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Bürgermeisterwahl in New YorkWarum SPD und Grüne keinen Mamdani-Moment erzeugen können

Pauline Jäckels

Kommentar von

Pauline Jäckels

Zohran Mamdanis Strategie könnten hiesige Mitte-Links-Parteien zwar nachahmen. Um eine ganze Generation zu inspirieren, braucht es aber deutlich mehr.

Zohran Mamdanis großer Trumpf: seine charismatische Zugewandtheit Foto: Ricardo Arduengo/reuters

N och vor einem Jahr kannte ihn kaum jemand – am Mittwoch wurde der demokratische Sozialist Zohran Mamdani zum Bürgermeister von New York gewählt. Wider die offenen Drohungen von US-Präsident Donald Trump, wider die Millionenbeträge, die namhafte Milliardäre in Anti-Mamdani-Kampagnen gesteckt haben, wider die karge Unterstützung aus seiner eigenen Partei.

Viele deutsche Linke blicken nun sehnsüchtig nach New York und fragen sich: Wo bleibt unser Zohran Mamdani? Linke Parteien oder solche, die sich links wähnen, wollen auf den Siegeszug aufspringen und versuchen plötzlich, sich mit ihm und seiner Politik zu assoziieren. Nur lassen insbesondere SPD und Grüne dabei völlig außer Acht, warum sie nicht imstande wären, einen solchen Moment zu rekreieren.

Zunächst einmal zu den Gründen für Mamdanis Sieg. Da ist zum einen natürlich sein persönliches Talent: Mamdanis charismatische Zugewandtheit, mit der er sogar Uninteressierte und Andersgesinnte von sich zu begeistern vermag, und seine Schlagfertigkeit, die ihn auch nach einem Zwölf-Stunden-Tag nicht verlässt.

Dazu kommt eine PR-Kampagne, die von Menschen konzipiert wurde, die wissen, wie das Internet funktioniert: hochwertig produzierte Videoformate, die Mamdani und seine Botschaft perfekt in Szene setzten, kultige Meme-Momente, unzählige Auftritte mit Influencern, die ihre Millionen-Followerschaft bereitwillig zur Verfügung stellten.

Und dann ist da noch eine extrem dankbare Gegnerschaft: Andrew Cuomo, ein wirklich alter, weißer, vom Großkapital unterstützter Establishment-Demokrat mit dem Charisma eines Postbeamten – der perfekte Antagonist also für den jungen Parteirebellen.

Die große und die kleine Utopie des Zohran Mamdani

All diese Faktoren waren relevant. Doch entscheidend war etwas anderes. Mamdani verkörpert glaubhaft, wonach so viele Menschen in einer immer dystopischer anmutenden Zeit dürsten: eine Utopie, an der sie auch noch selbst mitwirken konnten. Da ist die kleine Utopie des Zohran Mamdani: von einem anderen New York, in dem Wohnungen bezahlbar sind, in dem es kommunale Supermärkte mit niedrigen Preisen gibt, kostenlose Busse und Kitas für alle. Eine Stadt, die von einem Mann regiert wird, der nicht im Interesse der Reichen, sondern im Interesse der vielen agiert.

Und dann ist da noch eine größere Utopie: von einer anderen Welt, in der es eine Alternative gibt zum profitgetriebenen Techno-Faschismus der Rechtskonservativen und dem etwas freundlicher daherkommenden Neoliberalismus der Liberalen, der gleichermaßen die Interessen der Reichen an erste Stelle setzt. Mamdani ist zwar nicht der systemstürzende Kommunist, zu dem ihn seine Gegner machen wollen. Doch seine Kampagne öffnete Raum, zu träumen, dass doch alles anders sein könnte.

Natürlich können auch Grüne und SPD sich in ihren Wahlkämpfen strategisch an der Mamdani-Kampagne oder dem in vielerlei Hinsicht ähnlichen Bundestagswahlkampf der Linkspartei orientieren. Runtergebrochen ist die Formel banal: drei Kernthemen, die die Sorgen der breiten Masse ansprechen, Lösungsvorschläge in knappe Slogans packen und diese über eine kluge Social-Media-Strategie bewerben. Wer aber denkt, das allein reiche aus, um Massen an veränderungsdürstigen Menschen hinter sich zu vereinen, irrt.

Es braucht Rückrat, um zu inspirieren

Mamdani hatte nicht einfach bloß ein gutes sozialpolitisches Programm. Er wurde als glaubhafter Antagonist zur bestehenden Ordnung wahrgenommen. Weil er von Beginn an das Rückgrat zeigte, auch extrem angreifbare Positionen wie seine Palästina-solidarische Haltung standhaft zu vertreten.

Man kauft ihm diese auch gerade deshalb ab, weil er schon seit seiner Uni-Zeit in linken Bewegungen wie der Palästina-Bewegung oder Kämpfen für migrantische Ar­bei­te­r*in­nen verankert ist. Hätte Mamdani kontroverse Positionen gescheut, hätte er nicht die Glaubwürdigkeit gehabt, um eine ganze Generation junger Linker zu inspirieren, die von der glattgebügelten Rhetorik der Demokraten desillusioniert sind.

Der Vergleich zwischen Berlin und New York hinkt an vielen Stellen. Aber eins ist sicher: Hiesige Parteien wie SPD oder Grüne haben nicht den Mut, einen kontroversen Außenseiterkandidaten wie Mamdani zur Wahl aufzustellen.

Statt für angreifbare, aber richtige Positionen geradezustehen – sei es in Sachen Gaza, der Migrationsfrage oder beim Bürgergeld –, haben die mitte-links Parteien in den vergangenen Jahren stets darauf gesetzt, Kontroversen kleinzuhalten und sich an den rechten Diskurs anzuschmiegen. Vermutlich hätten sie jemanden wie Mamdani wegen seiner pro-palästinensischen Positionen aus der Partei geschmissen.SPD und Grüne – das sollten die Parteien inzwischen eigentlich verstanden haben – sind das deutsche Äquivalent der Establishment-Democrats.

Und die Linke profitiert bislang davon. Doch selbst bei der Linken werden Menschen wie Mamdani nicht in die vorderste Reihe gestellt – aus Angst vor Kontroversen. Ob eine handzahme Kandidatin wie Elif Eralp bei den Bürgermeisterwahlen in Berlin wirklich in der Lage ist ein Mamdani-ähnliches Momentum zu schaffen, bleibt deshalb abzuwarten.

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Pauline Jäckels
Meinungsredakteurin
Redakteurin im Meinungsressort seit April 2025. Zuvor zuständig für die parlamentarische Berichterstattung und die Linkspartei beim nd. Legt sich in der Bundespressekonferenz gerne mit Regierungssprecher:innen an – und stellt manchmal auch nette Fragen. Studierte Politikwissenschaft im Bachelor und Internationale Beziehungen im Master in Berlin und London.
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6 Kommentare

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  • NewYork sind nicht die USA und Berlin ist nicht Deutschland. Ob ein Mamdani-Moment eher hilfreich oder kontraproduktiv für die Bewahrung demokratischer Mehrheiten ist wird sich bald zeigen.

  • Was die Autorin schon fast liebevoll als Utopien bezeichnet ist für mich nichts anderes als eine linke Form des Populismus. Jedem und allen wird alles und jenes versprochen, was sie gerade hören wollen. Die Zweifelhaftigkeit der Umsetzbarkeit tritt vollkommen in den Hintergrund.

    Grüne und Linke sollten daher gar nicht erst versuchen, dem auch nur im Ansatz nachzueifern.

  • ""Weil er von Beginn an das Rückgrat zeigte, auch extrem angreifbare Positionen wie seine Palästina-solidarische Haltung standhaft zu vertreten.""



    ====



    1. Hardliner Positionen zu Gaza hat Mamdani schon längst wieder verlassen weil er genau weiß, das er seine Politik in New York kaum ohne das jüdische Establishment umsetzen Kann. New York City beherbergt ca. 1,1 bis 1,77 Millionen Juden und gilt damit als das größte jüdische Zentrum der Welt, was etwa 16 % der Bevölkerung der Stadt ausmacht.

    2.. Progressive Politik wurde vor allem durch die Zusammenarbeit von SPD und Grünen in Koalitionsregierungen in Bündnissen wie der rot-grünen Bundesregierung von 1998 bis 2005 umgesetzt.

    3.. Pauline Jäckels setzt auf Umfrageergebnisse seit Juni 2025



    aus denen hervorgeht, das eine rot-rot-grüne Koalition in Berlin eine Mehrheit von ca. 47 - 48% erreichen könnte. Wer von den



    3 Parteien die Mehrheit erreichen kann um den Bürgermeister stellen zu können ist längst nicht ausgemacht.

    4..Die alte rot-grüne Koalition wurde als gescheitert betrachtet, da sie die Ziele nicht erreichen konnte und sich intern zerstritten hatte.

    Ob sich diese Haltung verändert hat ist momentan nicht sichtbar.

  • Es ist Mamdani für deutsche Verhältnisse Mitte mit linkem Flair, das entspräche der SPD oder evtl. den Grünen.



    In New York aber agierte er in einer Demokraten-Stadt, und als relativ linker Außenseiter mit viel Freiwilligen und eigenem starkem Einsatz und brillanter Zuspitzung.



    Die Rolle könnten hier Linke (oder Grüne) in einigen Städten tatsächlich spielen, das Rezept ist dabei wohl nichts für Redneck-Land oder Unterfranken. Auch dabei gilt: Das scheinbar Unmögliche denken. Umverteilung wäre etwa durchaus wieder möglich und dran. Zugleich nicht zu viel fest versprechen, denn nicht alles liegt in der Entscheidung der Wahl- Und doch auch den Schneid sich nicht gleich abkaufen lassen, mit gesellschaftlichem Druck geht ja doch einiges. Etwas komplex ist es doch.

  • V.a. nimmt es SPD und GRÜNEN keiner ab, wenn sie plötzlich die Sorgen und Nöte von Menschen wahrnehmen, um die sie sich jahrelang nicht wirklich gekümmert haben.



    V.a. die GRÜNEN haben in der Ampel-Regierung da eine Chance verspielt. Im Zweifelsfall war es ihnen wichtiger, irgendwelche Klimamaßnahmen zu bekommen als diese sozial abzufedern. Das Klimageld wurde sehr schnell kassiert, die FDP-Intrige rund um das Heizungsgesetz (Durchstechen des ersten Referentenentwurfs an BILD) hat dann ein übriges getan. Man hätte die Koalition besser platzen lassen sollen.



    Von der SPD erwartet seit dem Kabinett Schröder niemand mehr etwas. Sebst kleinere, sinnvolle Korrekturen an der Hartz-Gesetzgebung hat man gleich wieder kassiert unter dem Störfeuer von CDU und FDP.

  • Das bedarf keines Beweises, angesichts dessen, dass man hier die Schlaftablette Scholz mal zum Kanzler gekürt hatte und aus Proporzgründen Frau Baerbock statt Herrn Özdemir ins Außenamt berufen hatte. Parteigehabe war wichtiger und man möchte lieber mit hektischer vorgetäuschter Aktivität überdecktes Nichtstun, weil bisher nahezu alle Veränderungen seit 1982 zu Lasten der breiten Masse der Bevölkerung gingen, bei Sozen und Grünen meist ohne Not, bei der Union planvoll, weil die zeigen wer sie bezahlt.



    Was der Messias von New York tatsächlich erreichen kann hängt ja auch an den anderen politischen Gremien der Stadt, dass er die Verwaltung hinter sich hat und finanzieller Spielraum da ist. Man kann ihm nur wünschen, dass er die Nerven behält und die Kraft aufbringt.