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Bericht von Fachzeitschrift LancetWie uns der Klimawandel krank macht

Kohle, Öl und Gas sowie die Folgen des Klimawandels machen die Welt tödlicher, berichten Mediziner. Auch die Folgen für die Wirtschaft sind enorm.

Nach verheerenden Waldbränden in Los Angeles, Kalifornien, 9. Januar 2025: Drew Cogan sucht nach seinen Habseligkeiten in den Überresten seines abgebrannten Hauses Foto: Daniel Cole/reuters

taz | Die Abkehr von Kohlestrom rettet weltweit etwa 160.000 Leben, weil die Luft in vormals verschmutzten Regionen besser wird. Das schätzt der Klimawandel-Bericht der renommierten Fachzeitschrift Lancet, der von 128 Me­di­zi­ne­r*in­nen verfasst wurde. Gleichzeitig sterben dem Bericht zufolge Millionen Menschen an den Folgen des Verbrennens fossiler Brennstoffe und der dadurch angetriebenen Erderhitzung.

Zwölf der 20 gemessenen Gesundheitsgefahren sind den Me­di­zi­ne­r*in­nen zufolge auf Rekordhochs, zwei mehr als im vergangenen Jahr. Dazu gehört die Zahl der Hitzetage, die sich für besonders gefährdete Gruppen wie Säuglinge und Menschen über 65 mehr als verdreifacht hat im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 1985 bis 2005.

Ebenfalls auf Rekordhoch war die Zahl der Starkregen- und Dürretage. All das unterbreche Lieferketten, beschädige oder vernichte Ernten und halte Bäue­r*in­nen von der Arbeit ab, sodass der Klimawandel die Ernährungssicherheit von Millionen Menschen bedroht.

Insgesamt habe sich die Zahl der verlorenen Arbeitsstunden aufgrund von Hitze seit den 1990ern verdoppelt, berichten die Mediziner*innen. Der daraus resultierende wirtschaftliche Schaden belaufe sich auf ein Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Die Hitzesterblichkeit pro 100.000 Menschen sei im gleichen Zeitraum um 23 Prozent gestiegen.

Dengue-Fieber verbreitet sich weiter

„Der diesjährige Bericht malt ein düsteres und eindeutiges Bild der zerstörerischen Gefahren für unsere Gesundheit, die alle Ecken der Welt erreichen“, sagte Marina Romanello, die den Bericht verantwortet.

Auch die Verbreitung gefährlicher Krankheiten werde durch den Klimawandel beschleunigt, warnen die Lancet-Autor*innen. Zwei Mückenarten, die das tödliche Dengue-Fieber übertragen, können die Krankheit zwischen 11 und 48 Prozent weiter verbreiten als in den 1950ern, weil die Erde sich erhitzt.

„Paradoxerweise missachten einige Staats­che­f*in­nen die steigende Zahl von wissenschaftlichen Studien zu Gesundheit und Klimawandel, oft zugunsten von kurzsichtigen wirtschaftlichen und politischen Interessen“, schreiben die Au­to­r*in­nen des Berichts.

Weil der politische Druck nachgelassen hat, hätten fossile Riesen wie Shell, BP, ExxonMobil und Chevron ihre Klimaziele pausiert, verschoben oder zurückgenommen „und dadurch die Welt zunehmend in Richtung einer gefährlichen Zukunft gerückt“, so die Mediziner*innen.

Regierungen kürzen Gelder für Klima-Anpassung

Neben den Folgen der Erderhitzung leiden zwei Milliarden Menschen darunter, Kohle, Öl und Gas zum Kochen, Heizen und zur Stromerzeugung verbrennen zu müssen. Luftverschmutzung infolge der Nutzung fossiler Brennstoffe hat laut Bericht zu 2,3 Millionen vermeidbarer Todesfälle geführt.

„Die Zerstörung von Menschen und ihrer Existenzgrundlagen wird weiter eskalieren, bis wir unsere Sucht nach fossilen Brennstoffen heilen und viel, viel besser darin werden, uns an den Klimawandel anzupassen“, sagte Romanello.

Dieser Anpassung fehlen aber gigantische Summen, wie der Bericht über die Anpassungslücke der Vereinten Nationen feststellt, der ebenfalls am Mittwoch erschien. Bis 2035 brauchen Entwicklungsländer 310 Milliarden US-Dollar, erhielten 2023 aber nur 28 Milliarden US-Dollar – zwei Milliarden weniger als im Vorjahr.

„Folgen werden schlimmer“, sagt Unep-Chefin

Auf der Weltklimakonferenz 2024 im aserbaidschanischen Baku hatten sich die Industriestaaten mit den Entwicklungsländern darauf geeinigt, bis 2035 300 Milliarden US-Dollar für die Klimafinanzierung bereitzustellen. Darunter fallen auch Zahlungen für Klimaschutz. Die nötige Finanzierung für Klima-Anpassung kann aus diesen Zusagen deshalb nicht erfolgen.

„Jede Person auf diesem Planeten lebt mit den Folgen des Klimawandels: Waldbrände, Hitzewellen, Wüstenbildung, Fluten, steigende Kosten und mehr“, sagte Inger Andersen, Exekutivdirektorin des UN-Umweltprogramms Unep, das den Bericht über die Anpassungslücke verfasst hat. „Weil die Verringerung des Treibhausgasausstoßes weiter hinterherhinkt, werden diese Folgen nur schlimmer.“

Trotz knapper Kassen und konkurrierender Prioritäten sei „die Realität ganz einfach“, sagte Andersen. „Wenn wir jetzt nicht in Anpassung investieren, werden wir jedes Jahr eskalierenden Kosten ins Auge sehen.“

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