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Regierungs-Shutdown in den USAAngst um die tägliche Mahlzeit

Millionen US-Bürger:innen sind auf das staatliche Ernährungsprogramm SNAP angewiesen. Jetzt endet die Finanzierung und die Nachfrage nach Spenden steigt.

An einer Sammelstelle für Lebensmittelspenden in Hyattsville, Maryland Ende Oktober Foto: Nathan Howard/reuters

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Hansjürgen Mai aus Washington

US-Präsident Donald Trump ist auf Asienreise, doch in der Heimat bereiten sich Millionen von Ame­ri­ka­ne­r:in­nen auf einschneidende Kürzungen vor. Das staatliche Programm zur Ernährungs- und Lebensmittelförderung SNAP wird aufgrund des anhaltenden Regierungs-Shutdown ab dem 1. November nicht mehr staatlich finanziert.

Dies verkündete das US-Landwirtschaftsministerium USDA in einem Schreiben an die verschiedenen Bundesstaaten in diesem Monat. Die Folge ist, dass fast 42 Millionen Amerikaner ab dem kommenden Monat den Gürtel enger schnallen müssen, um sich und ihre Familien mit Essen zu versorgen.

Lebensmittelausgaben und Tafeln im ganzen Land bereiten sich auf einen Ansturm von Bedürftigen vor. Leider können diese Einrichtungen nur einen Bruchteil davon auffangen, erklärte Eric Williams: „Wir können nur ein Neuntel der Essensversorgung gewährleisten, die das SNAP-Programm ermöglicht. Lebensmittelausgaben versorgen die Menschen mit einer Mahlzeit im Gegensatz zu neun durch SNAP finanzierte Mahlzeiten“.

Williams ist der Direktor für Community-Partnerschaften bei 2nd Harvest, einer gemeinnützigen Organisation, die mehr als 250 Lebensmittelausgaben und Tafeln im zentralen und östlichen Washington sowie im nördlichen Idaho mit Nahrungsmitteln vorsorgt. Von dort werden die Lebensmittel und Mahlzeiten dann an Bedürftige verteilt.

7.000 Tonnen Lebensmittel pro Woche

Im vergangenen Jahr verteilte die Organisation mehr als 17.000 Tonnen Lebensmittel oder etwa 18 LKW-Ladungen pro Woche. Im gesamten Einzugsgebiet, welches von 2nd Harvest abdeckt wird, sind laut einer Analyse von Feeding America etwas mehr als 285.000 Menschen von der Gefahr hungern zu müssen, betroffen – darunter mehr als 91.000 Kinder und Jugendliche.

„Wir werden versuchen unser Angebot weiter zu steigern, doch dies wird bei weitem nicht ausreichen, um die erwartete Nachfrage zu bewältigen“, sagte Williams der taz.

Organisationen wie 2nd Harvest verzeichnen auch ohne einen Regierungs-Shutdown in den vergangenen Jahren eine ansteigende Nachfrage. Zu den Gründen zählen das Auslaufen vieler Hilfsprogramme nach der Pandemie sowie die anhaltende Inflation.

Sie hat vor allem Lebensmittelpreise stark ansteigen lassen – in den vergangenen fünf Jahren um fast 30 Prozent, wie offizielle Zahlen der Behörde für Arbeitsmarktstatistiken BLS zeigen. Und nun kommt auch noch der Regierungs-Shutdown hinzu.

Auf Sparflamme

Die US-Regierung arbeitet seit dem 1. Oktober auf Sparflamme, nachdem sich Republikaner und Demokraten im Haushaltsstreit nicht auf einen temporären Übergangshaushalt hatten einigen können. Am Dienstag wurde zum 13. Mal erfolglos im Senat über den im Repräsentantenhaus bereits verabschiedeten Übergangshaushalt abgestimmt. Mit dem Auslaufen der staatlichen Finanzierung für das SNAP-Programm wächst der Druck auf beide Parteien, endlich eine Lösung zu finden.

Für die mehr als 40 Millionen Amerikaner:innen, die auf SNAP angewiesen sind, dürfte dies nur ein schwacher Trost sein. Die Bundesregierung gibt jeden Monat knapp 8 Milliarden Dollar für das SNAP-Programm aus. Laut offiziellen Angaben erhalten SNAP-Empfänger:innen durchschnittlich 177 Dollar pro Person.

Aufgrund der möglichen Auswirkungen haben die demokratischen Justizminister aus 22 Bundesstaaten sowie der US-Hauptstadt Washington am Dienstag Klage eingereicht, um die Suspendierung des SNAP-Programms zu stoppen.

Auch drei demokratischen Abgeordneten aus New Mexiko haben am Dienstag einen neuen Gesetzesentwurf präsentiert, der dafür sorgen soll, dass Programme wie SNAP oder WIC, das zur Unterstützung von Müttern, Säuglingen und Kindern dient, auch während eines Regierungs-Shutdowns weitergeführt werden.

Notfallprogramme aufgelegt

„Kindern, älteren Menschen und Veteranen das Essen vorzuenthalten, ist falsch. Punkt. Die Trump-Regierung betreibt Politik mit hungrigen Kindern und das werden wir nicht zulassen“, sagte die Abgeordnete Melanie Stansbury.

Republikaner sehen im Gegensatz dazu die Demokraten in der Verantwortung. Sie könnten immer den Übergangshaushalt durchwinken und damit das SNAP-Programm sowie andere wichtige Regierungs-Funktionen am Laufen halten.

Viele US-Bundesstaaten haben für den Fall, dass die staatliche Finanzierung am Samstag ausläuft, Notfallprogramme ins Leben gerufen, um zumindest in Teilen den Ausfall von SNAP abzufangen. Die Art und Länge dieser Programme unterscheiden sich je nach Staat. Für Eric Williams von 2nd Harvest ist es eine brenzliche Lage, auf die das Land aktuell zusteuert. „In dieser Branche musst du Optimist sein, aber aktuell wären wir zufrieden, wenn das Glas wenigstens halb voll wäre“.

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