Genehmigung möglich sind.
Hilfswerke in Sudan haben in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, dass die Regierung Lebensmitteltransporte oder auch nur Reisen von Helfern innerhalb Sudans erst mit Verzögerung oder gar nicht erlaubt. Die RSF wiederum soll an Straßensperren Hilfstransporte ausrauben und Hilfsgüter plündern.
Laut UN-Migrationsorganisation IOM konnten am Montag und Dienstag mehr als 33.000 Menschen aus El Fasher fliehen. Vor der RSF-Einnahme lebten noch etwa 260.000 Menschen dort, davon 177.000 Kriegsvertriebene. Wie viele es jetzt noch sind, ist unklar.
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