Digital-Gipfel in Berlin: Unglückliche Vasallen
Am Dienstag treffen sich EU-Politiker*innen in Berlin, um die digitale Souveränität voranzutreiben. Doch außer Floskeln ist wenig zu erwarten.
G roße Worte können sie, die zwei ganz starken Männer Europas. Friedrich Merz und Emmanuel Macron bekennen sich lautstark zur technologischen Unabhängigkeit von den USA: „Souveränität durch Innovation“ will der deutsche Bundeskanzler und fordert eine „große Kraftanstrengung“ im Namen von Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand. Macron fügt mit seiner Losung zur „souveraineté numérique“ die Freiheitsliebe hinzu: „Es gibt kein glückliches Vasallentum“, erklärte er wiederholt.
Die technologische Abhängigkeit Europas von den USA ist kein neues Problem: Mal sind es Clouds, mal Chips, mal Daten, mal künstliche Intelligenz, in denen sich die Angst vorm digitalen Machtverlust spiegelt. Doch wenn sich Europa am Dienstag zum Digital-Gipfel in Berlin trifft, ist kaum mehr zu erwarten als leere Floskeln über „Bürokratieabbau“ und „Digitalisierung“. Denn die Digitalgiganten haben den US-Präsidenten auf ihrer Seite. Und solange Europa auf Trumps Wohlwollen für die Unterstützung der Ukraine angewiesen ist, wird es möglichst leisetreten.
Erklärtermaßen stehen dabei fast alle der auf dem Gipfel vertretenen europäischen Entscheider:innen für digitale Souveränität: Digitalminister Karsten Wildberger, seine dänischen und französischen Amtskolleginnen und sogar EU-Digitalkommissarin Henna Virkkunen. Die vielen ebenfalls eingeladenen CEOs lassen dagegen eher Deregulierung erahnen. Und auch das gerade bekannt gewordene Digitalpaket der Kommission geht in diese Richtung.
Dem Ziel der digitalen Souveränität steht zudem der bereitwillige Ausverkauf einiger deutscher Politiker im Weg: Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) beispielsweise, der wie unter anderem das Land Baden-Württemberg gerade massenweise Daten an Peter Thiels Techkonzern Palantir abtreten will. Oder Markus Söder (CSU), der sein Bundesland mit frischen Verträgen über hunderte Millionen Euro an den US-Konzern Microsoft bindet, anstatt auf europäische oder offene Software zu setzen.
Dabei gäbe es jetzt die Chance zur selbstbewussten Abnabelung: Mit seiner erpresserischen Zollpolitik und der unheiligen Allianz mit den US-Techkonzernen hat Trump die Europäer*innen näher zusammengebracht. Digitalgesetze werden plötzlich zusammen mit Zöllen verhandelt. Musk, Zuckerberg und Co. jagt das berechtigterweise Angst ein. Denn ohne den europäischen Markt lässt sich ihr globaler Machtanspruch nicht aufrechterhalten. Auch der „Brussels Effect“, nach dem aus europäischen Gesetzen oftmals globale Standards erwachsen, bedroht ihr Geschäftsmodell.
Unfaire Geschäftsmodelle
Das war nie nachhaltig oder fair: Mit Risikokapital vollgepumpte Unternehmen schaffen digitale Märkte, errichten Zugangsbarrieren für (europäische) Konkurrenten und werden so zu Monopolisten. Erst bieten sie ihre Dienste kostenlos an, dann fordern sie immer mehr Geld. Nur so lassen sich die Geldgeber bei Laune halten. Zusammen mit unseren Daten fließen enorme Übergewinne aus Europa ab – und kaum Steuern zurück in die Staatskassen.
Dass die EU in der Lage ist, diesem Unrecht beizukommen, stellt sie gerade unter Beweis, etwa mit dem AI Act zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz, dem Digital Markets Act und dem Digital Services Act, die den Plattformen Grenzen setzen. Gegen eben diese läuft die Trump-Administration Sturm, begleitet von großem Getöse der Tech-Unternehmen. Vor diesem Druck darf Europa nicht einknicken. Stattdessen wäre auf dem Digital-Gipfel ein klares politisches Bekenntnis zur EU-Gesetzgebung nötig. Wirtschaft – und Demokratie – würden danken.
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