Superreicher Philanthrop: Hat Bill Gates plötzlich etwas gegen Klimapolitik?
Bill Gates' Stiftung fördert viele Klimaschutz-Projekte. Nun sagt er, man solle sich nicht zu sehr auf Reduktionsziele konzentrieren. Warum?
Das 1,5-Grad-Ziel kann weg. Zumindest, wenn es nach Tech-Milliardär Bill Gates geht. Einst war er der reichste Mensch der Welt, mittlerweile steht er laut Forbes nur noch auf Platz 13. Im Vorfeld der Weltklimakonferenz COP30, die am 10. November in Brasilien startet, forderte er, dass sich Länder nicht zu sehr auf Ziele zur CO₂-Reduktion fokussieren sollten.
Der Klimawandel sei ernst, schrieb Gates auf seinem Blog Gates Notes. Titel des Beitrags: „Drei unbequeme Wahrheiten über das Klima“. Aber man habe bereits große Fortschritte gemacht. Er mahnte, dass durch den Kampf gegen die globale Erwärmung Themen wie Gesundheit und Gleichberechtigung in den Hintergrund rückten, und kritisierte insbesondere die „Weltuntergangsrhetorik“ mancher Aktivist:innen. Der Klimawandel werde nicht zum Untergang der Menschheit führen, wiegelte er ab. Und weiter: „Die Menschen werden in absehbarer Zukunft an den meisten Orten der Erde leben und gedeihen können.“
Gates' Äußerungen überraschen, da er sich in der Vergangenheit als prominenter Klimaschützer hervorgetan hat. So veröffentlichte er vor drei Jahren das Buch „Wie wir die Klimakrise verhindern“, das zu einem Bestseller wurde.
Woher rührt die Kehrtwende?
Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, die er gemeinsam mit seiner Ex-Frau 1999 gründete und Anfang des Jahres nach ihrem Weggang in Gates-Stiftung umbenannt wurde, pumpte bereits Milliarden in Klima- und Umweltschutzprojekte. Allerdings auch in Gesundheitsversorgung, Impfstoffe und landwirtschaftliche Entwicklungspolitik – worauf ihr Fokus liegt. Darin könnte der Grund für Gates' Vorstoß liegen.
Die Gates-Stiftung ist die größte private Stiftung der Welt, sie beschäftigt mehr als 2.000 Mitarbeiter. Ihre Arbeitsweise soll unternehmerisch geprägt sein: Die Projekte sind groß angelegt und werden in Zusammenarbeit mit Regierungen und Unternehmen umgesetzt; die Investition muss am Ende des Tages stimmen. Im Mai sprach Gates davon, seine Stiftung am 31. Dezember 2025 aufzulösen. Ursprünglich sollte die Stiftung über seinen Tod hinaus bestehen. Nun soll das gesamte restliche Gates-Vermögen bereits in den nächsten 20 Jahren ausgegeben werden.
Was die Stiftung politisch so bedeutend macht: Sie ist nach den USA und Deutschland der drittgrößte Geldgeber der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Anfang des Jahres kündigte die US-Regierung unter Donald Trump an, bis Anfang 2026 aus der WHO auszutreten. Trump wirft der Organisation unter anderem vor, sich im Umgang mit der Coronapandemie falsch verhalten zu haben.
Wer die Lücke füllt, die Trump reißt
Die WHO würde mit den USA ihren größten Beitragszahler verlieren. Die USA finanzierten die Organisation im Zeitraum 2022/23 mit rund 1,3 Milliarden US-Dollar, das sind rund 18 Prozent ihrer Gesamtfinanzierung. Deutschland zahlte 856 Millionen US-Dollar, die Gates-Stiftung mit 830 Millionen US-Dollar nur etwas weniger – was einen Anteil von etwa 10 Prozent am Gesamtbudget ausmacht. Die Organisation finanziert sich aus Pflichtbeiträgen der Mitgliedstaaten und freiwillige Zahlungen.
Auch aus der Entwicklungsfinanzierung ziehen sich die USA unter Trump zurück. Bislang waren die Vereinigten Staaten der mit Abstand führende globale Akteur und Geldgeber in der Entwicklungspolitik. Die Golfstaaten, die bislang als „stille Giganten“ der Entwicklungshilfe bezeichnet werden, werden dadurch künftig eine einflussreichere Rolle spielen und somit zu wichtigen Partnern der Gates-Stiftung. An Reduktionszielen sind die Ölländer allerdings nicht sonderlich interessiert.
Aus der Klimafinanzierung will sich Gates also wohl zurückziehen. Im März wurden bereits einige Mitarbeiter seiner Klimainitiative Breakthrough Energy entlassen, deren Fokus auf Innovationen im Bereich grüner Energie und Treibhausgasreduktionen liegt.
Das 1,5-Grad-Ziel wohl nicht mehr zu erreichen
Fast alle Länder der Welt haben sich zum Pariser Klimaabkommen verpflichtet. Demnach soll die globale Erwärmung auf „deutlich unter“ 2 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit begrenzt werden – bestenfalls auf 1,5 Grad. Klimaforscher vermuten, dass die Kipppunkte des Weltklimas irgendwo zwischen 1,5 und 2 Grad liegen, jedoch tendenziell eher nahe 1,5 Grad. Das sind jene kritischen Schwellenwerte, ab denen ein katastrophal verlaufender Klimawandel nicht mehr aufzuhalten ist. Derzeit liegt die globale Erwärmung bei etwa 1,1 Grad.
Vergangene Woche sagte UN-Generalsekretär António Guterres, das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels sei nicht mehr möglich. Dementsprechend drohen „verheerende Konsequenzen“.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert