piwik no script img

28-Punkte-Plan für UkraineKrudes Machwerk

Dominic Johnson

Kommentar von

Dominic Johnson

Der 28-Punkte-Plan für die Ukraine ist eine Mischung von Kreml-Propaganda und Versatzstücken des bestehenden Nahost-Friedensplans.

Hier finden am Sonntag Gespräche hinter verschlossenen Türen statt: Die US Mission in Genf Foto: Pierre Albouy/reuters

D ass die US-Außenpolitik unter Donald Trump verkommen ist, wusste die Welt schon. Aber was die USA sich jetzt gegenüber der Ukraine leisten, sprengt alles. Ein 28-Punkte-Plan, der lauter russische Forderungen auflistet, wird als Friedensplan verbreitet und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eine Frist von einer Woche gesetzt, um ihn anzunehmen. Die Politik in Washington ist sich zwar nicht einmal einig, ob das überhaupt ein fertiger US-russischer Plan ist, ein Verhandlungsangebot an Kyjiw oder bloß eine Moskauer Wunschliste. Aber alle reden aufgeregt darüber.

Das Dokument ist eine Aneinanderreihung von Absurditäten. Eingefrorene russische Gelder werden zu US-Investitionen, in die aber Europa mit einzahlen soll. Die Ukraine darf weder der Nato beitreten noch ausländische Truppen ins Land holen, aber sie ist „souverän“. Sie soll diesen Plan annehmen, aber in 100 Tagen Neuwahlen abhalten. Von Russland wird bloß „erwartet“, keine Nachbarländer mehr zu überfallen. Kriegsverbrechen bleiben straffrei, aber „Nazi-Aktivitäten“ sind verboten, was auch immer das heißt. Die von der Ukraine kontrollierten Teile des Donbass werden anerkanntes russisches Staatsgebiet, und ein Waffenstillstand kommt erst nach einem Truppenrückzug. Das alles überwacht ein „Friedensrat“ unter Vorsitz von Donald Trump.

Wer dieses krude Machwerk zur Annahme empfiehlt, dem ist nicht mehr zu helfen. Es ist eine Mischung von Kreml-Propaganda und Versatzstücken des bestehenden Nahost-Friedensplans. Es stellt die Ukraine auf eine Stufe mit Gaza und ihre Regierung implizit auf eine Stufe mit der Hamas, es behandelt Russland als schutzbedürftigen Partner wie Israel. Es ist ein Trump-Putin-Pakt zur Zerschlagung der Ukraine und zur Unterwerfung Europas.

Kyjiw und seine europäischen Verbündeten müssen nun dringend eigene Konzepte entwickeln und umsetzen, die einen Frieden in Würde ermöglichen. Es geht um das Überleben der Ukraine und die Sicherheit Europas. Deshalb müssen Ukraine und Europa diese auch aus eigener Kraft erreichen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
Mehr zum Thema

0 Kommentare