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Korruption in der UkraineEx-Chef von Ukrenergo muss in U-Haft

Wolodymyr Kudryzkyj wird Betrug in großem Stil vorgeworfen. Nach Zahlung einer Kaution bliebt er jedoch zunächst auf freiem Fuß.

Pressekonferenz mit dem Vorstandsvorsitzenden von Ukrenergo, Wolodymyr Kudryzkyj, am 26. März 2024 in Kharkiw Foto: Ukrinform/dpa
Bernhard Clasen

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Bernhard Clasen aus Kyjiw

Ein Kyjiwer Gericht hat am Donnerstag eine zweimonatige Untersuchungshaft für den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des staatlichen ukrainischen Stromnetzbetreibers Ukrenergo, Wolodymyr Kudryzkyj, angeordnet. Ihm wird Betrug in besonders großem Ausmaß vorgeworfen.

Kudryzkyj bezeichnete die Entscheidung des Gerichts als „politisch motiviert“ und „völlig absurd“. Fünf Parlamentsabgeordnete erklärten sich bereit, für ihn zu bürgen, um eine Haftverschonung zu ermöglichen. Laut Kudryzkyjs Anwalt Mykolai Hrabyk sind die Vorwürfe gegen seinen Mandanten unbegründet. Nach seiner Einschätzung enthalte das vorgelegte Ermittlungsdossier keine Beweise, die einen begründeten Verdacht im Sinne des ukrainischen Strafprozessrechts stützen würden.

Der Verdacht sei „rechtlich nicht haltbar“. Kudryzkyji selbst sieht gegenüber dem ukrainischen Dienst von Radio Svoboda einen Zusammenhang mit seiner Kritik an seinem ehemaligen Chef, dem früheren Energieminister und derzeitigem Justizminister Herman Haluschtschenko. Kudryzkyji hatte diesem vorgeworfen, die Kontrolle über Ukrenergo übernehmen zu wollen.

Gegenüber dem ukrainischen Dienst von Radio Svoboda fürchtet Wolodymyr Omeltschenko, Direktor der Energieprogramme des Rasumkow-Zentrums, dass sich die Ukraine durch das Vorgehen gegen Kudryzkyji weiter von Europa entferne und Russland annähere.

Größtes Verdienst

Die dem Manager angelastete Tat liegt sieben Jahre zurück. So soll Kudryzkyj 2018 – damals stellvertretender Direktor für Investitionen bei Ukrenergo – mit dem Lwiwer Geschäftsmann Ihor Hrynkevytsch 13,7 Millionen Hrywnja (nach damaligem Wechselkurs rund 489.000 Euro) veruntreut haben. Außerdem soll er Dokumente gefälscht, Aufträge manipuliert und ein Scheinunternehmen zum Zwecke der Geldwäsche mit gegründet haben. Im Falle einer Verurteilung könnte ihn eine Freiheitsstrafe von 12 Jahren erwarten.

Der 39-jährige Wolodymyr Kudryzkyj, Absolvent der Nationalen Wirtschaftsuniversität Kyjiw mit dem Schwerpunkt internationale Wirtschaft, Mitglied der britischen Association of Chartered Certified Accountants (ACCA), besitzt ein Zertifikat für Auditoren des US-amerikanischen Institute of Internal Auditors. Bevor er in der Energiebranche arbeitete, war Kudryzkyj im Audit, Investmentwesen und Consulting tätig. 2020 wurde er Vorstandsvorsitzender von Ukrenergo.

Das wohl größte Verdienst von Kudryzkyj ist die Abtrennung des ukrainischen Stromnetzes vom Netzverbund mit Russland und Belarus. Diese wurde drei Stunden vor Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine kurz nach Mitternacht am 24. Februar 2022 umgesetzt. Wäre das nicht erfolgt, hätte Russland die Möglichkeit gehabt, jederzeit per Knopfdruck Blackouts in der Ukraine zu verursachen. Wenig später wurde das ukrainische Netz mit dem europäischen Verbund Entso-E synchronisiert.

Im September 2024 wurde Kudryzkyj vom Ukrenergo-Aufsichtsrat entlassen. Er sprach in diesem Zusammenhang von politischer Einflussnahme. Kudryzky wird ein sehr angespanntes Verhältnis zu dem damaligen Energieminister Herman Haluschtschenko, der seit Juli dieses Jahres Justizminister ist, nachgesagt. Auch zwei Mitglieder des Aufsichtsrates, Daniel Dobbeni und Peder Andreasen, sahen die Entlassung als „politisch motiviert“ an und nahmen aus Protest ihren Hut.

Elektronische Fußfessel

Lange saß Kudryzkyj nicht in einem Kyjiwer Untersuchungsgefängnis ein. Nur wenige Stunden nach Bekanntgabe des Urteils wurden die 13,7 Millionen Hrywnja Kaution (umgerechnet 274.000 Euro) bereit gestellt und Kudryzkyji konnte das Gefängnis verlassen.

Wer das Geld eingezahlt habe, wollte Rechtsanwalt Hrabyk nicht verraten. Er könne lediglich sagen, dass die Kaution nicht von einer natürlichen, sondern einer juristischen Person bezahlt worden sei. Und diese juristische Person stehe in keinem Verhältnis zu Wolodymyr Kudryzkyj. Sein Mandant habe seinen Reisepass abgeben müssen und trage nun eine elektronische Fußfessel.

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