Erfolg für Equal Pay: Mitarbeiterin muss sich nicht mit Mittelmaß zufriedengeben
Eine Abteilungsleiterin von Daimler klagte auf Gleichbehandlung bei der Bezahlung. Das Bundesarbeitsgericht gab ihr im Wesentlichen Recht.
taz | Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat einen Rückschritt bei Equal-Pay-Klagen verhindert. Im Fall einer Abteilungsleiterin von Daimler entschied es, dass ihre Entschädigung sich am Gehalt eines besonders gut verdienenden Kollegen orientieren kann – und nicht nur am Mittelwert (Median) der männlichen Abteilungsleiter. Die Klägerin, seit 15 Jahren Abteilungsleiterin bei Daimler Trucks, stellte nach ihrer Elternzeit fest, dass sie deutlich weniger verdiente als ihre männlichen Kollegen. Da sie das Gehalt eines Kollegen kannte, forderte sie für sich die gleiche Bezahlung ein.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Stuttgart sprach ihr zuvor eine Entschädigung von 130.000 Euro für vier Jahre zu. Die Summe orientierte sich am Mittelwert der männlichen Abteilungsleiter. Sie habe keinen Anspruch auf das gleiche Gehalt wie der Kollege, der besonders gut verdiene.
Das war eine Abkehr von der bisherigen Berechnung der Entschädigung, weshalb die Frau in Revision zum BAG zog. Unterstützt wurde sie von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und deren Anwältin Sarah Lincoln. „Frauen müssen sich nicht mit Mittelmaß zufriedengeben“, sagte sie vor dem BAG.
Die Daimler-Anwältin Mona Herzig argumentierte, dass Equal Pay keine leistungsgemäße Bezahlung verhindern dürfe. „Es kann nicht sein, dass alle mit den Spitzenverdienern gleich behandelt werden“. Im Fall der Klägerin sei die Schlechterbezahlung gerechtfertigt. Sie habe „im Quervergleich nicht so gut performt“ und auch weniger verdient als der Mittelwert der weiblichen Abteilungsleiter. Deutlicher wurde Herzig nicht.
Für den Vergleich genügt ein besser verdienender Mann
Das BAG bestätigte jedoch die bisherige Rechtsprechung, gestützt auf Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs. Für eine Klage reiche es aus, einen besser verdienenden Kollegen mit gleichwertiger Arbeit zu benennen, erklärte die Vorsitzende Richterin Martina Ahrendt. In diesem Fall greife die Vermutung einer Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Der Arbeitgeber könne diese Vermutung nur entkräften, wenn er sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung nachweise. Gelingt ihm das nicht, habe die Frau Anspruch auf die gleiche Bezahlung wie der Mann.
Das BAG sprach der Klägerin jedoch nicht die geforderten 420.000 Euro zu, sondern verwies den Fall zurück an das LAG. Dort muss Daimler Trucks nun darlegen, warum die Abteilungsleiterin schlechter bezahlt wird.
Auch nach dem Urteil gibt es keinen Anspruch, das Gehalt eines Kollegen zu erfahren. Das Entgelttransparenzgesetz erlaubt lediglich, die Durchschnittsgehälter von Männern und Frauen zu erfragen. GFF-Anwältin Sarah Lincoln rät Frauen daher: „Fragen Sie die Kollegen, wie viel sie verdienen!“
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