Regierungskrise in Spanien: Herber Schlag für Ministerpräsident Sánchez
Katalanische Separatisten kündigen Linkskoalition auf, womit die Regierung des Sozialisten Pedro Sánchez ihre Parlamentsmehrheit verliert.
Steht Ministerpräsident Pedro Sánchez nach sieben Jahren vor dem Aus? Das ist die Frage, die seit Montagabend alle TV- und Radiodebatten in Spanien bestimmt. Denn am späten Montagnachmittag hat Junts, die Partei des ehemaligen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont, der Linkskoalition in Madrid die Unterstützung „mangels Vertrauen“ aufgekündigt.
Junts verfügt im spanischen Parlament über sieben Sitze. Ohne sie hat Sánchez keine Mehrheit. Das musste er bereits in mehreren Abstimmungen in den letzten Monaten schmerzlich erfahren, als Junts mit der konservativen Partido Popular (PP) und der rechtsextremen VOX stimmte und so prestigereiche Gesetzesvorlagen wie etwa die 37-Stunden-Woche zu Fall brachte.
Sánchez verfügt mit seiner sozialistischen PSOE und der linksalternativen Sumar nur über 146 Sitze. Die Mehrheit liegt bei 176 Abgeordneten. Sánchez hat dies nur, wenn alle Parteien mit Ausnahme der konservativen PP, Vox und ein paar kleinere rechte Formationen gemeinsam mit der Regierung stimmen.
„Die Junts-Führung hat beschlossen, ihre Unterstützung für die Regierung aufzugeben und in die Opposition zu gehen“, erklärte Puigdemont nach einer Vorstandssitzung im südfranzösischen Perpignan. Am Mittwoch und Donnerstag wird die Parteibasis zu diesem Beschluss befragt.
Puigdemont: „Es fehlt an Vertrauen“
Das 50-köpfige Führungsgremium von Junts tagte außerhalb Spaniens, da der im belgischen Exil lebende Puigdemont zu Hause nach wie vor per Haftbefehl in Folge des Unabhängigkeitsreferendums vom 1. Oktober 2017 gesucht wird.
Zwar wurden alle in Zusammenhang mit der Durchführung der Volksabstimmung begangenen Delikte amnestiert, doch wird Puigdemont nach wie vor Veruntreuung öffentlicher Gelder bei der Vorbereitung des trotz Verbots aus Madrid abgehaltenen Urnenganges vorgeworfen. Ob auch dies unter die Amnestie fällt und der katalanische Ex-Präsident endlich nach Hause darf, wird derzeit noch gerichtlich verhandelt. Die Amnestie war als Bedingung von Junts ausgehandelt, um Sánchez’ Minderheitsregierung zu unterstützen.
„Es fehlt an Vertrauen, und genau das wollten wir aufbauen. Der PSOE fehlt der Wille, die politischen Vereinbarungen zügig umzusetzen“, wirft Puigdemont den Sozialisten vor. Sánchez, dessen Regierung im Zuge einer „Normalisierung der Beziehungen mit Junts“ in der Schweiz mit der Unabhängigkeitspartei einen Dialog führt, habe Versprechen wie eine bessere Finanzierung Kataloniens nicht umgesetzt. Ausserdem habe Sánchez nicht alles getan, damit die katalanische Sprache in der Europäischen Union offiziell anerkannt wird. Mehrere Versuche dazu scheiterten an der Ablehnung von Ländern wir Deutschland.
Angesichts der Krise mit Junts hat sich die Bundesregierung bereiterklärt, mit Madrid erneut über dieses Thema zu verhandeln. „Die Regierung wird sich nicht auf die Mehrheit verlassen können, sie wird keinen Haushalt verabschieden (…). Sie mag die Macht haben, aber sie wird nicht in der Lage sein, zu regieren“, warnte Puigdemont.
Ein Misstrauensvotum ist eher unwahrscheinlich
Die PSOE reagierte betont ruhig. Die Regierung Sánchez werde weiterhin „die Hand für Verhandlungen ausstrecken“. In einer Erklärung der Parteizentrale heißt es: „Wir verstehen Politik als Instrument zum Brückenbau. Und so wird es auch bleiben.“ Die Regierung werde alles tun, um die bei Amtseinführung eingegangenen Vereinbarungen umzusetzen. Sie wolle weiterhin Gesetzesentwurf für Gesetzesentwurf mit Junts verhandeln, um handlungsfähig zu bleiben und vorgezogene Neuwahlen zu vermeiden. Die Legislatur geht im Frühjahr 2027 zu Ende.
Sánchez weiß, dass ein Misstrauensvotum gegen ihn nur dann Erfolg hat, wenn Junts gemeinsam mit PP und VOX stimmt. Das gilt als unwahrscheinlich. Denn ein solches Foto mit der spanischen Rechten kann sich Puigdemont nicht leisten.
PP und VOX sind strikt gegen jedwede Eigenständigkeitsbestrebungen und die Normalisierung der Sprache Kataloniens. Sie fordern gar die Inhaftierung von Puigdemont und VOX will die Rücknahme der Amnestie.
Falls sich der PP-Vorsitzende Alberto Nuñez Feijóo dennoch auch nur die leichtesten Hoffnungen auf ein Misstrauensvotum gegen Sánchez machen sollte, bekam er noch am Montagabend eine ernüchternde Nachricht aus der VOX-Zentrale: „Mit den Separatisten auf keinen Fall.“
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