Natur, Kunst und Technik verbinden: Es tropft vor sich hin
Kann eine KI bei der Renaturierung helfen? Im E-Werk Luckenwalde denken Künstler:innen nach über das Verhältnis von Mensch, Natur und Technologie.
Unter der gebogenen Decke des Foyers wächst ein Olivenbaum, gepflanzt in einen großen Haufen terrassierter Erde auf den Eingangstreppen der Ausstellung. Die vielen Glühbirnen, die ihm von oben entgegenstrahlen, hüllen ihn in warmes Licht. Leise flüsternd läuft im Hintergrund Musik. Die Atmosphäre hüllt die Besucher:innen ein – eine herzliche Begrüßung in der Ausstellung „Mensch Maschine. Return to Earth“. Sie zeigt passenderweise: Am Anfang war die Natur – vor Industrialisierung, Digitalisierung und künstlicher Intelligenz. Ein lebender Baum als Metapher für Verwurzelung und Ursprünglichkeit ist an diesem Ort unerwartet und ein Vorgeschmack auf die Verknüpfungen, die hier entstehen.
Er steht im E-Werk in Luckenwalde, einem 20.000-Einwohner-Städtchen, eine Stunde südlich von Berlin. Das ehemalige Braunkohlekraftwerk befindet sich am Ortsausgang, in der Nachbarschaft zu einem verlassenen Schwimmbad und einem kleinen Dönerladen. Stipendiaten des Programms „Mensch Maschine“ präsentieren hier in einer Kooperation des E-Werks mit der Akademie der Künste Berlin eine große Gruppenausstellung, mitfinanziert von der E.ON Stiftung. Die Werke der neun Künstler:innen sind zwischen 2024 und 2025 im E-Werk und in der Akademie der Künste entstanden.
Hintergründe der Arbeiten sind komplexe Beziehungen zwischen Mensch, Technologie und Natur. Es sind vielfältige Ansätze, die die Künstler:innen hier verfolgen. Sie beziehen sich auf moderne digitale Technologien und eine Welt in der Klimakrise. Von Rückbesinnung auf das Natürliche und Spiritualität bis hin zu fantastischen KI-Welten. Dabei geht es nicht nur um das Verteufeln von Technologie, sondern auch um das Malen einer Zukunft, in der sie eine positive Rolle spielt.
„Mensch Maschine: Return to Earth“: E-Werk Luckenwalde, bis 22. Februar 2026
„Drown their models, keep the instruments“. Diesen Satz generiert B.A.R.I.Q., selbst eine KI, entwickelt vom Künstler Assem Hendawi, und ermutigt damit, KI nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Chance zu sehen. Gleichzeitig simuliert B.A.R.I.Q. den Wiederaufbau einer Küstenstadt mithilfe von KI nach einer Naturkatastrophe und zeichnet dabei utopische Bilder, bei denen aus in Trümmern liegenden Ruinen pink florierende Pflanzen blühen und Nordlichter am Himmel über dem Meer glühen.
Folgen des Ukraine-Krieges
Andere nutzen KI zum Übersetzen, damit Maschinen live übertragen, was woanders auf der Welt geschieht. So zeigt die Künstlerin Sonya Isupova die ökologischen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine. Im Juni 2023 wurde der Kachowka-Staudamm durch eine Explosion zerstört. Die Folge ist die Rückeroberung der Landschaft durch den Fluss Dnipro. Isupovas Werk überträgt die Live-Daten des Wasserindexes und druckt sie durch eine selbstgebaute Kartografiemaschine mit blauer Farbe als eine Karte auf ein endlos langes Blatt Papier. An Seilen ist es durch den Raum gespannt, in dem noch die alten Dampfkessel des Energiewerks stehen. Das Werk erweitert sich stetig, scheinbar endlos summt der Drucker als fortwährende Klangkulisse.
Ein paar Räume weiter entsteht etwas ganz anders Aussehendes nach demselben Prinzip. Rae Hsu übersetzt Finanzströme in Wasserströme. Nvidia ist ein führender Hersteller von Grafikprozessoren, die bei KIs zum Einsatz kommen. Die Echtzeit-Schwankungen der Aktie steuern eine Wasserpumpe und dadurch die Fließgeschwindigkeit eines aus kleinen Schläuchen bestehenden Brunnens. Aktuell tropft es gemäßigt vor sich hin. Es ist ein Sichtbarmachen, denn sowohl die elektronischen Rechenzentren für die KI als auch für den Finanzmarkt verbrauchen immens viel Kühlwasser.
Das Wasser bändigen, das Wasser ausnutzen
Beide Werke zeigen auf innovative Weise, wie verschränkt Technologie und Natur sind, wie die eine die andere bändigt oder ausnutzt. Das E-Werk Luckenwalde eröffnet einen Raum für Kunst, wo es häufig keinen gibt. Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD) betonte bei der Eröffnung, dass das Projekt eine wichtige kulturelle Bedeutung für die Gegend habe.
Dennoch: „Verstehen Sie das?“, fragt zwischendurch eine Besucherin die andere. Die tiefgreifende Bedeutung ist leider nicht uneingeschränkt zugänglich. Wer die Ausstellung besucht, muss Geduld mitbringen, um die akademischen Texte, die sich hinter den QR-Codes an der Wand verbergen, zu lesen, oder sich in einem Zustand leichter Verwirrung über die Hintergründe wohl fühlen.
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