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BMZ-Ministerin vor der UN-Klimakonferenz„Wir ziehen uns nicht zurück“

Ihre Mittel wurden gekürzt. Doch laut Entwicklungsministerin Alabali Radovan steht Deutschland zu seiner Verantwortung im Kampf gegen den Klimawandel.

Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan will sich an Zusagen halten Foto: Stefanie Loos

taz: Frau Alabali Radovan, Sie haben vor sechs Monaten das Bundesministerium für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit übernommen, dessen Budget im vierten Jahr in Folge massiv gekürzt wurde. Bei der UN-Klimakonferenz in Belém werden viele Länder mit Bitten nach mehr Geld auf Sie zukommen. Wie werden Sie reagieren?

Alabali Radovan: Trotz der wirklich schmerzhaften Kürzungen sind wir international einer der verlässlichsten Partner. Allein 2024 hat die Bundesregierung über 6 Milliarden Euro für den Klimaschutz bereitgestellt – 80 Prozent davon aus dem BMZ-Haushalt. Nimmt man private Mittel dazu, sind es fast 12 Milliarden Euro. Das ist der deutsche Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung. Dass wir mit dem Bundeskanzler, mit Umweltminister Carsten Schneider als Verhandlungsführer und mir in Belém vertreten sind, ist ein starkes Signal: Deutschland steht zu seiner Verantwortung – und zum 1,5-Grad-Ziel.

Im Interview: 

Reem Alabali Radovan, Jahrgang 1990, ist seit Mai Bundesentwicklungsministerin. Sie sitzt seit 2021 für die SPD im Bundestag

taz: Die Industrieländer haben letztes Jahr zugesichert, 300 Milliarden US-Dollar bis 2035 an Klimafinanzierung beizusteuern, eine Verdreifachung der bisherigen Zusage. Das deutsche Versprechen, noch von Angela Merkel, 6 Milliarden im Jahr dazuzugeben, läuft dieses Jahr aus. Gibt es schon eine Zahl, mit der Sie nach Brasilien reisen? Eine Verdreifachung wären ja 18 Milliarden.

Alabali Radovan: Natürlich wollen wir einen angemessenen Beitrag leisten. Aber die Haushaltslage heute ist eine andere. Klar ist: Öffentliche Mittel allein reichen nicht – wir brauchen mehr private Investitionen und innovative Partnerschaften – wie unsere Klimapartnerschaften, die JETPs, die Länder beim Umstieg auf erneuerbare Energien unterstützen. Wir brauchen die deutsche Wirtschaft an Bord. Darum geht es: neue Wege zu finden, neue Partnerschaften, die Klimaschutz und wirtschaftliche Entwicklung verbinden.

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taz: Aber eine konkrete Zahl bringen Sie nicht mit nach Belém?

Alabali Radovan: Sie können sicher sein: Deutschland wird zu seiner Verantwortung stehen. Große Sorge macht mir, dass Länder sich komplett zurückziehen, die früher verlässliche Partner im Klimaschutz waren, wie zum Beispiel die USA. Wir brauchen alle an einem Tisch. Wenn das wegbricht, gefährdet das mehr als jede Zahl – denn der Klimawandel betrifft uns alle, er macht nicht an Grenzen halt.

taz: Aus dem Globalen Süden kommt der Vorwurf, dass der Globale Norden gerne Regeln aufstellt und Rahmenwerke vorgibt, aber nicht das nötige Geld zur Umsetzung dazugibt. Es macht Ihre Position auf der Klimakonferenz komplizierter, wenn Sie dann nicht mit einem halbwegs großzügigen Angebot auftreten können, oder?

Alabali Radovan: Deutschland ist international einer der Staaten, die vorangehen. Wir sind einer der größten Geber in der internationalen Klimafinanzierung – ob für die Klimaanpassung, Emissionsminderung und den neuen Fonds für Verluste und Schäden. Im Gegensatz zu anderen stehen wir zu unserer globalen Verantwortung, wir ziehen uns nicht zurück – und das wissen auch unsere Partner.

taz: Sie haben eben von Privatpartnerschaften gesprochen, um weniger auf öffentliche Mittel angewiesen zu sein. Welche sind das?

Alabali Radovan: Ein Beispiel ist die Kooperation mit der lokalen Metro in São Paulo, die ich mir auf meiner Reise anschaue: Dort wird deutsche Technologie eingesetzt für klimafreundliche öffentliche Verkehrsmittel, die wir mit Krediten unterstützen. Kredite, die mit Zinsen zurückgezahlt werden. Alle Seiten gewinnen – Arbeitsplätze, weniger Emissionen, moderne Mobilität. Genau so funktionieren Zukunftsprojekte. Und unsere JETPs in Ländern wie Südafrika, Indonesien oder Senegal zeigen: Klimapolitik schafft Chancen.

taz: Das funktioniert aber nur in Bereichen, die profitabel sind, wo Sie dementsprechend Investoren locken können. Ein Großteil der nötigen Klimafinanzierung wird in Bereichen gebraucht, die nicht profitabel sind, und von Ländern, die viel zu hohe Zinsen auf ihre Kredite zahlen. Was für Ansätze gibt es da?

Alabali Radovan: Wir helfen ihnen, selbst investieren zu können. Etwa durch Schuldenumwandlungen – also Staaten verpflichten sich gegenüber Deutschland, eigene Entwicklungsprojekte zu finanzieren, und erhalten im Gegenzug Schuldenerleichterungen. Wir wollen aber auch illegale Finanzströme bekämpfen, die allein in Afrika mehr Geld über Steuerhinterziehung abziehen, als weltweit an Entwicklungsfinanzierung bereitsteht. Das ist echte Armutsbekämpfung.

taz: Viele Entwicklungsländer fordern, dass sie bei solchen Diskussionen mit am Tisch sitzen. Sie fordern etwa einen Schuldenrahmen in der UN und nicht der G20 unter Leitung des IWF. Was sagen Sie denen?

Alabali Radovan: Ich war im Oktober in Washington bei der Jahrestagung der Weltbank. Dort waren wir eins der wenigen Länder des Globalen Nordens, die klar fordern: Der Globale Süden muss mehr Mitsprache haben. Es geht um eine Partnerschaft auf Augenhöhe – und genau das nehme ich auch mit nach Belém.

taz: Es gibt auch andere Vorschläge, wie Staaten Geld eintreiben könnten. Frankreich, Kenia, Barbados und andere Länder wollen auf dem Klimagipfel eine globale Solidaritätsabgabe starten. In einem ersten Schritt sollen Privatflüge und Business-Class-Flüge höher und einheitlicher besteuert werden. Die Bundesregierung hat noch nicht gesagt, ob sie mitmachen will. Warum nicht?

Alabali Radovan: Die Verhandlungen laufen ja jetzt erst. Grundsätzlich gilt für mich: Wir brauchen viele Stränge, um die notwendigen Summen zu mobilisieren. Es gibt auch viele Ideen, die man diskutieren kann. Entscheidend ist, dass gemeinsam verabredet Maßnahmen auch tatsächlich umgesetzt werden und wirken – und dass wir zeigen, dass Multilateralismus funktioniert.

taz: Mit dem Rückzug der USA aus der globalen Klimaschutzarchitektur muss China eine deutlich prominente Rolle einnehmen. Gibt es Bereiche in der Entwicklungspolitik, in denen Sie enger zusammenarbeiten können?

Alabali Radovan: China ist ein zentraler globaler Akteur, vor allem auf dem afrikanischen Kontinent. Es arbeitet anders, als wir es tun – stärker interessenbasiert. Aber gerade deshalb sind Räume wie die Weltklimakonferenz unverzichtbar, in denen wir gemeinsam sprechen. Dass es Räume gibt, in denen alle mit am Tisch sitzen und wir gemeinsam in der Weltgemeinschaft Meinungen und Positionen austauschen können. Denn Klimapolitik ist eine globale Aufgabe, und wir alle teilen die Verantwortung.

taz: Sie wollen die wirtschaftliche Zusammenarbeit stärken, private Gelder mobilisieren. Wie legen Sie die Rahmenbedingungen dafür fest, dass nicht am Ende die Profite privatisiert, aber die Kosten dafür verallgemeinert werden?

Alabali Radovan: Wir wollen viel mehr deutsche und europäische Unternehmen an Projekten der Entwicklungszusammenarbeit beteiligen, aber klar ist: Jedes Projekt muss den Menschen vor Ort nützen – gute Arbeitsplätze schaffen, lokale Wertschöpfung stärken und nachhaltige Entwicklung fördern. Das ist unsere Leitlinie.

taz: Sie wollen zum Beispiel Rohstoffe auch für die Energiewende hier sichern. Das steht in den meisten Fällen im direkten Zielkonflikt mit Indigenen oder Umweltschützern vor Ort, die sagen: „Wir wollen das nicht.“ Gibt es konkrete Vorgaben für die Beteiligung der Unternehmen und auch Vorgaben, wie sich die Zivilgesellschaft einbringen kann?

Alabali Radovan: Bei den Rohstoffpartnerschaften stimmen wir uns in der Bundesregierung ab. Die Position des Entwicklungsministeriums ist sehr klar: Lebenswerte Bedingungen vor Ort, Schutz indigener Gemeinschaften und Ökosysteme stehen bei uns im Fokus und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

taz: Lokale Gruppen, die zu Menschenrechten oder Umweltschutz arbeiten, werden häufig von ihren Regierungen unterdrückt. Gleichzeitig treffen die Kürzungen öffentlicher Gelder sie am härtesten.

Alabali Radovan: Absolut. Darum arbeiten wir weiter eng mit ihnen zusammen. Es ist mir sehr wichtig, dass wir die Menschen vor Ort unterstützen. Wo immer möglich, stärken wir lokale Gruppen – sie sind zentral für Menschenrechte, Umweltschutz und Anpassung an Klimafolgen.

taz: Aber die Bundesregierung kürzt trotzdem?

Alabali Radovan: Ja, die Kürzungen in diesem Ausmaß treffen leider alle Bereiche. Die Stärkung der Zivilgesellschaft ist mir aber besonders wichtig, weil sie für Resilienz und Demokratie entscheidend ist.

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