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Vorstoß von Hubertz zu SozialwohnungenWenn die Baupolitik versagt

Gereon Asmuth

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Gereon Asmuth

Bauministerin Hubertz will Menschen in Sozialwohnungen ans Geld. Statt das Kernproblem zu lösen, verfährt sie sich in einer nicht durchdachten Idee.

Da ist guter Rat teuer: Verena Hubertz' Bauturbo scheint abgesoffen zu sein Foto: imago/dts Nachrichtenagentur

B auministerin Verena Hubertz (SPD) will Menschen in Sozialwohnungen ans Geld. Geht es nach ihr, sollen Menschen, die in solchen Wohnungen leben, irgendwann ein wenig mehr verdienen und somit nicht mehr bedürftig genug sind, eine Fehlbelegungsabgabe zahlen. Die SPD-Politikerin findet ernsthaft, das sei eine gute Idee. Echt jetzt? Schon wieder?

Denn was die Sozialdemokratin für sozial hält, ist erstens eine olle Kamelle. Zweitens ist es ein ausgelutschtes Mantra aller versagenden Wohnungspolitiker:innen. Statt für mehr bezahlbare Wohnungen zu sorgen, setzen sie lieber auf die Neidkarte und schieben denjenigen die Schuld an der Misere in die Schuhe, die noch das Glück haben, eine günstige Miete zahlen zu können.

Dass bezahlbarer Wohnraum immer seltener wird, liegt keineswegs an den unzähligen Reichen, die angeblich in staatlich geförderten Wohnungen für 'n Appel und 'n Ei leben. Es liegt vielmehr daran, dass der Staat – ganz egal unter welcher Regierung – seit Jahrzehnten dafür sorgt, dass die Zahl der Sozialwohnungen immer weiter sinkt, weil die Sozialbindungen auslaufen. Weil Bauförderung so gestaltet ist, dass sie in der Regel nur für rund 25 Jahre gilt und forthin der genau darauf spekulierende Eigentümer abkassieren darf, während die eigentlich zu unterstützende Klasse der Mie­te­r:in­nen in die Röhre schaut.

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Es braucht einfach mehr billige Wohnungen

Wer findet, dass Sozialwohnungen fehlen, sollte nicht die dort Wohnenden zur Kasse bitten, bloß weil sie das Glück hatten, ihre finanzielle Situation so zu verbessern, dass für sie ein Leben knapp über eine Bedürftigkeitsschwelle möglich ist. Besser und nachhaltiger wäre eine Bauoffensive, die ausschließlich von Mie­te­r:in­nen kontrollierte Institutionen wie Genossenschaften fördert und mit revolvierenden Fonds dafür sorgt, dass das irgendwann zwangsläufig zurückfließende Geld in neue Bauvorhaben fließt. Denn mehr billige Wohnungen schafft man nicht, indem die wenigen vorhandenen verteuert werden.

Wie sich das finanzieren ließe? Die Superreichensteuer wäre auch hier ein lukrativer Ansatz.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz. 2000 bis 2005 stellvertretender Leiter der Berlin-Redaktion. 2005 bis 2011 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Bluesky:@gereonas.bsky.social Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
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10 Kommentare

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  • .. es soll ja auch Pensionärsehepaare geben, die selbst in der günstigen Sozialwohnung wohnen und nebenbei Eigentumswohnungen ohne Sozialbindung vermieten.

    Will sagen, man sollte natürlich mehr Sozialwohnungen bauen, muss aber trotzdem keinen Missbrauch durchgehen lassen.

  • Es ist schon witzig... Immer das gleiche.



    Diejenigen die billig wohnen... Und das nur weil sie es schon lange tun... Sollen weiter diesen Vorteil genießen.



    Es stimmt natürlich das, zu wenige Sozialwohnungen gebaut werden. Es werden allgemein viel zu wenige Wohnungen gebaut.



    Und das Problem sind hier die Baukosten.



    Ich finde es ehrlich gesagt sehr unsozial sowas auch noch zu unterstützen. Oh, sie hatten damals Glück also sollen sie für den Rest ihres Lebens von der Allgemeinheit subventioniert werden, obwohl sie schon längst raus aus der Bedürftigkeit sind.

    Und was passiert wenn man alle Wohnungen unter Baukosten und Erhaltungskosten vermietet? Genau was in der DDR passiert ist. Die Wohnungen verfallen auf Dauer. Ist das die Lösung?



    Die Linke möchte enteignen.... Was keine einzige neue Wohnung baut... Sondern nur dafür sorgt, das diejenigen die eh schon billig wohnen, das auch weiterhin tun. Die anderen sind ihnen offensichtlich egal.

  • Annette Hauschild , Autor*in ,

    Ich finde die Aufregung um diesen Vorschlag daneben. Früher hieß das "Fehlbelegerabgabe", nur die heutigen jungen Journalistenkolleg: innen kennen das nicht mehr, offenbar. Leute, die in Sozialwohnungen wohnten aber irgendwann mit ihrem Verdienst über die Bemessungsgrenze kamen, zahlten eine Fehlbelegerabgabe. Ganz selbstverrständlich.

  • Die unselige Tradition der CSU-Verkehrsminister hat die SPD beim Wohnungsbau. Eigentlich, wenn man wirklicher Sozi ist, ein Kernthema der SPD, bezahlbarer Wohnraum für alle.



    Einmal mehr frisst auch hier die Angst die Soziseele. Eine staatliche Wohnungspolitik, die diesen Namen auch verdient, der Staat als Vermieter und Unterhalter von Wohnungen für die unteren Einkommensgruppen und Sozialleistungsempfänger wäre eine wirkliche Hilfe, aber das Marktmantra hat auch die längst im Lager der gut verdienenden Akademiker stehenden Sozis erfasst. Verduckstes Herumdoktern an Symptomen, mehr gibt es auch hier leider nicht von den Sozen.

  • Ziemlich reißerisch und polemisch. Man will gerade nicht pauschal irgendwelchen Mieter:innen in Sozialwohnungen an den Geldbeutel, sondern denjenigen, die über eine bestimmte Einkommensgrenze gekommen sind.

    Als annektdotische Evidenz: In meinem Freundeskreis lebt ein Freund von mir in einer solchen Sozialwohnung, die er seit über 20 Jahren bewohnt. Als Student eingezogen, nutzt er diese kleine Wohnung immer noch, verdient aber nun über seinen Job gut (ca. 3k netto). Ihm reicht der Platz. Ich sehe nicht, warum man solche Leute nicht stärker belasten sollte, während andere Menschen mit deutlich geringerem Gehalt, ggf. auf eine günstige(re) Wohnung verzichten sollen.

    Außerdem wäre es mir neu, dass bei diesem Vorschlag die Wohnung an und für sich verteuert werden soll - was hier suggeriert wird.

  • Wenn man Sozialwohnungen an die vermietet, fuer die sie nicht gedacht sind, zB weil sie irgendwann mehr verdienen als die Obergrenze, wird man immer zuwenig Sozialwohnungen haben.



    Ansich gibt es in so einer Situation 2 Moeglichkeiten: Der Mieter sucht sich was neues oder beteiligt sich zumindest symbolisch an den Kosten, die entstehen, weil er nicht auszieht - denn es muss ja eigentlich eine neue Sozialwohnung gebaut werden.

  • Diese Regierung, in diesem Fall die (S)PD



    sollte langsam aufpassen, das sie sich nicht die Fingernägel blutig macht.



    Sollten sie nicht aufhören bei den Ärmeren dieser Gesellschaft das Geld zusammen zu kratzen?!



    Wann kommt die Vermögenssteuer? Blöde Frage. Die kommt nie.

  • Man reibt sich die Augen: Da macht sich die taz stark für Sozialwohnungen für Gut- und Noch-besser-Verdiener, also



    Sozialwohnung für alle sozusagen, Chapeau!



    Okay, hab' verstanden, die Superreichen müssen draußen bleiben, einer muss es ja bezahlen.

  • Nein, der Staat sollte nicht jedem bedingungslos Wohnraum subventionieren. Schon gar nicht mit einer undurchsichtigen Lotterie, die der Soziale Wohnraum de fakto ist.