piwik no script img

Nico Semsrott über AfD-Verbotsverfahren„Ordnung muss sein“

Der Satiriker Nico Semsrott will eine Prüfung verfassungsfeindlicher Parteien durch das Bundesverfassungsgericht erreichen. Dafür startet er eine neue Kampagne.

„Im Prüfen ist diese Gesellschaft stark“, sagt Nico Semsrott Foto: privat

taz: Herr Semsrott, die neue Mitte-Studie belegt, dass 50 Prozent der Menschen in Deutschland gegen Rechtsextremismus auf die Straße gehen würden. Überrascht Sie das?

Nico Semsrott: Überhaupt nicht. Ich glaube, wenn man ein bisschen mehr in die Debatte kommt, dann werden daraus auch 70 Prozent. Bei Umfragen zu einem AfD-Verbotsverfahren war die Resonanz fast immer halb-halb. Bei fast allen Stichwahlen in Deutschland, wo die Rechtsextremen beteiligt sind, stimmt die Mehrheit für Demokraten.

Bild: privat
Nico Semsrott

ist Satiriker und Kabarettist. Von 2019 bis 2024 war er Abgeordneter in Brüssel, ursprünglich für die Satirepartei „Die Partei“, aus der er vor vier Jahren austrat.

taz: Warum demonstriert dann nicht auch die Hälfte der Bevölkerung gegen rechts?

Semsrott: Als ich in Brüssel als EU-Abgeordneter war, haben mich Be­su­che­r:in­nen ständig gefragt: Ich möchte was tun, aber was? Das ist die Hauptfrage: Wie kann ich mit dem, was ich kann, etwas bewirken? Da gibt es oft ganz viele Fragezeichen. Das ist der Hauptgrund, warum Menschen sich nicht engagieren. Nicht, dass das Interesse fehlt, dass das Verständnis fehlt oder die Ressourcen fehlen, sondern dass ganz konkrete Werkzeuge und Ziele fehlen.

taz: Sie haben gerade die Kampagne „Prüf!“ („Prüfen rettet übrigens Freiheit!“) ins Leben gerufen. Was ist die Idee dahinter?

Semsrott: Im Prüfen ist diese Gesellschaft stark! Wenn wir uns angucken, was auch unser weltweites Image ausmacht, dann ist es das Prüfen: Der TÜV ist ’ne krasse Marke, Stiftung Warentest auch. Wir alle prüfen auf Vergleichsportalen die besten Angebote. Es ist irre, Leute fangen schon an, selbst Reels zu drehen, um zu zeigen, was bei ihnen alles geprüft wird. Da ist es doch nur schlüssig, dass wir auch bei der wichtigsten Frage – „Steht eine Partei auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung?“ – unbedingt prüfen müssen. Ordnung muss sein!

taz: Sie wollen, dass das Bundesverfassungsgericht ein AfD-Verbot prüft, aber planen Demonstrationen in den Hauptstädten der Bundesländer. Wieso?

Semsrott: Der formale Prozess hin zu einem Parteiverbotsverfahren ist klar. Das Grundgesetz gibt ihn vor. Starten kann ihn nur eine der drei antragsberechtigten Institutionen: Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat. In den Landeshauptstädten kommen wir leichter an die Verantwortlichen dran und können sagen: „Macht eure Aufgabe. Ihr habt alle Mittel, ihr habt eigene Sicherheitsbehörden. Nutzt das doch!“ Dann wäre das Bundesverfassungsgericht in der Verantwortung, das für die Prüfung eines Parteiverbots zuständig ist.

taz: Kri­ti­ke­r:in­nen wenden ein, ein AfD-Verbot könne scheitern und der Partei nützen.

Semsrott: Zu überlegen, was alles schieflaufen kann, ist immer eine schöne linke Fantasie. Da bin ich total dabei. Man kann sich wirklich ganz viele Gedanken machen.

taz: Sie sind auch „Demotivationstrainer“ …

Genau. Von da komme ich. Insofern ist meine kurze Antwort: Es kann alles schiefgehen, an allen Stellen. Der Punkt ist nur, die Ohnmachtserfahrung, die haben wir jetzt alle lange genug gelebt. Das hier ist eine ganz konkrete Vision. Und ich möchte betonen: Es geht tatsächlich nicht mal nur um die AfD, sondern es geht ums Prinzip: Bist du für die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder nicht? Es ist nicht akzeptabel, dass es trotz der Beweislast gegen gewisse Parteien, die wir haben, kein Verbotsverfahren gestartet wird.

taz: In Hamburg findet am Wochenende Ihre Auftaktveranstaltung statt. Womit darf da gerechnet werden?

Semsrott: Wir haben keine Ahnung, wie viele Leute kommen, wir sind alle total gespannt. Wenn wenige Leute kommen, dann ist das auch in Ordnung. Das muss nicht sofort einschlagen, der Plan ist einfach, darauf aufzubauen. Wir ziehen das Prüfen gnadenlos durch. Auch im Konzept und Bühnenprogramm: Wir prüfen gemeinsam Sprüche, machen sozusagen eine „Demo-Version“ der Demo. Das, was gut ankommt, machen wir beim nächsten Mal wieder. Das, was nicht gut ankommt, lassen wir einfach.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare