Deutsch-chinesische Beziehungen: Aufgeschoben ist nicht abgesagt
Nach der Verschiebung des Besuchs von Außenminister Wadephul wollen China und Deutschland im Dialog bleiben. Die Volksrepublik will in Brüssel über seltene Erden verhandeln.
rtr/afp | Die Bundesregierung ist auch nach der Verschiebung der Reise von Außenminister Johann Wadephul nach Peking weiter an Kontakten mit China interessiert. „Es ist ganz offensichtlich, dass es sehr viele Themen gibt, die wir mit China besprechen wollen und müssen“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Montag in Berlin. „Wir wollen eng zusammenarbeiten, sind sehr an einem konstruktiven Austausch interessiert. Und es ist auch klar, China und Deutschland brauchen diese Zusammenarbeit beide.“ Der Außenminister habe deshalb darauf hingewiesen, dass es keine Absage war, sondern eine Verschiebung.
Wadephul hatte am vergangenen Freitag kurzfristig eine eigentlich für Montag und Dienstag geplante China-Reise verschoben. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin begründete die Verschiebung damit, dass Peking außer einem Treffen des Ministers mit seinem Kollegen Wang Yi keine hinreichenden weiteren Termine bestätigt habe. Wadephul hatte China mit seiner Kritik an dessen militärischen Drohgebärden im Südchinesischen Meer und in der Straße von Taiwan verärgert. Kurz vor einem geplanten Treffen des chinesischen Staatschefs Xi Jinping mit dem US-Präsidenten Donald Trump in dieser Woche machte China nun mit erneuten Drohgebärden gegenüber Taiwan auf sich aufmerksam.
Auch China hat nach der Verschiebung der Reise von Außenminister Johann Wadephul jedoch sein Interesse am weiteren Dialog mit Deutschland betont. „China hat seine Beziehungen zu Deutschland immer aus einer strategischen und langfristigen Perspektive betrachtet und entwickelt“, sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Montag in Peking. Er wiederholte die übliche Formulierung der kommunistischen Führung in Peking, dass beide Seiten sich respektieren, „als Gleichberechtigte“ behandeln und „für Win-Win-Ergebnisse“ zusammenarbeiten sollten, um die bilateralen Beziehungen „auf den richtigen Weg“ zu bringen. Gerade die „aktuellen Umstände“ seien für beide Länder ein Grund, zusammenzuarbeiten, fügte er hinzu, ohne Details zu nennen.
Grüne und Union stehen hinter Wadephul
Aus der deutschen Politik bekam der CDU-Politiker überwiegend Lob dafür, seine Reise abgesagt zu haben. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Agnieszka Brugger, sagte am Montag im Deutschlandfunk, Peking habe testen wollen, ob Deutschland „Spieler oder Spielball“ sei. Die Verschiebung der Reise werde in Peking so verstanden, dass man sich mit Deutschland nicht alles erlauben könne, glaubt die Grünen-Politikerin. „Wenn keine entsprechenden Termine zustande kommen, macht ja eine Reise wenig Sinn“, hatte auch der CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn am Sonntag in der ARD gesagt.
Zurückhaltender hatte sich der niedersächsische Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) geäußert. „Da gibt es sicherlich gute Gründe, weshalb man diese Reise jetzt nicht stattfindet, sondern verschiebt“, sagte er in der ARD. Es sei aber „ein gutes Signal“, dass der chinesische Handelsminister derzeit in Europa sei. „Wichtig ist nur dabei: Wir brauchen jetzt Beziehungspflege-Diplomatie, die diese Konflikte zeitnah löst“, sagte er mit Blick auf die seltenen Erden, von denen Deutschland abhängig ist. Deutschland könne nicht über Nacht resilienter werden, so Lies. Man brauche auf der einen Seite „starke Diplomatie“ und auf der anderen Seite die notwendigen Investitionen in Europa.
Am Donnerstag reist ein Verhandlungsteam aus Peking nach Brüssel, um im Handelsstreit um chinesische Exportkontrollen für seltene Erden und Halbleiter eine Lösung zu finden. Es werde „hochrangige Gespräche auf technischer Ebene“ geben, sagte ein Kommissionssprecher am Montag. Ein persönliches Treffen zwischen EU-Handelskommissar Maros Sefcovic und dem chinesischen Handelsminister Wang Wentao scheint hingegen vorerst vom Tisch zu sein.
Der Streit um seltene Erden schwelt
Peking hatte Anfang Oktober seine Exportkontrollen für seltene Erden verschärft. Seitdem benötigen Unternehmen eine Genehmigung der Behörden, wenn sie Maschinen und Technologien für Abbau und Verarbeitung der Materialien aus China exportieren. Für ausländische Unternehmen gelten zusätzliche Einschränkungen: Sie brauchen auch eine Genehmigung für den Export von Produkten, die seltene Erden enthalten.
Brüssel setzt auf Verhandlungen mit China, zugleich laufen bereits Diskussionen über Möglichkeiten für ein härteres Vorgehen der EU gegen die Volksrepublik. „Wir glauben, dass China als verantwortungsvoller Partner handeln muss“, betonte der Kommissionssprecher am Montag.
In den Verhandlungen dürfte es auch um den Chiphersteller Nexperia mit Sitz in den Niederlanden gehen. Die niederländische Regierung hatte in einem ungewöhnlichen Vorgang die Kontrolle über das Unternehmen übernommen, das zum chinesischen Wingtech-Konzern gehört. Peking hatte Nexperia-Produkte aus China nach der Übernahme mit einem Exportstopp belegt. Das führt zu Lieferproblemen, unter anderem in der Autoindustrie.
Wadephul sucht Telefontermin
Wadephul möchte nun möglichst bald mit seinem chinesischen Amtskollegen telefonieren. Einen Termin dafür gibt es aber noch nicht. Unklar blieb auch, ob die Verschiebung Konsequenzen für die Reisepläne von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat, dessen Antrittsbesuch in Peking noch aussteht. Meyer stellte klar, dass eine Reise des Außenministers keine zwingende Voraussetzung für eine Reise des Bundeskanzlers sei: „Solche Vorbedingungen gibt es nicht.“
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